Starkes Buch über starke Frauen!
Chilbury, Kent in England, 1940: Fast alle Männer im Dorf wurden für den Zweiten Weltkrieg eingezogen. Die Frauen übernehmen mehr und mehr die anfallenden Arbeiten auf Höfen und in Läden oder arbeiten ...
Chilbury, Kent in England, 1940: Fast alle Männer im Dorf wurden für den Zweiten Weltkrieg eingezogen. Die Frauen übernehmen mehr und mehr die anfallenden Arbeiten auf Höfen und in Läden oder arbeiten als Krankenschwestern oder beim Nachrichtendienst. Da wird – zum Schrecken der weiblichen Bevölkerung – der Chor von Chilbury wegen Männermangel aufgelöst. Die Damen sind entsetzt, haben dem aber nichts entgegen zu setzen. Eines Tages zieht Primrose Trent, Musikprofessorin aus London, ins Dorf und mischt dieses kräftig auf. Sie gründet einen reinen Damenchor und meldet diesen sogar entgegen aller Widerstände bei einem Gesangswettbewerb an. Doch der Krieg ist in vollem Gange und macht auch vor dem kleinen Dorf nicht Halt…
Bezauberndes Buch über die Hoffnung in schweren Zeiten, über das Über-sich-Hinauswachsen in Krisenzeiten, aber auch über Selbstfindung, Läuterung und nicht zuletzt die Liebe. Eigentlich sind es mehrere Geschichten, die in Form von Bekanntmachungen, Tagebüchern, Briefen und Schlagzeilen in Zeitungen erzählt werden. Über einen Zeitraum von März bis Anfang September 1940 wird von großen und kleinen Kümmernissen, von Intrigen, kriminellen Machenschaften, aber auch von Träumen, Hoffnungen und Wünschen berichtet. Durch die gewählte Erzählform hat man das Gefühl, dies alles geschieht wirklich und man selber ist mittendrin, man wird Teil der Dorfgemeinschaft und erlebt hautnah alle Geschehnisse mit. Die Autorin hat einen wunderbaren Schreibstil, locker, aber doch stilvoll, jeder Brief, jeder Tagebucheintrag, jede Notiz erhält eine eigene Note, und trotz der damit verbundenen häufigen Perspektivwechsel und kurzen „Kapitel“ liest sich das Ganze ungeheuer flüssig. Es ist an sich ein Buch der leisen Töne. Sicherlich sind die großen Erlebnisse und Ereignisse einschneidend und haben weitreichende Konsequenzen, doch es sind die kleinen Dinge, die Mut machen und amüsieren, an Hand derer die Protagonisten ihre Entscheidungen fällen und die den Leser oftmals überraschen.
Jeder Charakter ist vielschichtig und man erfährt einiges über das Selbstbild von einzelnen Menschen, das oft in einigem Gegensatz zu dem Bild steht, das andere von demjenigen haben. Das machte für mich einer der größten Reize aus, es wird ein Ereignis oder ein Person aus verschiedenen Blickwinkeln beschrieben, doch es wiederholt sich niemals und wird niemals langweilig, im Gegenteil. Es ist interessant zu lesen, wie Ereignisse wahrgenommen werden, sie bekommen aus jeder Perspektive heraus eine eigene Dynamik. Das Ganze lebt zudem von den starken Charakteren und der Entwicklung von einzelnen Figuren. Einerseits ist da eine durchaus in sich geschlossene Dorfwelt mit teilweise skurrilen Menschen, mit ihren Befindlichkeiten, Feindseligkeiten und Geheimnistuereien. Sie versuchen lange, ihre gewohnten Abläufe und Strukturen beizubehalten. Andererseits ist da die Außenwelt und diese dringt immer mehr in das Dorf ein und verändert es. Durch den Krieg sind die Frauen gezwungen selbst die Initiative zu ergreifen, doch sie müssen sich auch erst einmal dazu durchringen, die Entscheidungsgewalt lag bislang bei den Männern. So verändert sich die Gesellschaft, die Frauen werden selbständiger und selbstbewusster, und die Persönlichkeit manch einer gewinnt an Substanz und Eigenständigkeit, manch eine beweist ungeahnte Führungsqualitäten, manch eine zeigt ihr wahres Gesicht oder verstellt sich nicht mehr. Es ist ein Frauenroman, Männer spielen dabei zwar auch eine Rolle, aber bleiben doch zumeist im Hintergrund, da sie im Krieg sind, haben eine Nebenrolle oder werden in ihre Schranken verwiesen.
Fazit: Ein wunderbarer Roman und gleichzeitig ein Zeitzeugnis davon, wie Frauen an der Heimatfront ihr Leben meisterten, ihren Mann standen und über sich hinauswuchsen. Ein Buch, das zeigt, was Menschen leisten, wie sie sich und die Gesellschaft verändern können. Es sind die stillen Helden, die die Welt verändern. Wundervoll geschrieben in einem außergewöhnlichen Stil, der fesselt, und eine Autorin, die es versteht, ein schwieriges und trauriges Kapitel der Geschichte hoffnungs- und humorvoll und ihre Charaktere liebevoll zu behandeln. Eine, die man sich merken sollte und von der es hoffentlich bald mehr zu lesen gibt!