Kein gewöhnlicher Krimi
Sommer bei Nacht, Jan Costin Wagner
2020, Galiani Verlag
Ein 5-jähriger Junge verschwindet spurlos von einem Flohmarkt an einer Schule. Niemand hat wirklich etwas bemerkt, lediglich Kameraaufnahmen zeigen ...
Sommer bei Nacht, Jan Costin Wagner
2020, Galiani Verlag
Ein 5-jähriger Junge verschwindet spurlos von einem Flohmarkt an einer Schule. Niemand hat wirklich etwas bemerkt, lediglich Kameraaufnahmen zeigen den Jungen in Begleitung eines Mannes.
Die beiden Ermittler, Ben Neve und Christian Sandner, erkennen allerdings bald einen Zusammenhang zu einem anderen Vermisstenfall.
Die Geschichte wird immer wieder im Wechsel zwischen den verschiedenen Personen geschildert, auch der Entführer kommt zu Wort, so dass schon sehr bald klar ist, dass es um Kindesmissbrauch geht
Die Sätze sind zunächst sehr kurz gehalten.
„Sie laufen. Er spricht. Er erklärt dem Jungen, warum sie laufen. Die grauen Wände der Häuser sind jetzt auf der anderen Seite, spiegelverkehrt. Alles ist anders, alles ist neu.“
Alle Personen in diesem Roman tragen eine schwere Last mit sich herum, jede von ihnen hat eine Geschichte, die sie nur im Inneren mit sich ausmachen.
Bereits im ersten Kapitel erfahren wir, welch düsteres Geheimnis Ben Neve mit sich herumträgt. Er ist ebenfalls pädophil veranlagt. Doch noch hat er die rote Linie nicht übertreten.
Kindesmissbrauch ist ein schweres, düsteres Thema.
Jan Costin Wagner wählt die Worte jedoch sehr mit Bedacht, nie wird man brutal mit den Ereignissen konfrontiert, niemals überschreitet er eine Grenze.
Wer einen gewöhnlichen Krimi erwartet, ist ob der Schreibweise des Autor vielleicht enttäuscht. Jan Costin Wagner wird auf dem Cover als Poet unter den Krimiautoren beschrieben - und so liest sich auch der Roman.
Ich musste mich an diesen Schreibstil zunächst gewöhnen, war mir nicht sicher, ob ich diese Schreibweise mag.
Dann hat mich die Geschichte gefangengenommen, vielleicht auch gerade wegen des besonderen Schreibstils.
Die Charaktere sind schlüssig dargestellt, man bekommt einen guten Einblick in ihre inneren Kämpfe.
Diese Kämpfe sind im Buch ebenso wichtig wie der eigentliche Fall, den es zu lösen gilt und bei dessen Ermittlung der Leser immer im Vorsprung ist.
„Sommer bei Nacht“ ist mein erstes Buch dieses Autors, aufmerksam geworden bin ich durch die Empfehlung des dritten Teils („Einer von den Guten“) durch Elke Heidenreich.
Ich empfehle, unbedingt alle drei Teile in der richtigen Reihenfolge zu lesen, da die Bücher sehr aufeinander aufbauen.
Generell ist „Sommer bei Nacht“ sicherlich empfehlenswert für Krimileser, die auch gute Literatur mögen.
Wer blutige, spannende Thriller bevorzugt, kommt wahrscheinlich nicht auf seine Kosten.