Irgendwo in Virginia arbeitet Sophie Braam als Barkeeperin in einer Bar, ihr Klientel besteht in erster Linie aus erfolgreichen Männern, aus der Geschäftswelt. Oft muss sie Aufdringlichkeiten aushalten, auch wenn sie da durchaus so einiges gewohnt ist. Als jedoch einer von ihnen in der Silvesternacht sich nicht nur an ihren teuren Wein vergreift, sondern auch Sophies Nein nicht akzeptieren will, brennen bei ihr alle Sicherungen durch. Kurz darauf wird die junge Polizistin Nora in Sophies Stadt versetzt. Auch sie hat mit vielen Vorurteilen und Aufdringlichkeiten ihrer männlichen Kollegen zu kämpfen. Zufällig lernt sie Sophie kennen und irgendwie freunden sich die beiden Frauen miteinander an. Als jedoch eine männliche Leiche nach der nächsten auftaucht, muss Nora nach einem Serienkiller ermitteln, dem sie näher ist, als sie ahnt.
Ein Thriller mit einer weiblichen Serienkillerin? Klang spannend, wollte ich unbedingt lesen und auch wenn ich beim Einstieg in den Thriller noch ein paar Schwierigkeiten hatte, wurde ich doch mehr und mehr gefesselt.
Der Schreibstil ist absolut ungewöhnlich, trotz aller Brutalität, die auch teilweise sehr schonungslos beschrieben wird, wirkt die Sprache beinahe poetisch und anmutig. Bilder entstehen im Kopf und lassen so schnell nicht mehr los und je mehr man von Sophie, aber auch von Nora erfuhr, desto mehr fand man die ein oder andere Situation, die man als Frau leider kennt. So ist der Titel hier nicht nur ausschlaggebend als Hinweis, dass die Polizistin bereits die Mörderin kennt, sondern auch klar und deutlich an Frauen gerichtet, die vieles hier ebenfalls kennen.
Da der Leser hier von Beginn an weiß, wer die Mörderin ist, scheint also erstmal der reine Kriminalfall in den Hintergrund zu rücken. Vielmehr erlebt man Sophie, wie sie immer mehr verrückt wird, wie ihre Gedanken immer wirrer werden und wie sie trotzdem schafft, nach außen hin völlig normal zu wirken. Wir erleben Situationen aus dem Alltag einer Barkeeperin, mit Sprüchen wie, „Nun hab dich doch nicht so“. Diesen Satz kennen wohl so oder so ähnlich viele Frauen, denn auch Nora muss sich immer wieder mit dem Mobbing der männlichen Kollegen auseinandersetzen. Klar ist, dass Frauen oft noch weit entfernt sind von der Gleichberechtigung.
So ist dieser Thriller auch kein typischer Thriller, auch wenn man immer wieder ein wenig von Ermittlungen mitbekommt und auch den Morden beiwohnt. Stattdessen ist die Spannung oft unterschwellig, man folgt den Gedanken der beiden Protagonistinnen aus wechselnden Perspektiven und kann sich so in beide gut hineinversetzen.
Das die Autorin Erfahrung als Barkeeperin hat, ist durchaus spürbar, denn sie beschreibt das Klientel sehr authentisch, sehr glaubhaft und auch Sophies Handlungen sind dadurch lebendig.
Sophie ist sowieso eine ungewöhnliche Protagonistin, bei der ich zwar ihre Übersprungshandlungen, den Morden, mit Abscheu begegne, deren Cleverness mich aber durchaus beeindruckt hat. Während in ihr der Hass brodelt, schafft sie es trotzdem eine Maske zu tragen und ihre unerträglichen Gäste mit einem Lächeln zu bedienen. Nach ihrem ersten Mord übertritt sie eine Schwelle, ihre Abscheu gegenüber den Männern, die sie bedienen muss, entlädt sich immer mehr, doch nach außen hin bemerkt man es nicht.
Somit ist es auch kein Wunder, dass sich die Polizistin Nora zu ihr hingezogen fühlt und sich eine Freundschaft zwischen den beiden entwickelt. Doch auch Nora ist unheimlich clever, auch wenn sie eine stille Beobachterin ist, zieht sie Verbindungen, die anderen entgehen. Gerade diese beiden Protagonistinnen haben dieses Buch für mich auch zu etwas besonderem gemacht.
Mein Fazit: Wer hier einen klassischen Thriller mit einer rasanten Jagd oder einem Katz und Maus Spiel erwartet, könnte enttäuscht werden, denn die Spannung bleibt eher ruhig. Trotzdem haben mich die beiden Frauen und all ihre Gedanken und Gefühle fesseln können. Viele der angesprochenen Handlungen in der Bar sind alles andere als unvorstellbar. Wer neugierig auf das Buch ist, sollte einmal hineinlesen, denn es ist durchaus lesenswert.