Wie eine literarisch gelungene "Royals"-Sonderbeilage
Zum Frühstück eine Brühe aus Rindfleisch, Huhn, Reh und Rebhuhn – ohne einen einzigen Fetzen Fleisch, nur die klare Brühe! – und danach zwei Gläser Wein. Zum Diner, wenn es sich denn partout nicht vermeiden ...
Zum Frühstück eine Brühe aus Rindfleisch, Huhn, Reh und Rebhuhn – ohne einen einzigen Fetzen Fleisch, nur die klare Brühe! – und danach zwei Gläser Wein. Zum Diner, wenn es sich denn partout nicht vermeiden lässt, etwas kleine Blutiges, etwas knirschendes Grünes, nicht mehr, als auf zwei Gabeln passt. Wenn während der Coiffure auch nur ein einziges Haar zu viel ausgekämmt wird, setzt es Ohrfeigen. Für die Friseurmeisterin, verabreicht von Ihro Majestät höchstpersönlich. Ansonsten: reisen, Geld ausgeben, sich huldigen lassen und immer wieder jagen, jagen, jagen, je wilder, desto besser.
Nein, diese Sisi hat wahrlich nichts von der Zuckrigkeit eines Ernst-Marischka-Films und dem Liebreiz einer Romy Schneider. Stattdessen wird hier eine einzig um sich selbst kreisende, von ihrem Haar und ihrer Schönheit besessene Egomanin porträtiert, in deren Herz allenfalls ihre Lieblingstochter Valerie noch einen Platz findet. Oder …? Oder präsentiert Karen Duve einen rebellischen Freigeist, eine Libertine, die das lähmende Korsett des rigorosen spanischen Hofzeremoniells am Wiener Hof abwirft (wenngleich nicht jenes, das ihre Taille zu legendärer Schmalheit zusammenschnürt) und tut, was ihr beliebt? Eine Frau, die unbeirrt ihren Weg geht und sich nimmt, was sie will und was sie braucht?
Wie auch immer man diese Sisi nach der Lektüre betrachtet, es ist mit großer Sicherheit ein neuer Blick, den man auf dieses ätherisch anmutende Geschöpf von einer Monarchin gewinnt. Ich habe das Buch mit großem – und ein wenig schuldbewusstem – Genuss gelesen (auch wenn die zahlreichen und ausführlichen Jagdpassagen nach meinem Geschmack gerne hätten gekürzt werden dürfen): als läse man eine umfangreiche, ausführliche Sonderbeilage eines Boulevardmagazins –gleichwohl eine sprachlich elegante und penibel recherchierte. Ein literarisch überzeugendes und gleichzeitig unterhaltsames guilty pleasure.