Cover-Bild Generation haram
20,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Zsolnay, Paul
  • Themenbereich: Gesellschaft und Sozialwissenschaften - Pädagogik
  • Genre: Sachbücher / Politik, Gesellschaft & Wirtschaft
  • Seitenzahl: 192
  • Ersterscheinung: 17.08.2020
  • ISBN: 9783552072107
Melisa Erkurt

Generation haram

Warum Schule lernen muss, allen eine Stimme zu geben
„Das Buch von Melisa Erkurt sollte Lektüre werden in der Ausbildung von Pädagog*innen und Lehrkräften. Es zeigt präzise, pragmatisch, konstruktiv die Verfehlungen und Unwegsamkeiten der Bildungssysteme, in denen viele Kinder aus ‚bildungsfremden‘ Familien auf der Strecke bleiben … Eine Wucht!“ Saša Stanišic

Melisa Erkurt ist als Kind mit ihren Eltern aus Bosnien nach Österreich gekommen. Sie hat studiert. Sie arbeitet als Lehrerin und Journalistin. Sie hat es geschafft. Doch sie ist eine Ausnahme. Denn am Ende eines Schuljahres entlässt sie die Klasse mit dem Wissen, dass die meisten ihrer Schülerinnen und Schüler nie ausreichend gut Deutsch sprechen werden, um ihr vorgezeichnetes Schicksal zu durchbrechen. Hier wächst eine Generation ohne Sprache und Selbstwert heran, der keiner zuhört, weil sie sich nicht artikulieren kann. Über den „Kulturkampf“ im Klassenzimmer befinden einstweilen andere. Melisa Erkurt leiht ihre Stimme den Verlierern des Bildungssystems. Nicht sie müssen sich ändern, sondern das System Schule muss neue Wege gehen.

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 24.11.2020

Ein absolutes Muss

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Inhalt:
Melisa Erkurt schreibt über das Schulsystem in Wien, über ihren eigenen Weg bis hin zum Studium, Beruf als Lehrerin und Journalistin. Doch sie gilt als eine Ausnahme, als eine der wenigen "Vorzeigemigrantinnen", ...

Inhalt:
Melisa Erkurt schreibt über das Schulsystem in Wien, über ihren eigenen Weg bis hin zum Studium, Beruf als Lehrerin und Journalistin. Doch sie gilt als eine Ausnahme, als eine der wenigen "Vorzeigemigrantinnen", welche es in Österreich geschafft, die Sprache gelernt, Karriere gemacht und sich zum Vorbild für zahlreiche Kinder und Jugendliche hochgearbeitet haben. Aber es sind nicht die Eltern, welche ihre Kinder nicht unterstützen können, und nicht die Kultur, welche bei einigen ausländischen Kindern gelebt wird, welche den Kindern Steine in den Weg legen. Es sind auch nicht die Lehrpersonen, welche alleine die Schuld an dieser Misere tragen.
Es ist die Schulpolitik - respektive von bürgerlichen alten, weissen Männern gefällte Entscheide - welche gar nicht erst Spielraum lässt und vor allem für die Zusammensetzung der heute an vielen Orten anzutreffenden Schulklassen überhaupt nicht mehr zeitgemäss ist. Es sind die fehlenden Vorbilder und der gläserne Deckel, welche Kinder und Jugendliche gezielt in ihrem Werden beschneidet und genau dagegen schreibt Melisa Erkurt an. Sie zeigt Missstände auf, erzählt aber auch, welche Dinge und Menschen ihr geholfen haben, ihren Weg zu gehen.

Meine Meinung:
Zuerst einmal muss ich ehrlich sagen, dass ich schockiert bin von den Erlebnissen, die Melisa Erkurt aus ihrer eigenen Erinnerung als Schülerin und Lehrerin beschreibt, vom Rassismus und Sexismus, den sie am eigenen Leib erlebt hat und miterleben musste und auch vom Schulsystem, das wohl an einigen Orten in Wien anzutreffen ist. Auch haben mich die Schilderungen von Erkurts Familienleben sehr stark berührt. Ihr Vater erinnert mich an meinen Schwiegervater und einige der Kommentare und Vorurteile sind mir und meiner Schwiegerfamilie leider nur allzu vertraut, weshalb mich das Buch einige Male zum Weinen gebracht hat.
Was Erkurt an Rassismus - vor allem, aber nicht nur - gegen muslimische Kinder und Lehrpersonen schildert, ist harte Kost und wie gezielt sie auch auf die Sexismuskomponente eingeht (was fast noch verstörender zu lesen ist) und dafür plädiert, Mädchen und junge Frauen endlich zu stärken, ihnen eine Stimme zu geben und alle Jugendlichen - unabhängig von Geschlecht und Herkunft - besser und feministischer aufzuklären und auszubilden, hat mich so viele Ausrufezeichen in dieses Buch malen lassen.

Was lerne ich für meinen Beruf aus diesem Buch?
Es befällt mich eine Ohnmacht, wenn ich daran denke, dass ich auch Teil eines Schulsystems bin und in meinem so kleinen Bereich noch weniger erreichen kann, als Erkurt. Wer lernt ein Instrument an einer Musikschule? Kinder, deren Eltern es sich leisten können. Also in der Regel keine Flüchtlinge, schlecht Deutsch sprechende und nicht mit unserer Kultur vertrauten Kinder (obwohl der Instrumentalunterricht in der Schweiz für genau diese Kinder eigentlich bezahlt werden würde, aber es ist kaum möglich, deren Familien zu erreichen, weil sie oft so sehr beschäftigt damit sind, zu arbeiten und sich und ihre Kinder über Wasser zu halten). Gleichzeitig bin ich aber auch dankbar dafür, in einem eingiermassen stabilen Bildungssystem arbeiten zu dürfen und im Einzelunterricht noch gezielter und viel auführlicher auf jedes Kind eingehen zu können, als Lehrpersonen, welche komplett durchmischte Klassen mit viel zu vielen Kindern in viel zu engen Räumen unterrichten müssen, wie dies an einigen der Schulen geschieht, die Melisa Erkurt schildert.
Was lerne ich aber für mich und meinen Beruf aus dem Buch?
Es ist wichtig, noch sichtbarer zu sein, Eltern noch gezielter zu erreichen (gerade aktuell fast unmöglich) und sie auch auf die Stellen aufmerksam zu machen, welche ihren Kindern den Unterricht bezahlen, sofern er denn stattfinden kann. Ausserdem brauchen die Kinder und Familien Vorbilder und einmal mehr bin ich so froh, dass mein bosnischer Nachname bei Besuchstagen und Instrumentenparcours die Hemmschwelle bei Kindern und Eltern senkt und sie auf mich zukommen lässt.

Meine Empfehlung und Fazit:
Ich werde das Buch wohl noch vielen Menschen empfehlen, es wirft so wichtige Fragen auf und fasst schonungslos zusammen, was alles schief läuft, zeigt aber auch auf, wie dies verändert werden kann. Was wir alle lernen müssen: zu verstehen, dass multilinguale Menschen, die zudem vielleicht noch in mehreren Kulturen zu Hause sind und sich bereits sehr selbstständig um sich und ihre Ausbildung kümmern müssen, weil dies von ihren Betreuungspersonen nicht immer gewährleistet werden kann, in erster Linie eine Bereicherung sind. Nicht nur für unser Bildungssystem, sondern auch für unser alltägliches soziales Leben, unsere Politik und Kultur. Jungen Menschen eine Chance zu geben und an sie zu glauben kann aufreibend und mit vielen Hindernissen verbunden sein, aber nur weil eine Lehrerin ihr Vertrauen in Melisa Erkurt gehabt und sie permanent bestärkt hat, durfte ich dieses Buch lesen und haben so viele Menschen eine Stimme bekommen, die von dem System, in dem sie leben und ausgebildet werden zum Verstummen gebracht worden sind.

Veröffentlicht am 15.07.2021

Man muss nicht allem zustimmen, sollte es aber dennoch lesen

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Melisa Erkurt, die als Baby aus Bosnien nach Österreich gekommen ist und heute als Journalistin arbeitet, möchte hier den Verliererinnen und Verlierern des Bildungssystems ihre Stimme leihen – und bei ...

Melisa Erkurt, die als Baby aus Bosnien nach Österreich gekommen ist und heute als Journalistin arbeitet, möchte hier den Verliererinnen und Verlierern des Bildungssystems ihre Stimme leihen – und bei denen handle es sich vor allem um die Kinder und Jugendlichen mit Migrationshintergrund.
Sie schildert eigene Erlebnisse sowie die Ansichten diverser Personen, zu denen sie im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit oder auch privat Kontakt hatte und garniert dies mit einigen allgemeinen Betrachtungen – alles mit dem Grundtenor, wie schwer es doch Einwanderer hätten, wie wenig Verständnis autochthone Österreicher für sie aufbrächten und auf welche Weisen sie diskriminiert würden.

Der Autorin ist jedenfalls zugute zu halten, dass sie im Gegensatz zu manch anderen, die sich berufen fühlen, zu diesen Themen Stellung zu nehmen, tatsächlich über eigene diesbezügliche Erfahrungen verfügt. Wenngleich sich diese hauptsächlich auf ihr Dasein als Schülerin mit Migrationshintergrund beziehen. Ihren Job als Lehrerin hat sie gerade mal ein Jahr ausgeübt, bevor sie sich wieder ganz dem Journalismus widmete.
Immerhin ist ihr Bericht lebendig und es werden viele verschiedene Aspekte angesprochen. Für mich hat jedoch etwas der rote Faden gefehlt. Die Ausführungen springen von einem Punkt zum nächsten.

Vor allem aber ist die Darstellung sehr einseitig. Egal, mit welchen Unannehmlichkeiten sie bzw die Menschen, mit denen sie sympathisiert, konfrontiert werden, Schuld sind immer die anderen.
Wobei manche Beschwerden beinahe absurd wirken: Wenn Frau Erkurt beispielsweise darüber klagt, dass sie häufig ihren Namen buchstabieren muss. Dieses schlimme Schicksal teilt sie wohl mit hunderttausenden „alteingesessenen“ Österreichern, die Meier/ Mayer/ Mayrhofer etc oder Schmied/ Schmitt/ Schmidt heißen oder deren Name ein ss oder ß beinhaltet usw. Und wenn ich jedes Mal einen Cent bekäme, wenn mein Vorname (überwiegend von Personen mit nicht-deutscher Muttersprache) „Carin“ geschrieben wird ...
Auch ist es sicher richtig, dass man, wie hier immer wieder betont wird, die Kinder nicht für ihre Eltern bestrafen darf oder Rücksicht auf traumatische Erfahrungen nehmen muss, die ein Schüler möglicherweise gemacht hat. Allerdings darf eine schwierige Vergangenheit oder ein „bildungsfernes“ Elternhaus doch auch keine Ausrede dafür sein, nicht einmal zu versuchen, einen Platz in der Gesellschaft zu finden.

Dennoch sollte dieses Buch gelesen werden, nicht nur aber vor allem auch von Leuten, die sich mit Reformen im Bildungswesen oder Integrationsmaßnahmen befassen. Es enthält durchaus auch wichtige Aussagen und erhellende Einsichten.
Obwohl ich vielen Ansichten der Autorin nicht zustimme, sollte außerdem anerkannt werden, dass derartige Ansichten in Teilen der Gesellschaft existieren und es daher notwendig ist, sich mit ihnen auseinander zu setzen