Ich bin verzaubert
Meine Meinung: In der vorlesungsfreien Zeit befinde ich mich auf Klassiker Entzug! Wird man tagtäglich von Klassikern, Fachtexten und Analysen umgeben und liebt diese seit jeher so wie ich, dann bemerkt ...
Meine Meinung: In der vorlesungsfreien Zeit befinde ich mich auf Klassiker Entzug! Wird man tagtäglich von Klassikern, Fachtexten und Analysen umgeben und liebt diese seit jeher so wie ich, dann bemerkt man diesen Verlust und sehnt sich nach ihnen. Die leichten Bücher, zu denen sonst parallel zur Unilektüre gegriffen wird langweilen und man möchte mehr. Da kam es mir gerade recht, dass der Aufbau Verlag mich gefragt hat, ob ich dieses Buch rezensieren will und ich habe sofort zugestimmt. Henry James ist uns allen sicher ein Begriff. Und selbst, wenn man mit dem Namen des Autors nichts anfangen kann, so tun es doch Bücher, wie Was Maisie wusste oder Portrait einer jungen Dame. In der Vergangenheit habe ich leider noch nichts von diesem Autor lesen können und so habe ich mich umso mehr gefreut, dass ich mit Eine Dame von Welt den Anfang machen konnte.
Ich liebe die Literatur des 19. Jahrhundert, insbesondere die des späten 19. Jahrhunderts. Ich liebe die Etikette damals, die man in Henry James Werken genauso wenig vermisst, wie in Jane Austens und ich liebe diese verträumt erzählerische Art zu schreiben, und dennoch zeitgleich einen höflichen Abstand zu den Charakteren und deren Handlungen zu wahren. Auch im Buch treffen Gegensätze aufeinander. Die schon damals etwas aufgelockerte Lebensweise der Amerikaner trifft auf die konservative englische Gesellschaft und die unehrbarste Amerikanerin von allen versucht, in dieser Fuß zu fassen. Wir sind stille Zuschauer dieser Begebenheit und obwohl in dieses Buch ohne große Vorkommnisse und Skandale auskommt, ist es deshalb so unglaublich fesselnd.
Man kann gar nicht richtig ausmachen, welcher der Charaktere nun im Vordergrund der Handlung steht und als Protagonist bezeichnet werden könnte. Alle haben ihr eigenes Schicksal, ihre eigene Rolle in der Novelle und keiner vermag es mehr hervorzutreten, als der andere. Anfangs war ich versucht, Littlemore als Protagonisten zu sehen aber dafür nimmt er zu wenig Platz ein. Dann war es Mrs. Headway selbst aber diese treibt die Handlung viel zu wenig voran. Es scheint als wäre keine Person der Mittelpunkt sondern das Geschehen an sich. Wie in einem Sonnensystem kreist alles, was getan, gesagt und gedacht wird um den Versuch Mrs. Headways herum, in der englischen Gesellschaft aufgenommen zu werden.
Fast schon war dieses Buch zu kurz, denn am Ende angelangt, wollte ich mich nicht schon wieder von den Charakteren des Buches verabschieden. Ich genieße es immer, hinter die Fassaden zu Blicken und die Gesellschaft, besonders die englische, des 19. Jahrhunderts, zu analysieren. Aber es war doch nur eine Novelle und das habe ich ja schon vor dem Lesen gewusst. Schön war es trotzdem!
Bewertung: Mein erstes Werk von Henry James war direkt ein voller Erfolg. In dieser kurzen Novelle konnte ich einen wunderschönen Einblick in die englische Gesellschaft des 19. Jahrhunderts bekommen und beobachten können, wie zwei verschiedene Welten zusammenprallen und eine Frau in beiden Platz finden möchte. Wundervoll! Dafür gibt es von mir 5 von 5 Füchschen.