Mitreißende Contemporary-Fantasy!
"Der Club der Rabenschwestern" ist ein brandneues Contemporary-Fantasy Buch, das aus einer Kollaboration der beiden Autorinnen Kass Morgan und Danielle Paige entstanden ist, von denen ich beiden noch nichts ...
"Der Club der Rabenschwestern" ist ein brandneues Contemporary-Fantasy Buch, das aus einer Kollaboration der beiden Autorinnen Kass Morgan und Danielle Paige entstanden ist, von denen ich beiden noch nichts gelesen habe. Entsprechend waren meine Erwartungen auch nicht besonders hoch und ich war trotz einiger kleinen Schwächen positiv überrascht, wie schnell ich von der magischen Atmosphäre gecatcht wurde.
Das Cover ist stark ans Original angelehnt und zeigt mehrere Raben mit dunkelviolett schimmerndem Gefieder vor einem schwarzen Hintergrund. Der Rabe im Zentrum hat seine Flügel weit ausgebreitet und hält einen goldenen Ring mit den Insignien der Schwesternschaft in seinen Klauen. Genau dasselbe Motiv ziert übrigens auch die 39 Kapitelanfänge. Düstere, magische Witchy-Vibes - das passt also perfekt. Weniger zufrieden bin ich mit der Übersetzung des Originaltitels "The Ravens", da es sich bei den Rabenschwestern nicht um ein Club handelt, sondern um einen Hexenzirkel, der sich als Schwesternschaft tarnt. Ich glaube das Wort "Club" kommt kein einziges Mal im Buch vor, weil es schlichtweg einfach nicht zum Kontext passt. Nur "Die Rabenschwestern" oder meinetwegen "Der Zirkel der Rabenschwestern" hätte mir deutlich besser gefallen.
Erster Satz: "Die Hexe betrachtete das blonde Mädchen, das mit angstgeweiteten Augen auf dem Boden kauerte."
Nach einem kurzen Prolog, in dem wir gleich in die Tiefen der schwarzen Magie eintauchen, lernen wir unsere erste Protagonistin, Vivian Deveraux, kennen, die sich nach einer Kindheit voller Umzüge und Neuanfänge in ihrer Collegezeit endlich mal fest niederlassen und Freundschaften knüpfen möchte. Als sie während der Einführungsveranstaltungen von der mysteriösen Schwesternschaft Kappa Rho Nu hört, ist ihr Interesse sofort geweckt - wer würde nicht gerne Teil der eleganten, sexy und mächtigen Kappas sein -, macht sie sich aber nur wenig Hoffnungen, in die elitäre Verbindung aufgenommen zu werden. Auch unsere zweite Protagonistin, Scarlett Winter, die selbst aus einer alteingesessenen Hexenfamilie kommt und die Familientradition fortführen und nach ihrer Mutter und ihrer Schwester die dritte Winter als Präsidentin der Schwesternschaft sein möchte, sieht in der grauen Vivi kein "Kappa"-Potential. Als dann ausgerechnet Vivian bei der Initiation große Mächte enthüllt, muss Scarlett ihr Urteil nochmal überdenken. Denn eine mächtige Hexe mehr oder weniger könnte das Schicksal der Schwesternschaft in einem Kampf gegen einen unbekannten Feind entscheiden...
Das Autorenduo Morgan und Paige hat mit "Der Club der Schwestern" zwei einfache, aber vielversprechende Motive gekreuzt: Hexenzirkel und Studentenverbindungen. Auch wenn ich grundsätzlich mit Studentenverbindungen nicht so viel anfangen kann und das griechische System immer ein bisschen naserümpfend begutachtet habe, fand ich die Idee, einen Hexenzirkel vor aller Augen sichtbar, aber doch verborgen, als Schwesternschaft auf dem College zu tarnen, eine geniale Idee, die auch wunderbar funktioniert. Ausschweifende Partys, glamouröse Bälle, verschlossene Verbindungshäuser, geheimnisvolle Initiationen, schräge Rituale und ein elitärer Ruf - all das, könnte noch wunderbar als normale Studentenverbindung durchgehen, sodass die Rabenschwestern seit Generationen unbemerkt nach magischen Talenten unter den Neulingen am College suchen und diese nach der Ausbildung in ihre Reihen übernehmen können.
Vivi: "Was seid ihr?", fragte Ariana heiser. Dahlia grinste. "Wir sind Hexen."
Hexen. Das Wort sickerte nur langsam in Vivis Bewusstsein, so langsam und süß wie Dahlias gedehnte Silben. Kurz klang es eher tröstlich als seltsam, als hätte sie es im Grunde schon immer gewusst."
Das Urban Fantasy Setting, das Collegeleben mit Hexenzirkel zwischen schwarzer und weißer Magie, Flüchen und Beschwörungen mischt, verströmt dabei eine tolle, magische Atmosphäre, die mich von Beginn an gepackt hat. Auch wenn das Worldbuilding nicht besonders kompliziert oder neue originelle Ideen verarbeitet sind, hat die Geschichte diesen düsteren, mitreißenden "Vampire-Diarys"-Vibe, von dem man einfach nicht genug bekommen kann. Die Autorinnen hatten die schlichte, aber gut funktionierende Idee, die Schwestern mithilfe von Tarot-Karten praktizieren zu lassen. Jede der Hexen kommt mit einem besonderen Talent zur Welt und kann in erster Linie entweder Wasser, Erde, Luft oder Feuer am besten kontrollieren. Entsprechend dessen ist sie entweder eine Schwester der Kelche, der Münzen, der Schwerter oder der Stäbe und arbeitet mit der zugehörigen Farbe im Tarot.
Neben der Einführung in die magische Welt der Hexenzirkel, bezieht "Der Club der Rabenschwestern" seine Spannung aber vor allem durch eine mysteriöse Bedrohung von außen. Nachdem sie mehrere Drohungen erhalten haben, die die Schwestern fast enttarnen, steht fest: irgendjemand außerhalb der Schwesternschaft hat einen ordentlichen Groll angesammelt und schreckt auch nicht davor zurück, verbotene, dunkle Magie zu benutzen. Als wäre das noch nicht genug verbirgt auch Scarlett zusammen mit ihrer besten Freundin Tiffany ein dunkles Geheimnis, das die Schwestern bald einholen könnte. Auch hier haben die beiden also wieder typische Motive und einfache Erzählmuster verwendet! Obwohl die Handlung an sich nicht besonders einfallreich ist, da das Rätselraten um den geheimen Angreifer und die Suche nach einem Verräter in den eigenen Reihen in gefühlt jedem zweiten Roman des Genres auftauchen, funktioniert das ganze wieder sehr gut. Da ich wissen wollte, wer die Kappas bedroht, was das Ganze mit Vivis Mutter zu tun hat und was es mit dem magischen Talisman auf sich hat, der immer wieder vorkommt, habe ich gespannt weitergelesen. Die Wendung am Ende habe ich aber leider schon etwa in der Mitte des Buches kommen sehen, da doch einige sehr offensichtliche Hinweise versteckt waren.
Scarlett: "Ich gehe allein." "Ich fürchte, dass kann ich nicht erlauben", antwortete Jackson. "Das wäre nicht sehr ritterlich von mir." "Hat dir noch niemand gesagt, dass Ritterlichkeit nur Frauenverachtung in einem hübscheren Gewand ist? Außerdem ist nur einer von uns in der Lage, einen Angreifer zu verfluchen."
Schön ist auch, dass die beiden Autorinnen bei der Ausbreitung der Handlung ein angenehmes Erzähltempo an den Tag legen. Sie nehmen sich genügend Zeit für ihre Figuren und die Einführung des Hexenthemas, schreiten dabei aber trotzdem zügig genug vorwärts, dass man es in einem Rutsch durchlesen kann. Dass die Geschichte aus zwei Federn stammt, merkt man der Sprache übrigens nicht an. Ein weiteres Lob muss ich für die vielen lesen Anklänge von feministischen Gedanken, die dargestellte Diversität der Figuren und deren Beziehungen zueinander aussprechen. "Der Club der Rabenschwestern" lebt von einer Prise Drama, ein paar alten Geheimnisse, die an die Oberfläche drängen und natürlich vom Hexenmotiv, aber im Vordergrund stehen ganz klar die Freundschaft der Mädchen, die Zugehörigkeit zur Schwesternschaft, zum Zirkel, der fast schon eine Familie bildet. Auch wenn sich der ein oder andere Zickenkrieg nicht vermeiden lässt, hat es mir sehr gut gefallen, wie die weiblichen Figuren hier zusammenstehen und sich gegenseitig unterstützen. Diese weibliche Solidarität würde ich gerne auch außerhalb von fantastischen Themenkreisen gerne häufiger sehen! Passend zu diesem Schwerpunkt auf den Beziehungen der weiblichen Figuren, verbleiben die zwei auftauchenden Romanzen der beiden Hauptfiguren reine Zierde am Rande und prägen die Handlung nur in sehr geringem Ausmaß.
Scarlett: "Du bist anders, als ich dachte." "Sag das nicht. Das ist beleidigend. Es impliziert, ich wäre anders als die anderen Mädchen, oder? Anders als der Rest meiner Schwesternschaft?" Bei dem Gedanken, dass er die anderen abwertete, um sie zu erhöhen, sträubten sich ihr die Haare."
Wenn wir schon gerade bei den Figuren sind, will ich noch einige Worte zu unseren beiden Hauptfiguren Scarlett und Vivi sagen, die abwechselnd aus personaler Sie-Perspektive erzählen. Während mir zu Beginn Vivis frischer Blick auf die Magie und die Schwesternschaft viel Spaß gemacht hat, ist mir mit der Zeit vor allem Scarlett sehr ans Herz gewachsen. Das hängt zum einen damit zusammen, dass es viel Spaß macht zuzusehen, wie sie gegenüber ihren Schwestern und den LeserInnen immer mehr Verletzlichkeit hinter der kontrollierten und ehrgeizigen Maske hervorblitzen lässt, zum anderen aber auch damit, dass Vivi gegen Ende leider immer blasser und schwerer greifbar wurde. Statt ihr im Verlauf der Geschichte mehr Profil zu verleihen, geht sie fast vollständig im Kollektiv der Schwesternschaft auf und sticht nur noch "Special Snowflake"-mäßig durch ihre auffällig starken magischen Kräfte hervor. Auch die anderen Rabenschwestern hätten gerne noch etwas besser ausgearbeitet und voneinander abgegrenzt werden können. Mir ist bewusst, dass den Autorinnen wichtig war, sie als starke Einheit zu präsentieren, gerade in den letzten Kapiteln habe ich aber von der Hälfte des Zirkels vergessen, dass sie noch da waren (zum Beispiel Ariana, die zu Beginn so ausführlich vorgestellt wird, kommt gegen Ende kaum mehr vor).
Scarlett: "Mir geht gerade auf, dass wir das genaue Gegenteil von dem tun, was wir eigentlich aus Horrorfilmen gelernt haben müssten", sagte Jackson. "Das hier ist kein Horrorfilm. Und wir sind zu zweit, sie allein", entgegnete Scarlett. Für dich sagt sich das so leicht. Du bist die letzte Überlebende, die am Ende den Killer konfrontiert, ich nur der arme Trottel auf dem Beifahrersitz. Wenn mich meine Erinnerung nicht trügt, geht es für meinen Charakter selten gut aus."
Ansonsten hat mir das Ende, das die Geschichte rund abschließt, aber auch noch Raum für eine Fortsetzung lässt, aber sehr gut gefallen. Eine solche Fortsetzung könnten wir mit "The Monarchs" auch schon diesen Januar bekommen. Die beiden Autorinnen haben erst kürzlich das Sequel zu den Rabenschwestern angekündigt.
Fazit:
"Der Club der Rabenschwestern" ist eines dieser Bücher, bei denen einem objektiv eine Menge Schwächen und Kritikpunkte einfallen, man aber dennoch nicht mit dem Lesen aufhören konnte. Die Handlung ist recht vorhersehbar, die Figuren bleiben zu blass, viele der genutzten Motive sind bekannt, aber dennoch hat mich die magische Atmosphäre mit sich gerissen und dafür gesorgt, dass ich beim Lesen viel Spaß hatte.