„Wenn der Mensch wissen (will) wie sein Leben ist, (muss) er nur alle fünf Jahre seinen Geburtstag beobachten, vom Morgen bis zum Abend.“(....) „Denn alle fünf Jahre ändert sich die Welt, und sobald man sich dessen bewusst (wird), (ist) man bereits ein anderer“.
Mara Torres lässt in ihrem Roman „Fünf Tage und ein halbes Leben“ Leopoldo, eine ihrer Figuren, sehr treffend erläutern, worum es in ihrem Buch eigentlich geht:
Zu Beginn wird Student Miguel zwanzig, er lernt Claudia kennen, verliebt sich sofort in sie, und feiert anschließend mit ihr und seinem besten Freund Pecu eine Party. Immer mit kurzen Einschüben aus der Gegenwart wird dann der nächste Geburtstag fünf Jahre später bis zu seinem vierzigsten ausführlich beschrieben. Dabei erfährt der Leser, was sich in Miguels Leben verändert hat. Wie geht es ihm mit seiner beruflichen Karriere? Was hat sich für ihn auf der Beziehungsebene ergeben? Wie haben sich seine Einstellungen und Gefühle entwickelt?
Miguel wirkt anfangs noch sehr unreif und orientierungslos, im Laufe der verschiedenen Geburtstagskapitel fasst er nicht nur beruflich Fuß, sondern wird auch erwachsener. Konstanten in seinem Leben sind die Personen, die ihn umgeben, seine Mutter, Freund Pecu, dessen Vater Leopoldo und nicht zuletzt seine unerfüllte Liebe zu Claudia.
Die Theorie, das Leben in Fünfjahresabschnitten zu betrachten, fasziniert mich. Wenn man einen Menschen alle fünf Jahre einen ganzen Tag beobachtet, bekommt man sicherlich einen sehr guten Überblick darüber, wie er lebt und wie sich sein Leben über die Jahre hinweg verändert.
Autorin Torres spielt im Roman immer wieder auf dieses Thema an, das Leben und seine Entwicklung zu bewerten. Mal lässt sie Miguels Mutter, das aktuelle Leben ihres Sohnes in einem kurzen Telefongespräch prägnant zusammenfassen, mal sind es Symbole wie einfarbige statt bunte Socken, die für einen neuen Lebensabschnitt stehen. Eine wirklich gelungen Umsetzung der Idee.
Dem Cover und Klappentext nach habe ich ein nette lockere Liebesgeschichte erwartet, ohne Tiefgang mit sympathischen, einfach gestrickten Hauptpersonen, die sich am Ende kriegen und lieben. Doch weit gefehlt: Statt in rosarotem Glück suhlt sich Hauptfigur Miguel über lange Strecken in düsterem Pessimismus. Überhaupt ist Miguel nicht leicht zu fassen: Er ist unentschlossen, ringt ständig mit sich und bleibt oft zu passiv, um es sich dann in seiner Unzufriedenheit bequem zu machen: Ein anstrengender, aber ein durchaus realistischer Charakter, irgendwie typisch für seine Generation. Und auch Claudia macht es dem Leser nicht leicht, sich mit ihr zu identifizieren. Das Buch enthält ein ganzes Potpourri an Lebensweisheiten, die die Autorin den verschieden Figuren in den Mund legt. Manche sind so schlicht wie offensichtlich, manche nerven, weil sie im Zusammenhang zu gekünstelt, zu gewollt und bemüht wirken, andere sind aber einfach nur bemerkenswert klug.
Für mich ein lesenswerter Roman, in dem viel mehr steckt, als vermutet. Ein Roman über das Leben, Beziehungen, die Liebe, über verpasste Chancen, aber auch ein Aufruf zu mehr Mut und Entschlossenheit. Oder wie es Pecu formuliert:
„Ich will mein Leben nicht damit verbringen, darauf zu warten, dass immer noch was Besseres passiert. Was ich will, ist leben“.