Cover-Bild Drehtür
15,00
inkl. MwSt
  • Verlag: FISCHER Taschenbuch
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 216
  • Ersterscheinung: 25.07.2018
  • ISBN: 9783596298891
Katja Lange-Müller

Drehtür

Roman
Asta Arnold ist nach 22 Jahren im Dienst internationaler Hilfsorganisationen am Münchner Flughafen gestrandet. Sie ist aus Nicaragua gekommen, wo sie zuletzt in einem Krankenhaus gearbeitet hat, aber von ihren Kollegen weggemobbt und in Rente geschickt wurde. Eigentlich wollte sie gar nicht zurück nach Deutschland, der Beruf hat ihr alles bedeutet. Geradezu süchtig ist sie danach gewesen, anderen zu helfen. Aber weil sich ihre Fehlleistungen häuften, hat man ihr ein One-Way-Ticket geschenkt. Sie müsste zurück nach Berlin, aber das von den Kollegen gesammelte Geld hat nur für den Flug nach München gereicht. Jetzt steht sie neben einer Drehtür im Flughafengebäude und weiß nicht mehr weiter. Auch ihr Koffer ist nicht mitgekommen, und so bleibt ihr nichts anderes übrig, als die im Duty-Free-Shop billig erworbenen Zigaretten zu rauchen und nachzudenken: Wer könnte sie, die ausgemusterte Krankenschwester, jetzt noch brauchen?
Während Asta über sich nachdenkt, beobachtet sie ihre Umgebung und glaubt bald, Menschen wiederzuerkennen, denen sie im Laufe ihres Lebens begegnet ist: den Koch der nordkoreanischen Botschaft, der eines Abends mit geschwollener Wange in einem Berliner Hauseingang hockte, und vielleicht ihre einzige wirkliche Liebe war. Ihre Kollegin Tamara, die ein glühender Fan der sozialistischen Revolutionärin Tamara Bunke war. Ihren Exfreund Kurt, mit dem sie turbulente Wochen in einer tunesischen Ferienanlage verbrachte. Einen amerikanischen Schauspieler, der einen Nazi-Arzt darstellte. Astas Alltags- und Menschenbeobachtungen der Münchner Flughafenwelt fließen mit den Bildern ihrer Erinnerung und Phantasie ineinander. Mit jeder Zigarette taucht sie tiefer in ihre Vergangenheit ein – und mit jeder Episode variiert Katja Lange-Müller ein höchst aktuelles und existenzielles Thema: das Helfen und seine Risiken. Denn ihre Helferin Asta kann sich selbst nicht mehr helfen.

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Lesejury-Facts

  • Dieses Buch befindet sich bei Herbstrose in einem Regal.

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 08.10.2018

Die Gedanken einer Gestrandeten

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Eine „Drehtür“ spielt eine wesentliche Rolle in dem gleichnamigen Roman von Katja Lange-Müller. Würde man ihn als Theaterstück inszenieren oder gar verfilmen, wäre sie der bedeutendste Teil der Kulisse. ...

Eine „Drehtür“ spielt eine wesentliche Rolle in dem gleichnamigen Roman von Katja Lange-Müller. Würde man ihn als Theaterstück inszenieren oder gar verfilmen, wäre sie der bedeutendste Teil der Kulisse. Denn Hauptfigur Asta Arnold bewegt sich kaum von ebendieser Drehtür weg, die sie aus dem Gebäude des Münchener Flughafens zu einem Aschenbecher geführt hat, wo sie nun eine Camel nach der anderen raucht. Die Ich-Erzählerin kommt gerade aus Nicaragua, wo sie als Krankenschwester für eine internationale Hilfsorganisation gearbeitet hat, bis sie ihre Arbeitgeber mit einem One-Way-Ticket nach Deutschland in den unfreiwilligen Ruhestand schickten. Da steht die Gestrandete nun und kommt irgendwie nicht mehr vom Fleck. Was bleibt der ewigen Helferin noch, wenn ihre Hilfe nicht mehr erwünscht ist? Asta Arnold raucht und lässt ihren Gedanken freien Lauf; und so liest sich der gesamte Roman wie ein einziger Stream of Consciousness. Immer wieder fallen der Protagonistin Reisende, im Flughafen Angestellte und einmal sogar eine Katze ins Auge, die in ihr Erinnerungen an frühere Wegbegleiter auslösen – teils so starke Erinnerungen, dass sie glaubt oder glauben will, vielleicht sogar diese alten Bekannten selbst am Münchener Flughafen zu sehen. Doch sie spricht keinen von ihnen an, stattdessen raucht sie und denkt an vergangene Zeiten. Einige ihrer Erinnerungen sind so ausführlich, dass sie fast Kurzgeschichtencharakter haben, andere bleiben Fragmente. Sie führen zu nichts, außer zu neuen Beobachtungen und neuen Geschichten. Asta Arnold blickt auf ein bewegtes Leben zurück, dass man als Leser doch nur sehr auszugsweise kennenlernt, weil sie an das, was ihr nicht genehm ist, nur kurz oder gar nicht denken mag, eventuelle Zusammenhänge für sich behält. Und obwohl die Figur dadurch nicht komplett erfassbar wird, wächst sie einem irgendwie ans Herz und man wünscht sich fast, man könnte sie von dieser Drehtür wegführen, in der Hoffnung, das könnte Asta dazu bringen, nach vorne zu blicken. Denn wie die Tür kreist die Protagonistin seit ihrer Ankunft am Flughafen nur um sich selbst, ohne Ziel. Ob sie den Absprung schließlich schafft, sei hier nicht verraten.

„Drehtür“ ist in einem saloppen, trotzig-starken Ton geschrieben, durch den man sofort eine Beziehung mit der aus Nicaragua Entlassenen aufbaut. Man taucht mit ihr in ihre Erinnerungen ein und am Ende auch wieder daraus hervor. Nach der Lektüre fragte ich mich leicht desorientiert, was das jetzt war und kann diese Frage kaum beantworten. Aber ich habe Asta Arnold gerne Gesellschaft an ihrer Drehtür geleistet und werde an die ein oder andere ihrer Anekdoten sicher noch einmal zurückdenken.