Tiefgründige Geschichte
„...Agnes steht in der Straßenbahn und lauscht den Gesprächen der anderen Fahrgäste, deren Worte sich zwischen den Haltestangen zu einem Geräuschbrei vermischen...“
Mit diesen Worten beginnt eine tiefgründige ...
„...Agnes steht in der Straßenbahn und lauscht den Gesprächen der anderen Fahrgäste, deren Worte sich zwischen den Haltestangen zu einem Geräuschbrei vermischen...“
Mit diesen Worten beginnt eine tiefgründige Erzählung. Agnes ist hier noch ein Kind. Die gehörten Geschichten erzählt sie ihrer Mutter weiter.
Der Schriftstil ist ausgereift. Er sorgt für eine innere Spannung in diesem sonst leisen Buch. Erst gegen Ende werde ich als Leser erfahren, was Agnes zu ihrem Verhalten bewegt hat.
Mittlerweile ist Agnes Mitte 20. Vor zwei Jahren hat sie ihre Heimatstadt Augsburg verlassen. Agnes wohnt in einem Hochhaus. Noch immer lauscht sie auf die Geschichten der anderen.
„...Sie besaß kein Auto und fuhr deshalb immer mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Meistens setzte sie sich in die Nähe der Leute, die ihr am interessantesten erschienen und hörte ihnen unauffällig zu...“
Agnes ist auf den Weg zu ihrer neuen Arbeitsstelle. Sie wird als Bürokraft in einer psychologischen Praxis eingestellt. Dort wird sie mit den unterschiedlichsten Lebensgeschichten konfrontiert. Die sind im Buch kursiv eingefügt.
Ihre neue Chefin, Frau Kramer – Michels, sendet recht widersprüchliche Signale. Als Leser habe ich ab und an den Eindruck, sie könne auch eine Beratung gebrauchen.
„...Wissen Sie, Orchideen sind ein bisschen so wie Menschen. Man darf ihnen nicht zu viel und nicht zu wenig Aufmerksamkeit schenken...“
Zu Agnes` Aufgaben gehört es, jede Pflanze einmal pro Woche mit einem Eierbecher voll Wasser zu versorgen.
Dann steht plötzlich ein Mann vor Agnes` Tür, drückt ihr einen Schlüssel in die Hand und bittet sie, sich um seinen Onkel zu kümmern, der gegenüber wohnt. Eigentlich will Agens dem alten Mann später nur den Schlüssel zurückbringen, doch plötzlich fühlt sie sich verantwortlich. Sie erlebt, wie er nach und nach durch Demenz seine Geschichte verliert. Hier bedient sich die Autorin einer sehr behutsamen und einfühlsamen Sprache. Anfangs hat er noch aus seinem Leben erzählt.
„...Ich war Soldat im Krieg. Die Details tun doch nichts zur Sache. Aber glauben Sie mir, Fräulein Agnes, im Krieg gibt es immer nur Verlierer – auf allen Seiten...“
Wie aber ist Agnes´ eigene Geschichte? Sie selbst glaubt, dass sie keine hat. Dabei ist es eine ganz Besondere.
Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Hier lässt die Autorin zum Teil auch das Leben von Protagonisten aus ihren anderen Büchern einfließen.