"Stolz und Vorurteil" ist wohl eins der Bücher, das ich mir schon lange vorgenommen hatte zu lesen, es aber noch nie gemacht habe, unter anderem deswegen, weil ich mir nicht sicher war, welche Ausgabe - sprich: welche Übersetzung - die beste ist. Die Story an sich ist wohl fast jedem zumindest in Ansätzen bekannt, ich zum Beispiel kannte vorher die Verfilmung und wollte nun wissen, wie der Roman dazu ist.
Und ich bin wirklich begeistert von dem Buch! Mir fällt gerade wirklich nichts ein, was mir nicht gefallen hätte, wenn, sind das nur klitzekleine Punkte. Na ja, dann fange ich mal an...
Die Handlung scheint zwar auf den ersten Blick nicht sooo spannend zu sein, aber die Art, wie sie erzählt wird, macht sie einzigartig. Denn ja, es geht im Grunde darum, dass die Bennett-Schwestern auf der Suche nach geeigneten Ehemännern sind. Aber dabei werden so viele Vorurteile gebildet, dass es sich als gar nicht so einfach herausstellt. Heutzutage schäumen Liebesromane nur so über vor dramatischen Ereignissen und man könnte denken, hier ist es nicht viel anders, aber ich finde, dass sich das Drama in Stolz und Vorurteil" zurückhält. Klar, ein paarmal passiert dann doch etwas mehr dramatisches, aber das Buch kommt ohne viel Trara aus, bleibt aber trotzdem interessant und spannend. Und das Happy End war meiner Meinung nach nicht so übertrieben wie eben in den Romanen heutzutage, sondern schön zu lesen.
Die Charaktere sind alle wirklich toll beschrieben. Elizabeth als Protagonistin passt sehr gut, sie wirkt um einiges intelligenter als ihre Schwestern, beobachtet viel und ist schön ironisch. Außerdem ist sie nicht perfekt, sie selbst gesteht in der Geschichte ihre Fehler ein. Ihre ältere Schwester Jane ist auch in Ordnung, sie ist sehr gutgläubig und nett und es kommt einem so vor, als könne sie keiner Fliege etwas zuleide tun. Dass sie so uneingeschränkt gut ist, hat mich zwar stellenweise ein bisschen genervt, aber trotzdem ist sie eine tolle Figur in "Stolz und Vorurteil". Die anderen Bennett-Schwestern - Mary, Kitty und Lydia - waren mir zwar nicht annähernd so sympathisch, aber trotzdem gut beschrieben. Über Mary mit ihrer pseudo-gebildeten Art konnte ich mich nur amüsieren und Kitty und Lydia... sind Kitty und Lydia und oft herrlich dämlich^^
Die Eltern sind auch wieder so gegensätzlich: Einmal ist da Mrs. Bennett, die genauso einfältig ist wie ihre beiden jüngsten Töchter, und dann noch Mr. Bennett, der sich über das Treiben und die Dummheit seiner Frau und seiner Töchter und auch einiger anderer Charaktere köstlich amüsiert. Die Familie Bennett ist an sich also schonmal interessant und sorgt für jede Menge Lacher beim Lesen. Ich glaube, ich hab mich in einem Buch noch nie so fremdgeschämt wie für Mrs. Bennett und Lydia^^
Es gibt aber natürlich noch Personen außerhalb der Familie. Mr. Darcy zum Beispiel, einer der wichtigsten Personen im Roman, war mir auch unglaublich sympathisch. Ich kann natürlich nicht sagen, ob das genauso gewesen wäre, wenn ich nicht schon vorher den Film gesehen hätte, aber ich glaube schon, denn ich hab eine Vorliebe für nicht perfekte Charaktere und Darcy ist eindeutig einer von ihnen. Er ist vor allem am Anfang viel zu arrogant und manchmal sogar verächtlich, um perfekt zu sein, aber man merkt auch da schon, dass er noch eine andere Seite hat. Mit seinem Freund Mr. Bingley erging es mir wie mit Jane, denn er war mir manchmal schon zu nett und verständnisvoll... Die Charaktere sind auf jeden Fall alle total interessant und sehr gut beschrieben, ich konnte sie mir alle gut vorstellen. Manche sind zwar ein wenig überspitzt dargestellt (hust Mr. Collins hust), aber genau das hat mich auch ein ums andere Mal zum Lachen gebracht. Das Einzige, was ich an den Charakteren auszusetzen habe, ist, dass es so unglaublich viele gibt und es manchmal ein bisschen verwirrend war, wer nochmal wer ist, vor allem bei denen, die nur selten vorkommen...
So, zu guter Letzt noch zum Schreibstil. Ich glaube, ich habe selten so einen interessanten Schreibstil vor mir gehabt. Ich muss zugeben, ich habe kurz gebraucht, um mich da reinzulesen, aber das waren wirklich nur die ersten Seiten, danach war ich schon total begeistert. Jane Austen hält sich nicht lange mit Beschreibungen der Umgebung oder der Personen auf, sondern beschreibt viel lieber die Gefühle und Gedanken der Personen und wie alles miteinander zusammenhängt. Ich weiß auch nicht warum, aber irgendwie hatte ich das erwartet, also dass die Landschaftsbeschreibungen ausgedehnter sind. Wahrscheinlich ein Vorurteil gegenüber Klassikern bei mir…
Was ich richtig gut fand, war, dass ich mich sofort wie Ende des 18., Anfang des 19. Jahrhunderts gefühlt habe! Wie die Personen miteinander reden, die Lebensumstände, die Gesellschaft... das alles wird zwar nicht super genau beschrieben, aber es kommt einfach perfekt rüber und zwar ohne übermäßig altertümlich zu klingen. Das ist wahrscheinlich der Übersetzung zuzuschreiben, die "Stolz und Vorurteil" hier in einer etwas moderneren Art übersetzt hat, was ich nur gut finde, denn so lässt es sich schöner lesen und es verliert ja trotzdem nichts von seinem Flair. Ganz im Gegenteil, ich muss in letzter Zeit wirklich aufpassen, dass ich nicht anfange zu reden oder zu schreiben wie damals^^ (Wenn ich also klinge wie aus einem "Jane Austen"-Roman, liegt das daran, dass ich gerade einen gelesen habe)
Die Dialoge fand ich auch alle sehr interessant und gut geschrieben und vor allem merkt man hier viel von Jane Austens Humor. Eigentlich wie im gesamten Schreibstil von ihr. Öfters mal kommentiert sie etwas mit dem ihr eigenem Humor und macht den Roman somit zu etwas Besonderem.
Für jeden, der mal einen Klassiker lesen möchte, kann ich „Stolz und Vorurteil“ also nur empfehlen :)