Wunderbare Grundidee, die sich jedoch zwischen den Seiten verliert
Ich wünschte mir, mein Leben wäre weniger wie ein Konzert und mehr wie ein Buch. Ich wünschte mir, ich könnte einfach ein paar Seiten zurückblättern, vielleicht sogar mehrere Kapitel, und nachsehen, wie ...
Ich wünschte mir, mein Leben wäre weniger wie ein Konzert und mehr wie ein Buch. Ich wünschte mir, ich könnte einfach ein paar Seiten zurückblättern, vielleicht sogar mehrere Kapitel, und nachsehen, wie das alles passiert war. Es fehlten nur ein paar entscheidende Hinweise. Ich hatte geschlafen und nun raste alles zu schnell an mir vorbei.
Inhalt:
Das Leben der jungen, 17-jährigen Carmen ist geprägt durch Musik und Melodie. Denn sie ist eine der angehensten, besten Violistinnen der Welt. Tag und Nacht übt sie und arbeitet auf eine große Karriere hin und auf ihre Chance, in der Musikgeschichte unvergessen zu werden. Diese Chance ergibt sich für Carmen, durch den Guarneri- Wettbewerb. Schon sieht Carmen den Sieg vor Augen und all ihre Träume in Erfüllung gehen - soviel hat sie geopfert, soviel hat sie gekämpft und nun ist sie ihrem Ziel so Nahe. Doch dann lernt sie ihren wohl stärksten Mitstreiter kennen: Jeremy King. Schon als sie seine ersten Klänge in sich aufnimmt ist ihr klar: dieser Junge könnte ihren Traum leben, denn er ist ihr stärkste Konkurrent. Doch so sehr sich Carmen auch bemüht, ihre Gefühle schweben immer zwischen Hass und Liebe. Denn ausgerechnet Jeremy ist es, der Gefühle in Carmen weckt, die sie früher nur aus Filmen kannte. Aufeinmal gibt es noch etwas Anderes in ihrem Leben, ein anderes Gefühl und eine andere Sehnsucht.
Es beginnt eine Geschichte zwischen Traum und Realität, zwischen Liebe und Hass, zwischen Angst und Mut - es beginnt die Geschichte eines Mädchens, dass ihren Weg gehen will. Doch wieviel ist sie bereit, dafür zu geben?
Schreibstil:
Jessica Martinez schreibt seicht, leicht und teilweise ein Stückchen poetisch. Ihre Geschichte lebt durch ihre Bildhaftigkeit, denn dadurch erwachen die leichten Klänge in ihrer Geschichte, vor den Augen des Lesers zum Leben. Alles zusammen erleichtert es dem Leser, die Buchstaben an sich vorbeifliegen zu lassen und sich voll und ganz auf Carmens Geschichte zu konzentrieren. Die knappen 250 Seiten sind schnell gelesen und oft vergisst man Wort wörtlich "Zeit um Raum" um sich herum, weil man sich ganz in Klang und Melodie verlieren kann, ohne je einen wirklichen Ton gehört zu haben. Besonders der Schreibstil der Autorin hat dieses Buch für mich zu etwas Besonderem gemacht und ich denke, dass Jessica Martinez an dieser Stelle noch mehr Potential hat, dass hoffentlich in folgenden Büchern noch mehr zu Geltung kommen wird.
Idee/Umsetzung:
Zunächst hat mich die Grundidee, hinter den Seiten, ein Wenig an die Geschichten von Gayle Forman erinnert. Doch diese, angenommene Ähnlichkeit der Werke und Autorinnen, verliert sich relativ schnell wieder. Beim Lesen wird klar, dass beide Autorinnen ganz andere Ziele und Grundstimmungen in ihren Büchern, beim Leser, erzielen wollen. So steht bei Jessica Martinez einiges im Zentrum der Grundhandlung. Meiner Meinung nach "zu viel". Es wird von der Liebe zur Musik erzählt, die jedoch dominiert wird, durch eine Mutter, die ihrer Tochter alles abverlangt, weil sie ihren eigenen Traum nicht leben konnte. Des weiteren spielen Tablettensucht, das Verlangen Gefühle zu betäuben und der geheime, innere Wunsch, nach einem normalen Teenagerleben, eine große Rolle. Doch damit ist es noch nicht getan. Zusätzlich wird die Protagonistin belastet, durch ein zerrüttetes Familiengefüge, denn ihre Familie väterlicher Seits, interessiert sich erst für sie, als sie eine große Karriere anstrebt. Nebenbei fließt natürlich auch noch die Liebesgeschichte in ihr Leben mit ein und bildet damit ein weiteres großes Problem, aber auch eine Sehnsucht in der Hauptfigur, die einen Teil der Gesamtgeschichte einnimmt. Ich bin der Ansicht, dass es an dieser Stelle durchaus gereicht hätte, sich auf vielleicht zwei zentrale Themen zu beschränken. Aber anscheinend wollte die Autorin direkt das gesamte Programm. Dies führt unweigerlich dazu, dass einige Geschichten und Probleme während dem Lesen auf der Strecke und flache, oberflächliche Ideen im Hintergrund bleiben. Das Buch und die Protagonistin müssten eigentlich wörtlich, "aus allen Nähten platzen". Soviel gibt es zu verarbeiten, soviel zu begreifen, doch auf ein Thema wirklich eingehen und konzentriren, schafft die Autorin hier leider nicht. Schade deshalb, weil die Liebesgeschichte wie auch alle anderen Komponenten, dadurch sehr viel Potential einbüßen müssen. So erfährt man zum beispiel wenig über die wahre Geschichte von Carmens Mutter, oder warum ihre Großeltern, wie auch ihr Vater kein Interesse an Carmen haben. Einzig oberflächliche Gründe werden hier in den Raum geschmissen, dabei merkt der Leser jedoch, dass es noch etwas Größeres gibt, dass beide Punkte miteinander verbindet, was die Autorin jedoch hier, wie ein Geheimnis zurückhält. Generell hat man während des ganzen Buches das Gefühlt, dass irgendetwas fehlt, irgendetwas nicht preis gegeben wird und vor dem Leser, sicher versteckt bleibt. Am Ende bleiben mir mehrere Fragen: Was ist damals wirklich zwischen Carmens Mutter und ihrem Vater passiert, warum ist kein Funke Liebe in ihren Großeltern und ihrem Vater etc.?
Hier muss ich also leider sagen, dass der Autorin zwar eine Menge gute Ideen gekommen sind, die das Leben einer Musikerin prägen und belasten können, es aber am Ende einfach zu viel war. Die Geschichte erlangt dadurch zuviele Ebenen, die der Leser während des Lesens gar nicht alle durchdringen kann.
Charaktere:
Bei den Charakteren ist es ähnlich, wie bei der Idee des Buches. Denn genauso, wie es viele Handlungsstränge und Probleme gibt, spielen auch Figuren eine Rolle. Man muss es sich ungefähr so vorstellen, dass es für jedes Problem, auch eine oder gar mehr Figuren gibt. Wirklich ausgeführt und erklärt, werden jedoch nur wenige. Den einzigen Charakter, den man wirklich zu verstehen lernt ist Carmen, denn die Geschichte wird schließlich aus ihrer Sicht beschrieben. Ansonsten bleiben die Meisten Figuren kleine Rollen, am Rande der Erzählung. Am Meisten erfährt man noch etwas über Jeremy King und Carmens Mutter, doch auch bei ihnen hatte ich am Ende das Gefühl, dass noch einige Informationen über Beide, im leeren Raum zurückgeblieben sind.
Die Protagonistin, wird in der Geschichte der Autorin sehr klar beschrieben. Dadurch erlangt sie als Einzige wirkliche Tiefe und Struktur. Man fühlt mit ihr zusammen die Zerissenheit. Gespalten zwischen Erfolgt und Sehnsucht - nach normalen Teenagererfahrungen, zwischen der ersten Liebe - die zugleich ihr stärkster Konkurrent ist, wie auch der Angst zu versagen. Carmens Leben ist geprägt durch den Zwiespalt und dadurch, keine Wahl zu haben. Sie lebt das Leben, dass sie von klein auf lebt. Dabei vergisst sie immer mehr, dass es schon lange nicht mehr ihr Traum ist. Der Traum wurde zur Besessenheit, der Bessenheit ihrer Mutter, die ihren eigenen Traum nie Leben konnte. Für diese "Bessenheit" musste Carmen alles geben, vorallem ihre Normalität. Wo andere Kinder zur Highschool gehen, erste Erfahrungen machen, Freunde sammeln, sich zum ersten Mal wirklich verlieben, muss Carmen üben, lernen und sich auf den großen Wettbewerb vorbereiten. Als sie schließlich Jeremy kennenlernt, verkörpert er alles, was Carmen sich schon lange gewünscht hat, dessen sie sich aber nie bewusst war. Zum ersten Mal, will sie aus der Routine ausbrechen und ihren eigenen Weg gehen. Doch ihre Mutter kann einfach nicht loslassen und die Dinge nehmen ihren Lauf...
Ich fand es sehr spannend, Carmens Leben kennenzulernen und ihre Probleme zu teilen. Ich finde sie ist ein großer Pluspunkt dieses Buches, denn sie ist eine wirkliche Heldin, die für das kämpft, was ihr Herz ihr sagt und aus ihrem alten Leben ausbrechen will. Ich habe Carmen regelrecht bewundert, denn sie ist eine mutige, starke und ehrliche Figur, dessen Handlungen man immer akzeptieren und verstehen kann, was sie so, besonders authentisch macht.
Cover:
Das Cover finde ich wirklich wunderschön. Vorallem die Farben und genrell, der ganze Aufbau sind sehr harmonisch und spiegel, besonders für mich, die Stimmung des Buches wieder. Genau wie in der Geschichte, bleibt Carmen hinter der Violine zurück. Deshalb auch vom Bildinhalt her sehr passend.
Fazit:
Abschließend kann ich sagen, dass mir "Virtuosity" von Jessica Martinez gefallen hat. Leider kann ich aber nicht sagen, dass es mehr in mir bewegt hat. Zwar war die Grundidee, von der ersten Sekunde an, sehr ansprechend, doch gerade diese wunderbare Grundidee, verlor sich von Seite zu Seite mehr hinter Oberflächlichkeiten, die Carmens Geschichte gesamt sehr flach erscheinen lassen. Zwar schreibt die Autorin sanft, leicht und berührend und packt das Leserherz durch ihre gelungene, starke Protagonistin, doch mehr auch nicht. Das Ende der Geschichte, wie auch der Höhepunkt, waren für mich zu erwarten und demnach nicht überraschend. Die versprochene Liebesgeschichte, von der überall die Rede ist, blieb flach und unbedeutend und konnte in mir nicht zum ersehnten Funken führen. Ich sehe durchaus, dass die Autorin sehr viel Potential hat und werde sie auf jedenfall im Auge behalten, doch im Vergleich mit anderen Werken, reicht ihre Leistung hier leider nicht aus, um mein Leserherz für sich zu gewinnen. Zwar ist das Buch eine Empfehlung wert, denn die Protagonistin ist durchaus eine Buchfigur, die man entdecken und lieben lernen muss, doch mehr als ein netter Zeitvertreib war der Rest des Buches dann leider nicht für mich