Cover:
"Feuerprobe" und "Tränenpfad" ergeben zusammen ein eindrucksvolles Bild, welches Lilian und Lily zeigt. Auch wenn sie einander optisch gleichen, so finde ich, kann man am Blick der beiden genau erkennen, wer wer ist. Diese Ausarbeitung zeigt uns den essentiellen Punkt der Geschichte und steht mit dieser in Verbindung. Dennoch muss ich sagen, dass mir die erste Cover-Version besser gefallen hat auch wenn der Bezug der Geschichte auf diesem nicht ganz so ersichtlich ist.
Meinung:
Mit dem Sprung in eine andere Welt, hat Lily nicht nur Magie erlernt, sondern auch zu ihrem verborgenen Selbst gefunden, dass sie letztendlich auf den Scheiterhaufen gebracht hat. Nur knapp hat sie es mit Rowan geschafft, dem Flammenmeer zu entkommen und wieder in ihre eigene Welt zu springen. Mehr tot als lebendig versorgen Rowan und Lilys Schwester Juliet ihre Verbrennungen bis der Heilungsprozess abgeschlossen ist. In dieser Zeit der Genesung knüpfen Lilian und Lily ein stärkeres Band miteinander, indem sie in die Gedankenwelt ihres anderen Ich eintauchen. Das diese Bindung zueinander gerade dann tiefgründiger wird, als beide durch die parallel laufenden Welten getrennt sind, war interessant zu beobachten, denn das mentale Band der verschiedenen Persönlichkeiten wird durch die herrschende Distanz nicht abgeschwächt, sie gewinnt vielmehr an Intensität. Lilian versucht die Beweggründe ihres Handelns zu erklären und lässt uns mit Hilfe ihrer Gedanken an furchtbaren Erlebnissen vergangener Zeit teilhaben, die ihr Tun um einiges verständlicher erscheinen lassen. Dennoch bleibt immer die Frage nach dem Wahrheitsgehalt. Auch wenn Lilian zum Ende des ersten Bands gezeigt hat, dass sich Gut und Böse nicht immer so leicht klassifizieren lassen, ist ihr Austausch der außerhalb des Aufmerksamkeitsbereichs von Rowan und ihren Freunden stattfindet nicht ganz ungefährlich.
Ich habe dir noch nicht gezeigt, worin meine Schuld liegt. Wenn du wissen willst, was mich wirklich antreibt, muss du meine Schuldgefühle verstehen. Wenn du dich wieder beruhigt hast, zeige ich dir das Schlimmste von allem. Ich zeige dir das Geheimnis, das du und ich mit ins Grab nehmen müssen.
Sowohl Lily als auch Rowan hüten Geheimnisse voreinander, die die zarten Gefühle der jungen Liebe auf eine harte Probe stellen. Rowan bringt Lily durch sein Handeln in Gefahr, doch auch wenn der Hintergrund dieser eingeschlagenen Richtung noch nicht ganz ersichtlich ist, bin ich sicher, dass noch einiges mehr dahinter steckt, als bisher für uns ersichtlich. Die Verbindung von Lily und Rowan war schon von Anfang an nicht ganz leicht, sie aus einer anderen Welt, die Lilians optisches Ebenbild ist und er, der einiges durchgemacht hat und mit Lilian eine ganz eigene Geschichte verbindet. Das hüten ihrer Geheimnisse trägt deshalb nicht gerade dazu bei, dass sich ihre Verbindung ungehemmt entwickeln kann und trotzdem kann man klar herauslesen, wie die beiden zueinander stehen.
Der Entwicklungsprozess der Charaktere hat einen großen Stellenwert in dieser Geschichte. Lily kennen wir als liebenswerten Teenager, der ihr Wohl für ihr nahestehende Menschen hinten anstellt. Ihr Dickkopf trägt dazu bei, dass sie niemals ihren Ehrgeiz verliert und sich voller Überzeugung auch für die Welt engagiert, die zu einer anderen Form eines zu Hause für sie geworden ist. Ebenso mutig steht Rowan an ihrer Seite, der mit Herzensgüte überzeugt, auch wenn ich manche seiner Entscheidungen – zumindest bisher – noch nicht richtig einordnen konnte. Ebenso verbohrt wie Lily, ergänzen die beiden sich nicht nur im Kampf um ihre Liebe, sondern ebenso im Kampf der Welten.
Ich werde mich immer um dich sorgen, Lily. Das ist mein Fluch. Wer weiß, vielleicht gehe ich ja heute Nacht drauf, bei dem Versuch dich zu beschützen. Ich sollte dich wohl besser gleich erwürgen, um mir den Stress zu ersparen.
Ein Punkt, der der Geschichte eine besondere Note verleiht, mir aber erst in vollem Ausmaß in diesem zweiten Band ersichtlich geworden ist, sind die Parallelwelten. Die Handlungsorte liegen hier ungefähr gleichgewichtig verteilt. Einerseits war es schön Charaktere die uns namentlich schon ein Begriff waren, näher kennen zu lernen, wie beispielsweise Tristan, der zuvor nur eine kleinere Rolle eingenommen hat. Auch die Sichtweise Rowans auf Lilys Welt, ohne die ständige Gefahr im Rücken war durchaus interessant. Für Lily war die magische Welt eine Reise zu dem Kern ihrer selbst, was sich allerdings stark herauskristallisiert ist, wie sehr die Menschen auf der anderen Seite auf sie und ihren Mut angewiesen sind, was den Kontrast der Nächstenliebe zwischen Lily und Lilian hervorhebt.
Neben den Protagonisten, lernen wir auch die Nebencharaktere besser kennen. Die Aussage von Liliys Mutter, dass ihre Schwester Juliet sie immer lieben wird, egal in welcher Welt sie sich auch befinden mag, hat die 17 jährige damals geerdet. Die Wesenszüge ihrer großen Schwester sind eindrucksvoll, denn ebenso wie Lily, ist auch sie selbstlos und setzt sich für andere ein. Tristan hat damals einige Minuspunkte bei mir gesammelt, einerseits wirkte er verständnisvoll und dann hat er eine Gefühllosigkeit gezeigt, die mich stark gewundert hat. Doch auch Charaktere wie Una, Breakfast und Carrick zeigen ungeahnte Seiten an sich, die den Individuen mehr tiefe verleihen, als ich vermutet habe.
Lily und ihre Freunde stellen einen eigenen Hexenzirkel auf die Beine, gerade als Lily sich von ihren Verletzungen erholt hat, werden wir von einem Abenteuer ins nächste gezogen. Was ist durch die parallel laufenden Welten alles möglich? Werden Rowan und Lily die zwischen ihnen herrschende Distanz überwinden um ihre Gefühle für einander weiter zu stärken? Wie weit sind sie bereit zu gehen um Menschen zu retten? Und wie weit würde ich mich selber aufgeben um denen, die mir am Herzen liegen eine Zukunft in ihrem Sinne zu ermöglichen?
Charaktere:
Lily ist mutig, wächst über sich hinaus, akzeptiert ihre magische Seite und verwendet diese dafür um Gutes zu tun. Ganz nach dem Motto: Aus großer Kraft, folgt große Verantwortung. Aufgeben ist für sie keine Option.
Lilian - ihr Handeln zu durchleuchten ist wesentlich schwieriger. Sie zeigt Seiten von sich, die ihr Handeln durchdachter erscheinen lassen und trotzdem bleibt eine gewisse Skepsis zurück. Mit der Reise in eine furchtbare Vergangenheit zeigt sie uns, warum sie zu der jungen Frau geworden ist, die sie überwiegend verkörpert.
Schreibstil:
Die erste Hälfte des Buches ist durch die Entwicklung der Charaktere geprägt, bei denen insbesondere den Nebencharakteren eine eindrucksvolle Tiefe verliehen wird. Obwohl mir die Vielfalt dieser Individuen sehr gut gefallen hat, so war der Spannungspegel doch sehr niedrig, weshalb sich dieser Teil des Buches ein wenig gezogen hat.
Josephine Angelini hat mit "Everflame - Feuerprobe" einen Grundstein gelegt, der hier in umfänglicher Ausarbeit Einzug findet. Nicht jedes Handeln, dass sich uns nicht gleich erschließt oder nachvollziehbar ist, kann man als schlecht bezeichnen. Ebenso zeigt sie uns neue Dimensionen die eine Einordnung in Gut und Böse nicht leicht gestalten und mich sehr beeindruckt hat. Lilian scheint eine Mischung aus beidem zu sein, deren Absichten nun besser nachvollziehbar sind und man als Leser dennoch eine gewisse Skepsis beibehält. Ein tolles, von der Autorin geschaffenes Bild, das ich eifrig aufgesogen habe.
Diese Geschichte ist facettenreich und sprachlich sehr gut verpackt. Bereits bekannte und neu hinzugekommene Charaktere begleiten uns auf dieser spannende Reise, die mich in der zweiten Hälfte wieder in den für die Autorin bekannten Bann gezogen und mich nicht mehr losgelassen hat.
Aus Sicht des allwissenden Erzählers wird das Geschehen betrachtet. Eine Perspektive die ich persönlich weniger mag, da mir in vielen Situationen immer die persönlichere Ebene fehlt. Man wart immer eine gewisse Distanz zu den Charakteren und hat nicht die gleiche Bindung zu ihnen, als wenn man in ihre Gedankenwelt eintauchen könnte.