Inhalt:
Der New Yorker Dokumentarfilmer Jeremiah Salinger fühlt sich nach seinem letzten erfolgreichen Filmprojekt vollkommen ausgebrannt und leer. Er beschließt, sich eine kleine Auszeit zu gönnen und mit seiner Frau Annelise und seiner kleinen Tochter Clara ein paar Monate in Siebenhoch zu verbringen, dem Heimatdorf seiner Frau in den Südtiroler Dolomiten. In dem abgelegenen, idyllischen Bergdorf glaubt er, etwas zur Ruhe zu kommen und viel Zeit mit seiner Familie verbringen zu können.
Während er eines Tages fasziniert den Hubschrauber der Bergrettung Dolomiten beobachtet, kommt ihm jedoch die Idee, einen Film über die Arbeit des Bergrettungsteams zu drehen. Als er die Crew bei einem Einsatz auf den Ortler begleitet, ereignet sich bei den Dreharbeiten ein schrecklicher Unfall, den Salinger als Einziger schwerverletzt in einer Gletscherspalte überlebt. Seitdem leidet er unter einer schweren posttraumatischen Belastungsstörung, hat Panikattacken, Albträume und Wahnvorstellungen, in denen er immer wieder die Stimme der Bestie zu hören glaubt, die er zum ersten Mal in der Gletscherspalte am Ortler vernommen hatte. Er muss seiner Frau versprechen, sich nun zu schonen und mindestens ein Jahr nicht zu arbeiten.
Doch dann erfährt er zufällig, dass sich 1985 in der nahegelegenen Bletterbach-Schlucht ein furchtbares Verbrechen zugetragen hat, bei dem drei junge Einheimische bestialisch ermordet wurden. Salingers Schwiegervater und drei weitere Männer aus dem Dorf hatten die grausam zerstückelten Leichen gefunden, nachdem die drei jungen Leute nicht von einer Wanderung zurückgekehrt waren. Obwohl es zahlreiche Verdächtige gab, konnte der Mörder noch immer nicht gefasst werden. Salinger möchte unbedingt die Wahrheit über dieses dreißig Jahre zurückliegende Massaker herausfinden, aber als er beginnt, Fragen zu stellen, stößt er bei den Dorfbewohnern nur auf eine Mauer des Schweigens. Man gibt ihm unmissverständlich zu verstehen, dass es besser für ihn wäre, die Vergangenheit ruhen zu lassen, denn man will nicht, dass ein Fremder seine Nase in eine Angelegenheit steckt, die noch immer wie ein Fluch auf der Dorfgemeinschaft lastet. Aber Salinger schlägt alle Warnungen und Drohungen in den Wind. Er ist geradezu besessen davon, den Mörder zu finden und sicher, dass er die Stimme der Bestie nur zum Schweigen bringen kann, wenn es ihm gelingt, das Bletterbach-Massaker aufzuklären, selbst wenn er sich damit in große Gefahr begibt und riskiert, seine Familie zu verlieren.
Meine persönliche Meinung:
Wenn man an Südtirol denkt, kommen einem zunächst wunderschöne Landschaften, die schneebedeckten Gipfel der Alpen und Dolomiten, ein Meer von Weinbergen und Obstgärten sowie idyllisch gelegene Bergdörfer und blühende Almen in den Sinn. Ich bin eigentlich kein großer Fan von den Bergen, aber dennoch war ich gerade aufgrund des außergewöhnlichen Settings neugierig auf
Der Tod so kalt von Luca D’Andrea, denn hinter dieser Postkartenidylle würde man eher einen beschaulichen Heimatroman als einen beklemmenden, zuweilen auch recht gruseligen Thriller vermuten. Die Gegend, in der Luca D’Andrea die Handlung seines Thrillers angesiedelt hat, kenne ich von diversen Urlauben recht gut, denn abgesehen von dem fiktiven Dörfchen Siebenhoch handelt es sich dabei um real existierende Orte. Die Landschaft Südtirols ist zweifellos wirklich traumhaft schön, aber auf mich wirkten die schroffen Berge auch immer ein wenig bedrohlich.
Und äußerst bedrohlich ist auch die Atmosphäre in Luca D’Andreas Thriller, nicht nur aufgrund der tückischen Gefahren, die in den Bergen lauern, sondern auch, weil der Autor die Dolomiten zum Schauplatz eines furchtbaren Verbrechens macht. Die Landschaft spielt in
Der Tod so kalt eine sehr große Rolle. D’Andrea stammt selbst aus Bozen, kennt sich in der Gegend also bestens aus, ist auch mit den lokalen Brauchtümern, Legenden und Mythen vertraut und lässt diese immer wieder in die Handlung einfließen. Man merkt deutlich, dass der Autor vieles aus eigener Anschauung kennt, aber auch sehr akribisch recherchiert hat. Mir war die Legende vom Reich der Fanes bislang vollkommen unbekannt, und auch wenn ich ungefähr wusste, was ein Krampus ist, fand ich es sehr interessant, mehr über diese Schreckgestalt und das mit ihr verbundene Brauchtum zu erfahren. Auch die Auswirkungen des stetig zunehmenden Tourismus, der zur größten Einnahmequelle Südtirols geworden ist, sowie die Mentalität und die Eigenheiten der etwas verschrobenen Südtiroler beschreibt der Autor sehr authentisch und zeichnet ein überaus überzeugendes Porträt der verschworenen Dorfgemeinschaft des fiktiven Örtchens Siebenhochs.
Es ist für einen Fremden nicht ganz einfach, das Vertrauen der Einheimischen zu gewinnen, was Salinger, der Protagonist in D’Andreas Thriller, immer wieder zu spüren bekommt. Obwohl seine Ehefrau eine Einheimische ist, begegnen ihm die Siebenhochler mit unverhohlenem Misstrauen, nicht nur, weil sie ihn als Eindringling empfinden, sondern weil sie ihm auch die Schuld an dem Unglück am Ortler geben, das Salinger als Einziger überlebt hat. Er selbst leidet seit dem Unfall unter einer schweren posttraumatischen Belastungsstörung, Wahnvorstellungen und Panikattacken, die er zu überwinden versucht, indem er geradezu besessen alles daran setzt, das dreißig Jahre zurückliegende Bletterbach-Massaker aufzuklären, bei dem drei junge Einheimische auf bestialische Weise ermordet wurden. Doch die Dorfbewohner wollen nicht, dass sich ein Fremder in ihre Angelegenheiten einmischt. Sie versuchen mit allen Mitteln, Salinger einzuschüchtern und greifen ihn auch tätlich an, weil er sich von ihren Drohungen nicht beeindrucken lässt. Auch sein Schwiegervater bittet ihn inständig, seine Recherchen einzustellen, und seine Frau droht, ihn zu verlassen, wenn er sich nicht schont. Doch Salinger lässt sich nicht beirren, denn er ist sicher, dass er die Stimme der Bestie, die er seit dem Unglück zu hören glaubt, nur zum Schweigen bringen kann, wenn es ihm gelingt, die Wahrheit über das Bletterbach-Massaker herauszufinden.
Der Autor hat seinen Protagonisten sehr fein gezeichnet und psychologisch glaubwürdig ausgearbeitet. Da das ganze Buch aus der Ich-Perspektive Salingers erzählt wird, man seine Gedanken, Ängste und Gefühlszustände also hautnah miterlebt, konnte ich mich sehr gut in ihn einfühlen. Er ist keineswegs ein mutiger Held, der ein dreißig Jahre zurückliegendes Verbrechen aufklären möchte, um sich zu profilieren, sondern ein gebrochener Charakter, der sich in eine Idee verrannt hat und dabei fast seinen Verstand verliert. Hin und wieder fiel es mir nicht leicht, Salingers Besessenheit für das Bletterbach-Massaker nachzuvollziehen, denn er begibt sich immer wieder in Gefahr, wird massiv bedroht und setzt außerdem auch seine Ehe aufs Spiel. Er liebt seine Familie über alles, und nur die Liebe zu seiner kleinen Tochter Clara bringt ihn hin und wieder zur Vernunft, denn er möchte sie auf keinen Fall verlieren. Doch dann gewinnt die Stimme der Bestie, die er seit dem Unglück am Ortler unaufhörlich zu hören glaubt, wieder die Oberhand. Er weiß, dass er sie nur zum Schweigen bringen kann und zur Ruhe kommen wird, wenn er den Mörder von damals entlarvt und ist ständig hin- und hergerissen zwischen seiner Familie und seiner Obsession. Die Momente mit seiner Tochter waren sehr berührend, denn das kleine Mädchen gibt ihrem Vater auf geradezu rührende Weise immer wieder Halt und Kraft. Nur das Buchstabenzählspiel, das die beiden ständig spielen und als eine Art Geheimsprache zwischen Vater und Tochter fungiert, ging mir irgendwann fürchterlich auf die Nerven, weil es doch sehr überstrapaziert wird.
Der Tod so kalt ist äußerst abwechslungsreich komponiert. Das ständige Wechselspiel zwischen sehr ruhigen, einfühlsamen Passagen und überaus rasanten, actionreichen Szenen hat mir ausgesprochen gut gefallen. Auch der Gruselfaktor kommt nicht zu kurz. Der Autor versteht es hervorragend, Spannung aufzubauen und sie das ganze Buch hinweg auf einem sehr hohen Level zu halten. Während man Salinger bei seiner gefährlichen Suche nach dem Mörder begleitet, wird man immer wieder mit neuen Verdächtigen konfrontiert und auf falsche Fährten gelockt. Zwischendurch hatte ich allerdings kurzfristig die Befürchtung, dass die Geschichte ins Phantastische abdriftet, als der Jaekelopterus rhenaniae, ein vor mehr als zweihundertfünfzig Millionen Jahren ausgestorbenes Riesenskorpion, des Mordes verdächtigt wird. Glücklicherweise waren meine Bedenken unbegründet, denn stattdessen gewährt der Autor hier sehr interessante Einblicke in die Geologie, Paläontologie sowie die ökologische Nischentheorie, jedoch ohne in einen wissenschaftlichen Ton zu verfallen. Der wendungsreiche Plot mündet nach einem fulminanten Showdown schließlich in ein durchaus realistisches, logisches und schlüssiges Ende, das mich sehr überrascht hat.
Mir hat
Der Tod so kalt ausgesprochen gut gefallen und mich aufgrund der imposanten Kulisse, den überzeugenden Charakteren und der abwechslungsreichen und hochspannenden Erzählweise restlos begeistert.