Der erste Fall für Hugh de Singleton
Mel Starr, amerikanischer Autor aus Michigan und zugleich Experte für die Geschichte der Chirurgie sowie für Sprache und Kultur Englands im Mittelalter präsentiert mit „Verräterische Gebeine. Der erste Fall für Hugh de Singleton“ den ersten Teil einer historischen Krimireihe. In insgesamt siebzehn Buchkapiteln erfährt der interessierte Leser die Geschichte eines Mordfalls und darf sich an der Seite des Protagonisten an der akribischen Suche nach den Schuldigen beteiligen.
Der Ich-Erzähler Hugh de Singleton, vierter Sohn eines unbedeutenden Ritters aus der Grafschaft Lancashire, wird nach Fürsprache des Dorfpriesters zum Studium nach Oxford geschickt. Nach sechs Jahren wendet er sich schließlich der Chirurgie zu, und behandelt nach der Eröffnung seiner ersten Praxis Lord Gilbert, dem Eigentümer von Burg Bampton. Dieser macht ihm ein verlockendes Angebot, dem er einfach nicht widerstehen kann. Und so verlässt Hugh Oxford und übersiedelt nach Bampton, wo er nach dem Fund eines menschlichen Skeletts in der Unrat Grube der Burg von Lord Gilbert mit der Ermittlungsarbeit beauftragt wird. Es ist seinem Beruf zu verdanken, dass Hugh die Spuren an den Knochen rasch zu deuten und die Todesursache herauszufinden vermag, die Ermittlungsarbeiten zur Aufklärung des Falles jedoch erweisen sich als langwierig. Noch dazu versteht es Lord Gilberts bezaubernde Schwester Joan, Hughs Dienste als Chirurg in Anspruch zu nehmen und ihn von seinen Aufgaben abzulenken...
Ich muss gestehen, dass ich angesichts der Leseprobe ein klein wenig zögernd auf dieses Buch zugegangen bin. Grundsätzlich bin ich von Geschichten, die aus der Sicht eines Ich-Erzählers dargeboten werden, nicht begeistert. Mel Starr konnte diese kleine Eigenheit, die mich bereits von so manch gutem Buch abgehalten hat, vollständig beiseite räumen. Ich kann den Schreibstil dieses Buches nur als exzellent bezeichnen, die wunderschöne, teilweise auch mit Humor gespickte Sprache, die gewählten und der Zeit des vierzehnten Jahrhunderts angepassten Worte fand ich authentisch und vollkommen überzeugend. Mel Starr beschreibt die Welt der feudalen Burgherren, die Lebensumstände der Burgbewohner, aber auch jene der armen Bevölkerungsschicht, die ein karges Dasein fristeten und dazu angehalten waren, ihren Burgherren zu dienen. Der lebendige Schreibstil des Autors gepaart mit dem Spannungsniveau der Krimihandlung machte es mir äußerst schwer, das Buch aus der Hand zu legen. Hugh de Singleton entdeckt einige Auffälligkeiten und Hinweise, verfolgt diese zielstrebig, wird auch von falschen Fährten abgelenkt, um jedoch letztendlich die Schuldigen mit Hilfe von Lord Gilbert zur Rechenschaft zu ziehen. Der sympathische und bescheidene Protagonist punktet nicht nur mit seinem fachlichen Wissen, sondern entwickelt dank seines Auftraggebers ein kriminalistisches Gespür. Darüber hinaus hat der Mann sein Herz auf dem rechten Fleck und versucht den Menschen zu helfen, wo immer es ihm möglich ist. Hugh de Singleton ist zudem gläubig, und der Christliche Glaube wird dezent in die Handlung eingeflochten.
Besonderes Augenmerk wurde meiner Meinung nach auch auf die optische Gestaltung dieses Buches gelegt. Das Buchcover punktet mit pergamentfarbenem Hintergrund und wunderschönen blutroten Lettern, die ornamental gestaltet den Titel präsentieren. Darunter werden chirurgische Instrumente dargeboten, ein zentral platzierter, tiefroter Blutfleck zieht das Auge des Betrachters unweigerlich auf sich. Auch das meines Erachtens unumgängliche Glossar sollte erwähnt werden. Hier erläutert der Autor sehr viele im Buch vorkommende Begriffe, deren Bedeutung man in der heutigen Zeit kaum noch kennt, die aber für das Verständnis des Inhalts äußerst relevant ist. Eine detaillierte Karte von Bampton hilft dem Leser, sich anhand der für die Handlung markanten abgebildeten Orte, zurechtzufinden.
Fazit: „Verräterische Knochen“ war ein Buch, das mich restlos begeistert hat. Ich freue mich bereits auf den Nachfolgeband und kann die Lektüre dieses historischen Kriminalromans, der noch dazu mit einem wundervollen Sprachstil punktet, uneingeschränkt weiterempfehlen.