Hamlet nach Haig – nur unterhaltsamer.
Matt Haigs neuer Roman ist Shakespeares Rachetragödie nachempfunden und bietet, wie vom Autor gewohnt, philosophische Ansätze, Charme und Humor.
Erzählt wird aus der Sicht von Philip Noble – Typ-Einzelgänger, ...
Matt Haigs neuer Roman ist Shakespeares Rachetragödie nachempfunden und bietet, wie vom Autor gewohnt, philosophische Ansätze, Charme und Humor.
Erzählt wird aus der Sicht von Philip Noble – Typ-Einzelgänger, der sich in der Schule mit Mobbing herumschlagen und nun auch den plötzlichen Tod seines Vaters verkraften muss.
Immer häufiger taucht seit dem Onkel Alan zu Hause auf, schmiegt sich an seine Mutter – und Philip? Der sieht den Geist seines Dads, der den vermeintlichen Unfall eine Lüge straft. Es ist an dem Jungen, ihn zu rächen. Denn nur wenn sein Sohn den Täter zur Strecke bringt, kann er in Frieden ruhen ...
Ganz schön viel Tobak für ein trauriges Kind, oder?
Etliche Aspekte der Geschichte stimmen nachdenklich, animieren zum mitfiebern und – zumindest erging es mir so – lösen Stress aus. Denn wer vermutet, hier ist ein verständnisvoller Vater am spuken, der irrt. Dieser Geist ist fordernd, zornig, setzt den Protagonisten unter Druck und erpresst ihn emotional. Mich machte das mehrfach wütend, und ich verstand Phils Zwiespalt, litt mit ihm, haderte.
Denn was ist Wahr, was Wahn; was Richtig und was Falsch?
»𝗠𝗮𝗻𝗰𝗵𝗺𝗮𝗹 𝗺𝘂𝘀𝘀 𝗺𝗮𝗻 𝗲𝘁𝘄𝗮𝘀 𝘁𝘂𝗻, 𝘄𝗮𝘀 𝗳𝗮𝗹𝘀𝗰𝗵 𝗶𝘀𝘁, 𝘂𝗺 𝗲𝘁𝘄𝗮𝘀 𝗚𝗿𝗼𝗲ß𝗲𝗿𝗲𝘀 𝘇𝘂 𝘁𝘂𝗻, 𝗱𝗮𝘀 𝗿𝗶𝗰𝗵𝘁𝗶𝗴 𝗶𝘀𝘁.«
In vielen Rezensionen wird der Ton der Geschichte kritisiert. Ich möchte darauf hinweisen, dass das Geschehen aus der Perspektive eines Kindes wiedergegeben wird. Heißt: hochtrabende Worte und konsequente Taten würden der Authentizität keinen Gefallen tun. Wir bekommen Naivität und Angst, sind Teil von Problemen und Gedanken(gängen), die dem Alter entsprechen. Philipp hinterfragt Kleinigkeiten, ist begeisterungsfähig, lernt und versucht sich am Klang von Worten. Und dabei schmiedet er halbgare Pläne, um seinen Onkel unter die Erde zu- und seine Mutter von ihren rosa Plänen abzubringen.
Durch die – beeinflusste – Sicht des Jungen können sich die LeserInnen nie sicher sein, was für ein Mensch der potenzielle Mörder wirklich ist – dieser Umstand hält das Interesse zusätzlich der Frage, ob es den Geist wirklich gibt oder er nur eine Folge der Trauerverarbeitung, eine Antwort auf das "Warum?" ist, aufrecht.
Während des Verlaufs bringt der Autor neue Menschen in das Leben des Elfjährigen, manifestiert und verändert Dynamiken, überrascht mit ungeahnten Ereignissen. Mit Lügen, deren Konsequenzen auf ewig nachhallen, mit Schuld.
Leider empfand ich das Ende weder rund noch schlüssig und im Gesamten zu abrupt.
Schonungslos ehrlich, trocken und humorvoll, ohne an Ernst und Gefühlen einzusparen, detailreich, ohne sich in Nichtigkeiten zu verlieren – das ist „𝐍𝐚𝐜𝐡𝐫𝐢𝐜𝐡𝐭 𝐯𝐨𝐧 𝐃𝐚𝐝“.