Profilbild von brokencircle

brokencircle

Lesejury-Mitglied
offline

brokencircle ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit brokencircle über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 09.11.2023

Mein persönliches Jahreshighlight

The Stranger Times
0

Das Unmögliche gehört in C.K. McDonnells „The Stranger Times“ zum Alltag.

In der Geschichte findet die arbeitssuchende Hannah bei einer Zeitung namens „The Stranger Times“ eine Anstellung als Journalistin ...

Das Unmögliche gehört in C.K. McDonnells „The Stranger Times“ zum Alltag.

In der Geschichte findet die arbeitssuchende Hannah bei einer Zeitung namens „The Stranger Times“ eine Anstellung als Journalistin und kommt dort nicht nur mit skurrilen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Kontakt, sondern auch mit unerklärlichen, aber faszinierenden und übernatürlichen Ereignissen.

McDonnells Auswahl der Charaktere ist grandios, angefangen vom zynischen, stets miesgelaunten Chef bis zur liebevollen Sekretärin. Die Dialoge sind scharfsinnig und voller Witz. Wirklich ausgiebig lachen musste ich dann über die ausführlichen Passagen, in denen es um das Material für die Zeitung geht, also wenn Personen ihre völlig abgedrehten Geschichten, Erlebnisse oder Verschwörungsmythen erzählen und hoffen, dass darüber in der „Stranger Times“ berichtet wird.

Im zweiten Teil der Geschichte gibt es dann mehr Berührungen zur Welt der Magie, übernatürliche Wesen und mystischer Geheimnisse. Doch nie werden dabei die zwischenmenschlichen Beziehungen vernachlässigt, was dem Buch eine große Kraft verleiht und es trotz viel Fantasy menschlich bleiben lässt.

Ein besonderes Vergnügen beim Hörbuch ist die Erzählstimme von Sascha Icks, einer Theaterschauspielerin, die jeder Figur ihre eigene Stimme verleiht und somit die perfekte Atmosphäre für die Geschichte schafft. Seit Rufus Becks Harry Potter-Hörbüchern habe ich kein so gut vorgelesenes Buch mehr gehört.

Insgesamt ist "The Stranger Times" ein erfrischend originelles und vor allem witziges Buch, das sowohl Erwachsene als auch Jugendliche ansprechen wird, die sich für eine Mischung aus Fantasy, Krimi und Humor begeistern können.

Mein persönliches Jahreshighlight in 2023. Ich werde die weiteren 2 Bände (ein dritter ist angekündigt) auf jeden Fall auch lesen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 06.11.2023

In Ordnung, aber reichlich Kürzungspotential

Das Geheimnis von Zimmer 622
0

Joel Dickers "Das Geheimnis von Zimmer 622" ist ein komplexer Kriminalroman, der in einem exklusiven Hotel in der Schweiz spielt und von den Ränkespielen zur Nachfolge eines Bankpräsidentenposten und die ...

Joel Dickers "Das Geheimnis von Zimmer 622" ist ein komplexer Kriminalroman, der in einem exklusiven Hotel in der Schweiz spielt und von den Ränkespielen zur Nachfolge eines Bankpräsidentenposten und die Suche nach der wahren Liebe handelt. Die verschiedenen Erzählperspektiven in unterschiedlichen Zeitperspektiven und die komplexen Beziehungen der Charaktere erfordern vom Leser eine hohe Aufmerksamkeit.
Für mein Empfinden wiederholen sich hier zu viele Elemente aus Dickers Roman „Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert“. Wieder ist der Erzähler ein Autor, auf der Suche nach einer Geschichte für seinen nächsten Roman. Wieder arbeitet er mit Zeitsprüngen, die dieses Mal weniger gut funktionieren, weil die Episoden stets an der spannendsten Stelle abgebrochen werden. Bei 16 Stunden Laufzeit des Hörbuches nerven diese unzähligen Cliffhanger irgendwann.
Unangenehm aufgefallen sind mir die unzähligen Redundanzen. Einzelne Elemente der Geschichte werden immer und immer wieder wiederholt, als ob man dem Leser nicht zutraut, dass er sich die Handlung schon beim ersten Mal gemerkt hat.
Die ganze Geschichte ist im Grunde ein ewiges Hin und Her zwischen drei Hauptpersonen und in jedem Kapitel wechselt das Machtgefüge oder die Zuneigung zwischen den Personen. Die später immer häufiger in den Fokus rückenden Nebenfiguren hätte man viel zügiger in das Geschehen mit einbinden und den Krimi aufgrund der Redundanzen insgesamt um 4 Std. kürzen können.
Die unsympathischste Figur ist erneut eine Mutter. Das ist wie schon bei „Harry Quebert“ so übertrieben dargestellt, dass ich mir inzwischen sicher bin, dass Dicker damit etwas verarbeiten möchte.
Gelesen wird das Buch von Torben Kessler, der hier einen soliden Job macht, ohne so richtig zu begeistern. Seine Versuche, den Figuren unterschiedliche Stimmen zu geben ist nur sehr zaghaft und kaum wahrnehmbar.
Insgesamt ist "Das Geheimnis von Zimmer 622" ein Buch, das fesselnde Elemente und eine raffinierte Struktur aufweist, jedoch auch mit einigen Herausforderungen für den Leser einhergeht. Die Komplexität der Handlung und die potenzielle Überfrachtung mit Wendungen (innerhalb des stets gleichen Themas) könnten dazu führen, dass die eigentliche Faszination des Krimis beim Lesen verloren geht.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 17.10.2023

Hercule Poirots Nachfolgerin?

Die Dreitagemordgesellschaft
0

Phyllida Bright, die Haushälterin von Agatha Christie, begibt sich in Colleen Cambridges Kriminalroman „Die Dreitagemordgesellschaft“ auf die Spuren von Hercule Poirot. Der 2022 erschienene Krimi schickt ...

Phyllida Bright, die Haushälterin von Agatha Christie, begibt sich in Colleen Cambridges Kriminalroman „Die Dreitagemordgesellschaft“ auf die Spuren von Hercule Poirot. Der 2022 erschienene Krimi schickt seine Ermittlerin (und seine Leser) mit viel eleganter Raffinesse auf die Suche nach einem Mörder.

Die Autorin Agatha Christie beherbergt für drei Tage zahlreiche Gäste in ihrem Anwesen in Devonshire. Die eigentliche Hauptfigur der Geschichte ist Phyllida Bright, ihre Haushälterin und gute Seele des Hauses, die in der Bibliothek eine Leiche entdeckt. Während es im ersten Teil eher um die Reaktionen der Angestellten und Phyllidas Bemühen geht, unnötiges Aufsehen zu vermeiden und festzustellen, dass die örtliche Polizei zu wenig in der Lage ist, stehen im zweiten Teil die eingeladenen Gäste und ihre mehr oder weniger offenen Geheimnisse im Vordergrund. Auf eine sehr offenherzige Art und Weise folgt Phyllida ihrem großen Vorbild Hercule Poirot und setzt Puzzleteil an Puzzleteil, um den Mörder zu überführen.

Colleen Cambridge (ein Synonym) erzählt die Geschichte recht elegant, aber auch gediegen. Es entwickelt sich zwar eine interessante Geschichte, die aber auf der Spannungsskala keine großen Ausschläge verursacht. Liebhaber des Buches werden die nostalgische Erzählweise mögen, die tatsächlich an die klassische Kriminalliteratur von Agatha Christie erinnert, allerdings ohne ihren Dialogwitz. Kritiker des Buches empfinden vermutlich weniger Nostalgie und würden die Erzählweise altmodisch nennen.

Mich hat der erste Teil des Buches, in der es viel um die Arbeit und die Aufregung unter den Angestellten geht, stärker fasziniert und ein wenig an den Robert Altman Film „Gosford Park“ (oder auch die Serie „Downton Abbey“) erinnert. Die Einsichten in diese ganz andere Welt der Verpflichtungen und Notwendigkeiten hat mir deutlich mehr Freude bereitet als die Ränkespiele der elitären Gäste, die im zweiten Teil stärker im Zentrum stehen.

Ohne hier näher ins Detail zu gehen, werden für meinen Geschmack etwas zu viele Geschlechterklischees bedient. Darüber hinaus gibt es durchaus zahlreiche skurrile Charaktere (für damalige Verhältnisse wohlgemerkt), was man aber vergeblich sucht ist eine humoristische Erzählweise – bzw. ist sie sehr subtil, was natürlich die Absicht der Autorin ist und für den Krimi auch passend erscheint. Kurz gesagt: Für meinen Geschmack fehlte so das gewisse Etwas an Spannung oder feinsinnigem Humor, damit ich mich wirklich auf einen zweiten Teil freuen würde.

Gergana Muskalla, als Sprecherin des Hörbuchs, hat eine durchaus angenehme Stimme, allerdings schaffte auch sie es nicht, mich komplett in die Geschichte zu ziehen (so im Sinne, dass man alles um sich herum vergisst und nicht mehr abschalten möchte).

Besonders erwähnen möchte ich die auffallend elegante und stilsichere Covergestaltung.

Insgesamt ist Colleen Cambridges Krimi eine klassische Detektivgeschichte mit einer sympathischen Ermittlerin, einem kniffligen Mordfall und zahlreichen Verdächtigen. Ganz in der Tradition alter Christie-Romane wird der Fall in einem Vortrag vor allen Beteiligten aufgelöst und für den Leser erläutert. Allerdings mangelt es der Story und der Charakterzeichnung ein wenig an Höhepunkten.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 17.10.2023

Mehr als nur ein Krimi

Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert
0

Joel Dickers Roman "Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert" aus dem Jahr 2013 ist ein spannender Kriminalroman, der auf sehr geschickte Art und Weise mittels verschiedener Zeitebenen und Handlungsstränge ...

Joel Dickers Roman "Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert" aus dem Jahr 2013 ist ein spannender Kriminalroman, der auf sehr geschickte Art und Weise mittels verschiedener Zeitebenen und Handlungsstränge die Geschichte eines Mordfalls und einer Liebesaffäre erzählt.

Der junge Autor Marcus Goldman, gleichzeitig der Erzähler der Geschichte, kehrt in die Kleinstadt Aurora in New Hampshire zurück, um seinen Mentor und Freund, den angesehenen Schriftsteller Harry Quebert, zu besuchen. Goldman hat mit einer Schreibblockade zu kämpfen und ist auf der Suche nach einer Story für seinen zweiten Roman, nachdem der erste ihm zu großer Bekanntheit verholfen hat.

Doch schnell werden beide in einen mysteriösen Mordfall verwickelt, als die Leiche eines vor 33 Jahren vermissten Mädchens auf dem Grundstück von Harry Quebert gefunden wird und er in Verdacht gerät. Im Roman geht es darum, in welcher Beziehung Quebert zu dem ermordeten Teenager stand und inwieweit er für ihren Tot verantwortlich ist.

Joel Dickers Erzählweise ist faszinierend, da er andauernd zwischen verschiedenen Zeitebenen und Perspektiven wechselt. Das verleiht der Handlung sowohl Tiefe als auch Spannung, da wir als Leser erst nach und nach die Hintergründe des Mordes als auch die Geheimnisse der Charaktere entdecken.

Besonders interessant, ist die Charakterzeichnung und die komplexe Beziehung der beiden männlichen Hauptfiguren Marcus und Harry. Harry Quebert wird vom Mentor zum Verdächtigen und Marcus Goldman vom Schüler zum Ermittler. Dagegen werden die weiblichen Figuren weitaus weniger charakteristisch gezeichnet und bleiben dadurch etwas oberflächlicher. Man könnte sogar den Eindruck bekommen, dass der Autor des Buches ein Problem mit Müttern hat, denn diese werden durchgehend als wenig liebenswert beschrieben und manchmal fast ein bisschen ins Lächerliche gezogen (z.B. bei den Telefongesprächen zwischen Marcus und seiner besorgten Mutter).

Als Kriminalroman funktioniert die Geschichte großartig – ganz in der Tradition einer True-Crime-Story, auch wenn es um eine fiktive Handlung geht. In seiner Detailfreude erinnert der Roman ein wenig an Joe McGinniss „Die Unschuld des Mörders“, der allerdings tatsächlich auf wahren Begebenheiten beruhte.

Torben Kessler, der als Sprecher das Hörbuch eingelesen hat, hatte für mich die perfekte Stimme, um die Atmosphäre des Buches und vor allem der unterschiedlichen Charaktere einzufangen.

„Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert“ wurde 2018 mit Patrick Dempsey in der Hauptrolle als Serie verfilmt und in Deutschland über RTL+ ausgestrahlt. Leider habe ich diese Serie damals verpasst (da ich erst das Buch lesen wollte) und derzeit (Stand Oktober 2023) ist die Serie weder über eine Streaming-Plattform bzw. TV-Sender abrufbar oder über DVD bzw. Blu-ray zu erwerben.

Insgesamt ist Joel Dickers "Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert" ein intelligenter, spannender und gut geschriebener Roman, der sowohl Fans von Krimis, als auch Liebhaber anspruchsvoller Literatur ansprechen wird. Der Autor hat mit „Die Geschichte der Baltimores“ (2017) und „Die Affäre Alaska Sanders“ (2023) zwei weitere Romane mit Marcus Goldman in der Hauptrolle geschrieben.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere