Cover-Bild Der Hochsitz
22,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Rowohlt
  • Themenbereich: Belletristik - Krimi: Weibliche Ermittler
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 272
  • Ersterscheinung: 20.07.2021
  • ISBN: 9783498002084
Max Annas

Der Hochsitz

1978, ein Dorf in der Eifel: Sanne und Ulrike haben Osterferien. Wenn sie nicht auf dem Hof helfen müssen, düsen sie mit ihren Fahrrädern durch die Gegend und kriegen alles mit. In zwei Monaten ist Fußball-WM, die Mädchen bekommen aber einfach nicht genug Hanuta-Bilder für ihre Sammelalben. Also schneiden sie ein paar Männerköpfe aus dem Fahndungsplakat in der Post. Denn das ganze Land ist gerade in Aufruhr über drei Buchstaben. RAF. Und dann geschieht tatsächlich ein Bankraub. Festgenommen wird der einzige Langhaarige im Dorf. Dass er es nicht gewesen sein kann, wissen Sanne und Ulrike genau. Und sie wissen noch viel mehr, Sachen, die nicht nur die Polizisten in der nächsten Kleinstadt interessieren würden ...

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 02.10.2021

Interessant gemachter Krimi

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REZENSION – Mit seinem neuen Roman „Der Hochsitz“, im Juli beim Rowohlt Verlag erschienen, wagt sich der für seine Kriminalromane bereits fünf Mal mit dem Deutschen Krimipreis ausgezeichnete Schriftsteller ...

REZENSION – Mit seinem neuen Roman „Der Hochsitz“, im Juli beim Rowohlt Verlag erschienen, wagt sich der für seine Kriminalromane bereits fünf Mal mit dem Deutschen Krimipreis ausgezeichnete Schriftsteller Max Annas (58) in die entlegensten Niederungen westdeutscher Provinz gegen Ende der Siebziger Jahre und widerlegt mit seiner facettenreichen Geschichte die gängige Meinung, auf dem Land sei die Welt noch in Ordnung. Doch dieser Schein trügt: In einem kleinen Eifel-Dorf an der Grenze zu Luxemburg werden Banken ausgeraubt, Drogen geschmuggelt, zwei RAF-Terroristinnen verbergen sich im Wald, ein Deutsch-Amerikaner bietet Bauern für ihre Höfe überhöhte Summen und dann gibt es sogar noch einen Mord. Der Dorfpolizist fühlt sich von Amts wegen nicht zuständig, den Kriminalbeamten aus der Stadt fehlt der nötige Durchblick.
Zum Glück sind gerade Osterferien. So haben die Schülerinnen Sanni und Ulrike viel Zeit, sich neben ihrer Jagd nach Fußballer-Klebebildern fürs selbstgebastelte Sammelalbum – die WM '78 in Argentinien steht bevor – auch noch den Mörder zu jagen. „Wir sind elf Jahre alt. Aber wir sind nicht blöd. Würden sie [die Erwachsenen] uns ernster nehmen, wenn wir Jungs wären? Vielleicht. Wahrscheinlich. Ganz sicher eigentlich.“ Sanni ist die Forschere von beiden und Erzählerin, braucht aber die Besonnene: „Ulrike ist schlau. Sonst wäre sie auch nicht meine beste Freundin.“
Von den Erwachsenen unverstanden, ziehen sie sich in ihre eigene Welt zurück: „Wenn man sich ernsthaft unterhalten will, muss man einen Ort haben, an dem das überhaupt möglich ist. [….] Zum Glück haben wir den Hochsitz. [….] Wir stehen lange auf der Plattform und gucken auf unser Dorf. Einfach so.“ Sanni und Ulrike beobachten im Dorf viel, auch wenn sie nicht alles verstehen. Aber dass der einzige Langhaarige nicht der Bankräuber sein kann, das wissen sie genau, denn ihn haben sie zum Tatzeitpunkt mit einer Blondine im Heuschober beobachtet. Doch den Mörder des Motorradfahrers vom Petershof wollen sie finden. So machen sie sich beim Austragen des Anzeigenblattes bei Abwesenheit der Hausbewohner auf detektivische Suche nach dem schwarzen Anzug, dem Umhang und Schlapphut und vor allem dem Drillingsgewehr des Täters.
Aus Andeutungen bastelt Max Annas ein schillerndes Kaleidoskop des Jahres 1978: Es ist die Zeit des RAF-Terrors, der im Krimi durch zwei junge Frauen in die Provinz vordringt. Wir erfahren von dunklen Machenschaften in der NS-Vergangenheit, die erst jetzt ihren Rächer finden. Schließlich erfahren wir, dass mit dem Drogenschmuggel die organisierte Kriminalität auch in diesem beschaulichen Winkel Westdeutschlands bereits Fuß gefasst hat. Doch all dies verstehen Sanni und Ulrike nicht und sie interessieren sich nicht dafür. Sie schneiden lieber ein paar Fotos aus einem Fahndungsplakat aus und kleben das Porträt des gesuchten Christian Klar neben Rainer Bonhof ins Sammelalbum, weil ihnen noch Bilder deutscher Fußballer fehlen.
„Der Hochsitz“ ist ein ungewöhnlicher, in seinem Aufbau gewöhnungsbedürftiger, aber gerade deshalb interessant gemachter Krimi: Mehrere Handlungsstränge laufen nebeneinander, kreuzen sich gelegentlich. Es scheint anfangs an durchgängiger Handlung zu fehlen. Momentaufnahmen wirken zusammenhanglos. Beobachtungen der beiden Mädchen, von ihnen selbst oft nicht verstanden, kommen hinzu. Was nur scheinbar wie ein „Hanni&Nanni“-Roman für Erwachsene beginnt, entlarvt kaleidoskopartig die bundesdeutsche Provinz und ihre Bewohner als nicht so harmlos, wie man glauben mag.

Veröffentlicht am 22.07.2021

Osterferien 1978

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Die beiden 11jährigen Mädchen Sanne und Ulrike haben den Ort im Blick. Von dem Hochsitz aus beobachten sie und damit wissen sie auch einiges, was sie eigentlich nichts angeht. Doch eigentlich wollen sie ...

Die beiden 11jährigen Mädchen Sanne und Ulrike haben den Ort im Blick. Von dem Hochsitz aus beobachten sie und damit wissen sie auch einiges, was sie eigentlich nichts angeht. Doch eigentlich wollen sie am Liebsten Bilder von Fußballern ergattern, denn im Sommer ist die WM. Dabei müssen sie sich ganz schön schlau anstellen, denn die Jungs geben ihnen nichts ab und von den Eltern gibt es kein zusätzliches Taschengeld. Aber die Bilder von den Fahndungsplakaten würden passen. Als in der Nähe ein Bankraub verübt wird, gibt es gleich einen Verdächtigen. Und ein geheimnisvoller Fremder bereist die Gegend.

Wie spannend sind Osterferien oder Ferien überhaupt für die Kinder. Mit ihrer Phantasie können sie aus allem etwas machen und sie sind gewitzt genug, um richtige Schlüsse zu ziehen. Und mit elf Jahren beginnen sie, sich dem Einfluss der Eltern zu entziehen. Nur Gefahren können sie noch nicht richtig einschätzen. Und geraten die Ferien zu einem richtigen Abenteuer. Die Mädchen versuchen an die Bilder zu kommen, wozu auch schon mal die Verstecke der Jungs gefunden werden müssen. Und sie bekommen mehr vom echten Leben mit als ihnen eigentlich guttut. In einem beschaulichen Dorf geschieht mitunter mehr als ein Außenstehender vermuten würde.

Ferien in den 1970ern, das Leben ist oberflächlich ruhig, doch die Jugend ist rebellisch. Manchmal äußert sich das im Drogenkonsum, manchmal geschehen tödliche Unfälle und das Thema Terrorismus ist in aller Munde. Der kleine Ort an der Grenze zu Luxemburg wirkt wie ein Abbild eines beliebigen Ortes zu dieser Zeit, wobei es der Autor hervorragend versteht aus einer Schilderung der Ferienerlebnisse einen tollen Spannungsroman zu machen. Der Art der Erzählweise ist dabei möglicherweise geschuldet, dass einige Dinge vage bleiben. Dennoch kann man sich gut in die beiden 11jährigen hineinversetzten, die langsam aufmüpfig werden, aber noch nicht damenhaft sein müssen. Frech und burschikos radeln sie durch die Gegen, wobei immer eine vorneweg ist. Was entspringt der Phantasie der Kinder, was landet auf dem Schreibtisch von Ortspolizist Reiter? Ein fesselndes Ferienbild, das Erinnerungen an die eigenen Ferien weckt.