Das Buch hat mich etwas zwiespältig zurückgelassen. Einerseits enthält es einige lehrreiche und wertvolle Passagen. Andererseits habe ich die Geschichte als recht langatmig empfunden.
Wirklich viel passiert nicht – zumindest für mich. Mason hat da eine ganze andere Wahrnehmung, denn es werden ganz viele kleine Situationen beschrieben, die ihm wichtig waren, die ihm in Erinnerung geblieben sind oder ihn aufgewühlt haben. Und seine Begeisterung für die einfachen Dinge ist durchaus schön zu lesen. Aber dennoch passiert mir halt einfach zu wenig.
Nun ist Mason insgesamt ein sehr spezieller Charakter:
Er ist Legastheniker und wohl auch Synästhetiker.
Er ist anscheinend ein wenig zu groß und kräftig für sein Alter.
Er schwitzt so stark, dass er sich mehrfach am Tag umziehen muss.
Und denkt ein wenig langsamer als andere Kinder seines Alters.
All das sorgt dafür, dass Mason, der als Ich-Erzähler fungiert, eben seine ganz eigenen Themen in den Vordergrund stellt, wie Kleinigkeiten, die er über den Tag hinweg erlebt und wie er beispielsweise das regelmäßige Umziehen aufgrund des Schwitzens in seine Aktivitäten einbaut, was im Ergebnis zu vielen Wiederholungen führt. Auch in seiner Erzählweise hat Mason einige Phrasen, die er immer und immer wieder wiederholt, was ich mit der Zeit als recht anstrengend empfunden habe.
Ansonsten ist die Sprache aber passend für die Zielgruppe (und für die Art, wie Mason dargestellt wird). Eher einfach gehalten, einfache Sätze, größtenteils leicht verständlich.
Da Mason viele Dinge anders wahrnimmt und nicht immer alles sofort durchschaut, was um ihn herum geschieht, passiert allerdings unglaublich viel zwischen den Zeilen – was sich aus dem Verhalten oder Aussagen der Figuren ableiten lässt, bei Mason aber nicht entsprechend ankommt und dementsprechend keine weitere Erwähnung oder Erklärung findet.
Und das, wo die Geschichte an sich schon keine leichte Kost ist:
Mason hat seine Eltern und seinen besten Freund verloren. Letzterer starb vor einem Jahr auf der Plantage von Masons Familie, wobei Mason die ganze Tragweite des tragischen Unfalls gar nicht versteht, obwohl immer wieder ein Polizist bei ihm zuhause auftaucht und Fragen stellt.
Zudem wird Mason heftig gemobbt, nicht nur verbal. Immer wieder kommt es zu Angriffen auf ihn und seinen neuen Freund, die zwar einige Erwachsene wahrnehmen, aber gegen die niemand etwas unternimmt. Ein Punkt, der mich wirklich stört, weil das Mobbing letztlich komplett unkommentiert und folgenlos bleibt.
Auch den Umgang mit der Trauer, oder den fehlenden Umgang damit, finde ich ein wenig schwierig dargestellt. Oft wirkte Mason auf mich mit der Situation allein gelassen – obwohl seine Großmutter und sein Onkel prinzipiell für ihn da sind.
Was in der Geschichte wirklich schön thematisiert wird, ist der Wert der Freundschaft. Mason und sein neuer Freund ergänzen sich perfekt, obwohl die Jungen komplett verschiedenen sind, sowohl körperlich als auch geistig. Sie geben ein super Gespann ab, respektieren einander, unterstützen einander und verlieren – im Gegensatz zu vielen Kindern ihres Umfelds – nicht ein schlechtes Wort über die vermeintlichen „Fehler“ des anderen. Und sie hören einander zu – etwas, was einige Erwachsene im Verlauf erst noch lernen müssen.
Masons Unvoreingenommenheit ist toll, ebenso seine Hingabe für Dinge, die ihm am Herzen liegen.
Ganz am Ende wird auch das Thema Familie und Zugehörigkeit auf sehr rührende Weise aufgegriffen.
Fazit
Mason ist, keine Frage, ein interessanter und liebenswerter Charakter. Aber ist er auch eine Figur, in die sich 10-jährige Kinder hinversetzen können? Da bin ich mir nicht sicher. Zumal viele von Masons Besonderheiten nicht wirklich näher erklärt werden.
Ich empfand die Handlung insgesamt als wenig spannend. Sie ist sehr ruhig, weil Mason sich an so vielen Kleinigkeiten erfreut, die er ausführlich schildert (wobei mir grundsätzlich gefällt, wie der Junge seine Prioritäten setzt und wofür er sich einsetzt). Ebenso wie er lange die Probleme wälzt, die sich ihm in den Weg stellen. Erst kurz vor Schluss gibt es einige dramatische Momente, auf die die Geschichte bereits die ganze Zeit hinarbeitet.
Die ungleiche Freundschaft ist toll beschrieben. Und auch wenn die Sprache für die Zielgruppe passt, würde ich das Buch aufgrund der ruhigen, streckenweise zähen, Handlung, der vielen Zwischentöne und der teils heftigen, unbearbeiteten Themen, noch keinem 10-jährigen Kind einfach so in die Hand geben.