Ise Frank und das Bauhaus
100 Jahre Bauhaus – es ist schwer, 2019 an diesem Jubiläum vorbeizukommen, zahlreiche Artikel und Publikationen sind veröffentlicht...
Aber mich interessierte auch die Geschichte HINTER dem Bauhaus, da ...
100 Jahre Bauhaus – es ist schwer, 2019 an diesem Jubiläum vorbeizukommen, zahlreiche Artikel und Publikationen sind veröffentlicht...
Aber mich interessierte auch die Geschichte HINTER dem Bauhaus, da fiel mir durch Zufall dieses Buch über Ise Frank in die Hand... Die Autorin Jana Revedin ist selbst Architektin, hat sich auf die Reformarchitektur der Moderne spezialisiert und arbeitet als Professorin in Paris und Lyon.
„Jeder hier nennt mich Frau Bauhaus“ ist ein biografischer Roman, „deshalb können alle Gespräche und Begegnungen (…) so, aber auch anders verlaufen sein.“ (Vorwort, S.10) Die Autorin fragte sich, wer diese Frau war, dies es wagte, das erste „Haus der emanzipierten Frau“ umzusetzen? Auch ich fand diese Frage spannend...
Ise Frank war die Ehefrau von Walter Gropius, eigentlich war sie Buchhändlerin und Rezensentin, sagte aber später: „Die Bauhaus-Idee wurde zu meinem zweiten Ich.“ (Cover, hinten)
Das Buch beginnt mit dem 28.5.1923, dem Tag, an dem Ise Walter Gropius (den sie immer nur Gropius nennt, genau wie dessen Mutter, Manon Gropius) kennenlernt. Zwischendurch erfahren wir in kurzen Rückblenden einiges über Ises Vorgeschichte.
Ises beste Freundin ist Gussie, die Ehefrau von Konrad Adenauer, der damals schon Oberbürgermeister von Köln war – so ist es nicht verwunderlich, dass das Bauhaus nach Weimar FAST nach Köln gezogen wäre, Ise hatte dort schon alle Wege geebnet. Aber Kandinsky, Schlemmer, Feininger und Gropius selbst bevorzugten eine Stadt in der Nähe von Berlin – so fiel die Entscheidung für Dessau...
Neben der Geschichte des Bauhauses, seinen Problemen, den Erfolgen und Misserfolgen, den Ideen, den Visionen erfahren wir Leser einiges über die Beziehung zwischen Ise und Gropius (ganz vorsichtig ausgedrückt: nicht unkompliziert!). Aber wir lernen Ise Frank auch als couragierte und visionäre Frau kennen, die das schon erwähnte „Haus der emanzipierten Frau“ mit der von Bruno Taut entworfenen Inneneinrichtung nach der aus Amerika importierten Ergonomie-Lehre umsetzt .Mich haben die diversen „elektrisch betriebenen Service-Maschinen, der Eier-, Kaffee- und Teekocher, der Tellerwärmer, der Heißluftspüler, der Toaster, der Tischgrill“ (S. 253) besonders fasziniert. Auch ausklappbare Schreibtische, Teleskoplampen, vollautomatische Spülmaschinen gehörten zur Ausstattung. „Kurz, Ise hatte in ihrem Meisterhaus, wie die Zeitungen titelten, das 'Haushaltslabor der modernen Frau' erschaffen.“ (S.255)
Aber der Nationalsozialismus wirft bereits Schatten, das Bauhaus wird immer häufiger als „Judenbande“ denunziert, erste Gedanken an Auswanderung tauchen auf - und Gropius trifft eine falsche Personalentscheidung...
Mit Erreichen der absoluten Mehrheit im Dessauer Stadtsenat wurde das Bauhaus aufgelöst und Mies van der Rohe musste gemeinsam mit den Studenten nach Berlin fliehen. Ise und Gropius setzen sich 1934 zuerst nach England, 1937 in die USA ab.
Jana Revedin schreibt in einem etwas reservierten und kühlen Stil, an manchen Stellen hätte ich mir mehr Emotionen gewünscht – aber vielleicht hat sie diesen Stil auch bewusst zu der wohl teils temperamentvollen und leidenschaftlichen Umgehensweise am Bauhaus gewählt? Man benötigt schon etwas Konzentration für dieses Buch, aber meine Erwartungen wurden erfüllt und ich habe viel Neues erfahren. Allen, die sich für das Leben am, um und im Bauhaus interessieren, kann ich es nur empfehlen und eine klare Leseempfehlung für diesen biografischen Roman aussprechen!