Ruhig erzählte, bewegende Geschichte über Verbindungen
Die Paradiese von gestern war so ein Buch, das ich gar nicht aus der Hand legen wollte, bei dem ich aber gleichzeitig auch immer wieder bewusst Pausen gemacht habe, damit es nicht so schnell endet. Aber ...
Die Paradiese von gestern war so ein Buch, das ich gar nicht aus der Hand legen wollte, bei dem ich aber gleichzeitig auch immer wieder bewusst Pausen gemacht habe, damit es nicht so schnell endet. Aber auch in diesen Pausen hat es mir immer sehr viel Stoff zum Nachdenken gegeben.
Ella und René sind frisch verliebt. Nach der Wende macht das junge Paar aus Ostdeutschland eine Reise nach Südfrankreich. Nach ein paar Tagen landen sie nachts beim heruntergekommenen Weinschloss der Madame de Violet. Dieses ehemalige Hotel hatte seit Jahren keine Gäste und dient nur noch Charlotte de Violet und ihrem verschwiegenem Diener Vincent als Zuhause.
Um das Haus steht es sehr schlecht und Charlotte ist schon lange nicht mehr glücklich mit ihrem Leben. Ihr Suizid ist geplant und ihr Leben soll nach einem letzten Dinner beendet sein. Ein Dinner mit Konsequenzen. Nicht nur ihre letzten Gäste die redselige, extrovertierte Ella und der ruhige, verkopfte René sitzen am Tisch, auch Charlottes Sohn Alain taucht auf und löst einen großen Streit aus. Auch die Beziehung von Ella und René wird dabei auf die Probe gestellt.
Ich kann euch leider nicht mehr über den Inhalt verraten. Es entwickeln sich unterschiedliche Dynamiken und bewegende Geschichten kommen ans Licht, die mich alle total gekriegt haben. Die Charaktere sind so anstrengend, wie sie faszinierend sind. Aber sie sind so realistisch und ihre Beweggründe so gut dargestellt, dass es mir sehr leicht gefallen sind, mich auf sie einzulassen. Mario Schneider beweist hier eine besondere Beobachtungsgabe und bringt uns die Charaktere feinfühlig näher.
“Ein Glück ist umso größer, je unwahrscheinlicher es ist”
Besonders wird dieses Buch aber vor allem, durch den wundervollen Schreibstil. Die zarte Sprache des Autors hat mich total gefesselt. Viele Situationen hatte ich bildlich vor Augen und gerade die Szenen im Schloss waren atmosphärisch und einfach wunderschön.
"Aber eines muss ich anmerken, Mademoiselle, Sie haben gesagt, man durfte nicht alles sagen, was man denkt. Das ist sicher scheußlich, hier bei uns können Sie alles sagen, aber es interessiert niemanden. Ich weiß eigentlich nicht, was schlimmer ist."
Außerdem tauchen wir im Laufe des Buches in die Welt der Reichen und Schönen ein und erleben eine Reise nach Paris. Ostdeutsche sind hier eher eine Attraktion zu der Zeit und diesen Kontrast zu sehen, ist sehr Interessant. Vor allem, die Diskussionen über Themen wie Kapitalismus zwischen Menschen aus unterschiedlichen Welten.
Die Paradiese von gestern ist ein wunderschönes Buch über tiefe Verbindungen, mit einem großartigem Setting und echten Charakteren. Eine klare Empfehlung an alle, die es mögen, wenn Geschichten etwas mehr vor sich hinplätschern und dabei eine packende Atmosphäre erzeugen.