Deutlich ausdrucksstärker und tiefer als Band 1
Was schon im Vorgänger-Band ausgefallen ist, ist der wunderbar leichte, flüssige Erzählstil von Kathinka Engel. Sie schreibt sehr alltäglich, vollkommen unaufgeregt aber dennoch absolut bildhaft und vorstellbar. ...
Was schon im Vorgänger-Band ausgefallen ist, ist der wunderbar leichte, flüssige Erzählstil von Kathinka Engel. Sie schreibt sehr alltäglich, vollkommen unaufgeregt aber dennoch absolut bildhaft und vorstellbar. Die Geschichte liest sich wahnsinnig schnell, büßt dabei aber nichts an Atmosphäre ein. Die ist nämlich, genau so wie die Handlung ganz allgemein sehr intensiv und mitreißend. Die Autorin schafft es mit einer erstaunlichen Leichtigkeit, die Gefühle, die die Protagonisten empfinden, an den Leser zu transportieren und ihn so mitfühlen und mitfiebern zu lassen. Der stetige Wechsel der Sichten tut für die Geschichte so einiges, denn bringt er uns dazu, in beide Köpfe gleichermaßen blicken zu können.
Was mich sehr überraschte, war die Tatsache, dass es sich hier um zwei gänzlich neue Sprecher handelte. Die beiden aus Band 1 wurden durch Nina-Zofia Amerschläger und Moritz Pliquet ersetzt – was zwar im ersten Moment ein wenig ungewohnt wirkt, sich aber schnell gibt. Beide liefern 100% ab und machen einen tollen Job! Meines Erachtens nach passt Moritz Pliquet eine Spur besser zu Malik, als Nina-Zofia Amerschläger zu Zelda; aber das ist reine Geschmackssache. Sowohl der männliche Part als auch der weibliche Part liest sehr eingehend, mit vielen Tonlagen-Wechsel und verschiedenen Tempi. So wirken die spannenden Szenen noch rasanter und die emotional aufgeladenen Passagen noch intensiver und ergreifender. Kurz um: kurze Startschwierigkeiten, aber jetzt rückblickend fast eine Nuance stärker als ihre beiden Vorgänger.
Die Charaktere in diesem Band begeistern mindestens genau so sehr, wie die Figuren aus Band 1. Zelda und Malik unterscheiden sich auf den ersten Blick vielleicht nur recht wenig von dem Pärchen aus dem Vorgänger, doch spätestens als die Vergangenheiten ins Spiel kommen, spürt man förmlich, wie die Geschichte an Tiefgang gewinnt. Zelda scheint wie ein quirrliger Wirbelwind, der vor allem Spaß am Leben und die verrücktesten Ideen hat. Doch dass sich hinter dieser Fassade so vieles verbirgt, überrascht! Zelda stammt aus reichem Hause; darf nur studieren, wenn sie gewisse Auflagen erfüllt und muss sich dem Willen ihrer herrischen Eltern permanent beugen. Dieser goldene Käfig erweckt im Leser automatisch Mitgefühl und den Beschützerinstinkt gegenüber Zelda und mit ihr mitzufiebern lässt sich schlicht nicht verhindern. Ich mochte diese junge Frau, die ihr Herz auf dem rechten Fleck trug und stets für eine Überraschung gut war. Ihre lebensfreudige, aufgedrehte Art war regelrecht ansteckend und ihre Sehnsucht nach Freiheit beinah mit Händen greifbar. Während Tamsin und Rhys eine eher unterschwellige Entwicklung an den Tag legten, so war es bei Zelda das pure Gegenteil: sie kämpfte, verlor, stand wieder auf und kämpfte weiter. Sie wuchs mit jeder Seite weiter über sich hinaus und es war eine Freude, sie dabei beobachten und begleiten zu dürfen.
Mit Malik brachte Kathinka Engel dann schon eine von Haus aus interessante und zündstoffreiche Figur ins Spiel. Denn Malik ist dunkelhäutig und hat bereits seit Kindertagen darunter zu leiden. Ich hätte ehrlich nicht gedacht, dass sich die Autorin so sehr auf das Thema einlässt, doch sie hat Malik eine Stimme gegeben und ihn mittels einfachen aber unglaublich liebenswürdigen Charakterzügen zu einem potenziellen Book Boyfriend gemacht. Malik ist weder besonders selbstsicher noch weiß er um sein Aussehen – er vermittelt immer wieder den Eindruck, als wäre es noch ein absoluter Teenager und kein ausgewachsener, attraktiver Mann und das allein macht ihn enorm sympathisch. Doch auch sein gutes Herz, seine Loyalität der Familie gegenüber und seine Spontanität sprechen für ihn. Malik ist nicht perfekt, ebenso wenig wie Zelda, doch das haben die beiden auch überhaupt nicht nötig, um das Leserherz für sich zu gewinnen.
Natürlich spielen auch bekannte Gesichter wieder eine Rolle; wie zum Beispiel die Protagonisten aus Band 1; oder aber Amy, die die tragende Rolle in Band 3 spielen wird. Desweiteren treten aber auch neue Personen auf, die mal mehr, mal weniger sympathisch sind. Beispielsweise Zelda’s Eltern, die den Leser binnen Sekunden komplett auf die Palme bringen können. Eine große Abwechslung also, die jedoch allesamt authentisch ausgearbeitet und vorstellbar ausfielen.
Das Grundgerüst ist auch bei Band Nummer 2 wieder sehr bekannt und klischeebehaftet. Der Ablauf sehr vorhersehbar, die Idee an sich nichts, was einen umhauen könnte. Kennenlernen, verlieben, großes Drama, Happy End. Also exakt das, was wir schon im Auftakt der Trilogie vorgefunden haben. Doch wie bereits angeteasert, verbirgt sich hinter dem wunderschönen Cover und dem abgedroschenen Aufbau einiges an unerwartetem Tiefgang. Kathinka Engel hat sich auf ein sehr sensibles Thema eingelassen – nämlich auf Rassismus – und hat es meisterhaft geschafft, den steinigen Weg von dunkelhäutigen Menschen aufzuzeigen. Mit Malik hat sie einen sehr sympathischen, authentischen und greifbaren Charakter ins Rennen geschickt, mit dem man wunderbar leicht mitfiebern und mitfühlen kann; sodass das Interesse an der gesamten Geschichte gleich noch weiter anwächst. Denn wieder einmal sind die einzelnen Plots herrlich schön und unterhaltsam, wunderbar atmosphärisch und teilweise sogar richtig spannend und mitreißend gestaltet und dargestellt, sodass man über den allgemeinen Ablauf durchaus hinwegsehen kann. Zugegeben, die großen Überraschungen oder Wendungen gab es nicht zu finden, doch in Anbetracht der anderen Pluspunkte war das gar nicht nötig. Das Drama, das in Band 1 sehr „gewollt“ wirkte, empfand ich hier als deutlich echter und realistischer, einfach „zufälliger“, wenn man das so nennen mag. Keine überzogenen Reaktionen sondern wirklich nachvollziehbare Gründe, wieso plötzlich nicht mehr alles wundervoll ist.
Auch das Ende konnte sich sehen lassen; denn hier kamen tatsächlich noch die Überraschungen und die Wendung, die alles in ein anderes Licht rückte. Ein rund herum gelungenes Ende, das die Geschichte rund um Zelda und Malik gänzlich abrunden konnte und den Leser zufrieden und glücklich, aber auch neugierig auf Band 3 und somit das große Finale, zurücklässt.
FAZIT:
Der zweite Band der Trilogie von Kathinka Engel überracht bereits durch die Grundidee, nämlich die Rassismus-Thematik. Authentisch, echt und voller Leben umgesetzt, zum Teil schockierend, zum Teil schwer verletzend berichtet die Autorin über den Alltag und die Probleme eines dunkelhäutigen, jungen Mannes, der unschuldig im Gefängnis saß. Dementsprechend tiefgründig fällt der Roman auch aus, besticht jedoch gleichzeitig durch eine heimelige Atmosphäre, die Verrücktheit der weiblichen Protagonistin und einem angenehmen, bildhaften Stil. Keine Frage, auch Band 2 ist kein Highlight geworden, fiel aber doch spannender und überraschender aus, als Band 1.