Cover-Bild Nach Mitternacht
(1)
  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
12,99
inkl. MwSt
  • Verlag: Ullstein Taschenbuch Verlag
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: Klassisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 192
  • Ersterscheinung: 27.07.2023
  • ISBN: 9783548068978
Irmgard Keun

Nach Mitternacht

Roman | Der Klassiker der deutschen Exilliteratur neu im Taschenbuch

«Der beste satirische Roman über Nazideutschland» Arthur Koestler

Frankfurt, 1936: Menschenmassen strömen auf den Opernplatz und warten auf den Besuch Hitlers. Mittendrin und doch abseits verfolgt die 19-jährige Susanne das Geschehen. Voller Sehnsucht und Unruhe wartet sie auf ein Lebenszeichen von ihrem Verlobten Franz. Gemeinsam wollten sie einen Zigarettenladen aufmachen. Doch plötzlich taucht Franz aus dem Nichts vor ihr auf. Er wurde an die Gestapo verraten, hat den Denunzianten – den Besitzer eines Zigarettenladens – umgebracht und muss nun fliehen. Kurz vor Mitternacht muss Susanne sich entscheiden: Soll sie ihre Heimat verlassen, um mit Franz zu gehen?

48 Stunden schildert Irmgard Keun durch die Augen ihrer Erzählerin den Alltag im nationalsozialistischen Deutschland. Mit genauer Beobachtungsgabe und scharfem Humor beschreibt sie die Erlebnisse, Gespräche und Widersprüchlichkeiten verschiedenster Menschen in dieser Zeit.
Nach Mitternacht ist einer der wichtigsten Romane der deutschen Exilliteratur.

Weitere Formate

Dieses Produkt bei deinem lokalen Buchhändler bestellen

Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 13.08.2024

Ein toller Roman, der auch heute noch höchst aktuell ist

0

Irmgard Keuns Roman „Nach Mitternacht“, der 1937 als erster Exilroman der Autorin in Amsterdam veröffentlicht wurde, gewährt seinen Lesern einen authentischen Einblick in das Leben einer jungen Frau, die ...

Irmgard Keuns Roman „Nach Mitternacht“, der 1937 als erster Exilroman der Autorin in Amsterdam veröffentlicht wurde, gewährt seinen Lesern einen authentischen Einblick in das Leben einer jungen Frau, die sich in dem totalitären Staat, zu dem sich ihre Heimat Deutschland unter den Nationalsozialisten entwickelt hat, zurechtzufinden versucht. Mit einer Mischung aus Humor und tragischen Momenten beleuchtet Keun hierbei nicht nur den Alltag, sondern auch die vielen Widersprüche in dieser dunklen Zeit.
Nach dem Tod ihrer Mutter kommt die 16-jährige Sanna bei ihrer Tante Adelheid in Köln unter und lernt dort deren Sohn Franz kennen, in den sie sich im Laufe der Zeit verliebt. Die beiden träumen davon, eines Tages gemeinsam einen Zigarettenladen zu eröffnen, doch ihre Pläne werden durchkreuzt, als die politisch engagierte Adelheid Sanna wegen einer harmlosen Bemerkung über den Führer bei der Gestapo denunziert. Da Sanna vor diesem Hintergrund nicht mehr bei Adelheid bleiben will, zieht sie nach Frankfurt zu ihrem Halbbruder Algin, wo sie viel Zeit mit dessen Familie und Bekannten verbringt. Während sie sich mit ihnen in Kneipen und Cafés trifft und auch den Auftritt Hitlers auf dem Frankfurter Opernplatz miterlebt, findet sie sich immer wieder in Situationen wieder, in denen Menschen aufgrund des sich immer weiter ausbreitenden nationalsozialistischen Gedankenguts diskriminiert werden. Während sie diese Situationen immer wieder hinterfragt und auch selbst Angst hat, etwas Falsches zu tun oder zu sagen, macht sie sich zudem noch Sorgen um Franz, von welchem sie monatelang nichts gehört hat, bis ein ominöser Brief von ihm eintrifft. Dass dieser nichts Gutes bedeutet, bewahrheitet sich schließlich als Franz zu Sanna nach Frankfurt geflohen kommt. Dieser musste drei Monate lang in Schutzhaft verbringen, weil er und sein Freund, mit dem er ein gemeinsames Zigarettengeschäft eröffnet hatte, von einem Geschäfts- konkurrenten und ehemaligen SA-Mann, Willi Schleimann, wegen angeblicher
antifaschistischer Propaganda denunziert worden war. Als Franz dies von einem alten Antiquitätenhändler erfuhr, erwürgte Franz Schleimann aus Rache und befindet sich nun auf der Flucht. In der Hoffnung auf ein besseres Leben jenseits der Grenzen des nationalsozialistischen Deutschlands fliehen Sanna und Franz schließlich und überqueren um ein Uhr nachts – also ‚nach Mitternacht‘ – die Grenze nach Holland.
Die Handlung des Romans wird stets aus der Perspektive der 19-jährigen Sanna geschildert, welche als Beobachterin das Geschehen beschreibt und kommentiert, wodurch der Stil eher einfach und umgangssprachlich gehalten ist. Neben ihren eigenen Gedanken und Kommentaren gibt sie zudem die Äußerungen und Gespräche der Nebenfiguren wieder, so dass der Roman durchaus auch direkte Rede enthält. Während der Handlung, die sich in der zeitlichen Gegenwart des Romans abspielt, erinnert sich Sanna immer wieder an Situationen, die sich in der Vergangenheit ereignet haben, so dass sich dem Leser erst nach und nach das ‚Gesamtbild‘ der Handlung erschließt.. Dies kann sich selbstverständlich als ein spannendes Leseerlebnis herausstellen, kann jedoch auch die Folge haben, dass die Rezipienten – so wie ich an mancher Stelle – nicht ‚erleuchtet‘ werden, sondern vielmehr verwirrt werden und der Handlung nur noch mit Mühe folgen können.
Besonders eindrucksvoll und bemerkenswert ist jedoch die Art, wie Irmgard Keun ihre Protagonistin gezeichnet hat. Indem Sanna als ein aus der Moselregion stammendes Mädchen vom Lande dargestellt wird, dem die auf den ersten Blick ‚kultivierten‘ Gespräche der Städter zu ‚hochgestochen‘ erscheinen, fungiert sie letztlich nicht nur als Gegenpol zur städtischen Bevölkerung, sondern vor allem zu den nationalsozialistischen Bürgern. Denn immer wieder kommentiert Sanna die diskriminierenden und rassistischen Äußerungen der Parteianhänger und bekundet ihr Unverständnis, wodurch nicht nur die Widersprüchlichkeit und Doppelmoral in den Aussagen der Nationalsozialisten entlarvt wird, sondern Sanna gleichzeitig als moralisches Vorbild bzw. als Repräsentantin der ‚Gegenseite‘ fungiert. Durch die scharfsinnige Trockenheit ihrer Äußerungen, die an die unschuldige, aber zugleich sehr aufmerksame Sichtweise eines Kindes erinnert und an vielen Stellen zum Schmunzeln, ja sogar zum Lachen anregt, wird das sinnlose

Gedankengut und die Ideologie der Nationalsozialisten und ihrer Anhänger im Laufe des Romans vollends ‚lächerlich‘ gemacht.
Durch die Angst, die Sanna mit dem Fortlauf der Handlung immer mehr selbst verspürt, da sie jederzeit etwas Falsches tun oder sagen könnte, das schreckliche Folgen für sie nach sich ziehen könnte, wird die allgemeine bedrückende Stimmung im Volk widergespiegelt. Die Menschen leben in gegenseitigem Misstrauen und im Schatten der allgegenwärtigen Bedrohung durch Verrat und Denunziation, was zu einer ständigen Verunsicherung und Anspannung der Menschen führt.
Irmgard Keun bietet mit dieser historischen Darstellung aus der Mitte der Gesellschaft nicht nur einen Einblick in die alltäglichen Lebensumstände und Gefahren zur Zeit des Nationalsozialismus, sondern zeigt auch, wozu Menschen in Krisenzeiten fähig sind, um ihr eigenes Überleben und ihre eigene Sicherheit zu bewahren. Von besonderer Bedeutung sind in diesem Zusammenhang auch die Gruppendynamiken, die das gemeinsame nationalsozialistische Gedankengut in der Gesellschaft auslösen konnte. Während sich die Gesellschaft immer mehr zu einer menschenverachtenden Institution entwickelt, die alles ‚Andersartige‘ unterdrückt und diskriminiert, steht Sanna für die Standhaftigkeit des Einzelnen, der sich trotz allem seine Menschlichkeit bewahren will.
Die gemeinsame Flucht Sannas und Franz‘ nach Holland kann letztendlich sowohl als ein Akt des Widerstandes gegen das nationalsozialistische Regime verstanden werden als auch als ein Hoffnungsschimmer auf ein Leben jenseits der deutschen Grenzen, wo Kontrolle und Terror herrschen. Die Tatsache, dass die beiden Protagonisten ihre Heimat verlassen müssen, um Sicherheit und Frieden zu finden, verdeutlicht dabei die Grausamkeit des Hitler-Regimes. Insgesamt handelt es sich bei Irmgard Keuns „Nach Mitternacht“ um ein bedeutendes Werk der deutschen Exilliteratur, das gerade in der heutigen Zeit von großer Aktualität und Wert ist. Die Figur der Sanna fungiert durch ihre Darstellungen und Kommentare gewissermaßen als ‚Zeitzeugin‘ des Nationalsozialismus und stellt gerade angesichts der schwindenden Zahl realer Zeitzeugen ein sehr hohes literarisches Gut dar. Ein Roman wie „Nach Mitternacht“ lohnt sich daher nicht nur für das private Lesevergnügen, sondern wäre auch als Lektüre im Schulunterricht sehr wertvoll.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere