Ein offenes Gespräch über Männlichkeit
Wenn von Feminismus die Rede ist, verfallen Männer häufig in eine Abwehrhaltung und verkennen dabei, wie sehr das Patriachat auch das Leben von Männern prägt und beeinflusst. In ihrem Buch „Bock. Männer ...
Wenn von Feminismus die Rede ist, verfallen Männer häufig in eine Abwehrhaltung und verkennen dabei, wie sehr das Patriachat auch das Leben von Männern prägt und beeinflusst. In ihrem Buch „Bock. Männer und Sex“, beschäftigt sich die Autorin Katja Lewina, wie im Titel schon deutlich wird, nicht mit ihrem eigenen Geschlecht, sondern mit Männern und männlichen Stereotypen. Welche gesellschaftlichen Erwartungen werden an Männer gestellt? Welchen Normen unterliegen sie und wie sind die sozialisiert? Um diesen Fragen nachzugehen, sucht die Autorin selber das Gespräch mit Männern, die jeweils ihre völlig eigene Geschichte mitbringen, sei es durch ihre Herkunft, ihren Beruf oder ihre Sexualität, die über ihre persönlichen Erfahrungen berichten oder sich selber mit dem Thema bpsw. Aufgrund ihres Berufes beschäftigen.
Von der Geburt bis ins hohe Alter greift Katja Lewina eine große Vielzahl von Themen auf und setzt sich mit Stereotypen und Normen auseinander. Dazu gehören Rasur, Selbstbefriedigung, durch Sexualkontakte übertragbare Krankheiten, allgemein die gesellschaftlichen Idee, was als „richtige“ Männlichkeit zu gelten hat und vieles mehr. Männer berichten über ihre eigene Wahrnehmung und ihre Erfahrungen, reflektieren über ihr eigenes Verhalten und liefern einen Blickwinkel, der ihnen oft selbst nicht bewusst war. Dabei lernen sie selber, ihr erlerntes Rollenverhalten zu hinterfragen. Stereotype werden aufgebrochen, wiederlegt, und es wird deutlich, was vielen nicht klar zu sein scheint: Es gibt eben nicht die eine richtige und einzige Form oder den einen richtigen Ausdruck von Männlichkeit. Was Männer ausmacht, ist so vielfältig, wie Menschen vielfältig sind. Die auferlegten Stereotypen und Normen schränken ein und führen nur zu psychischen Problemen und Leid.
Dabei ist die Autorin schonungslos ehrlich, und man:frau spürt, dass sie auch selber durch die Gespräche mit den vielen , unterschiedlichen Männern einiges gelernt und selber reflektiert hat. Der Schreibstil ist an den meisten Stellen umgangssprachlich, Katja Lewina verwendet Begriffe, die dem Leser mitunter unpassend erscheinen, erreicht damit aber genau das, was sie erreichen will: sie bricht Tabus, lässt hinterfragen und regt zum Nachdenken an. Das passt zu ihr, und es passt zum Buch. Die Ergebnisse der Gespräche fließen an den genau richtigen Stellen in der Form von wörtlichen Zitaten ein und spiegeln sich auch in dem Rest des Buches wieder. Die persönlichen Erfahrungen und Erzählungen der Männer werden durch Studien oder die Expertise von Expert:innen wissenschaftlich untermauert. Die Quellen finden sich am Ende des Buches in einem Literaturverzeichnis.
Während des Lesens habe ich unzählige Klebezettel verbraucht und damit viele Sätze und teilweise ganze Absätze markiert, ein untrügliches Zeichen dafür, wie gut ich das Buch fand. Ich konnte selber unglaublich viel mitnehmen, und mir ist einiges nochmal selber bewusster geworden.
Lest dieses Buch! Es regt einen Diskurs an, der noch nicht überall in der Gesellschaft angekommen ist. Aber das Thema ist wichtig, und wir alle sollten darüber sprechen. Denn das Patriachat kann nur von allen gemeinsam besiegt werden.