Tolles Buch!
RAUSCH UND KLARHEIT
Mia Gatow
„Bei mir war es auch noch nicht so schlimm. Die wichtigsten Punkte der Katastrophencheckliste waren bei mir noch offen. Nicht täglich getrunken. Nicht morgens getrunken. ...
RAUSCH UND KLARHEIT
Mia Gatow
„Bei mir war es auch noch nicht so schlimm. Die wichtigsten Punkte der Katastrophencheckliste waren bei mir noch offen. Nicht täglich getrunken. Nicht morgens getrunken. Keine zitternden Hände. Ich war das, was man nach unserer neoliberalen Verwertungslogik „funktional“ nennt. Ich hatte einen Hochschulabschluss, einen Job, einen Boyfriend, eine ebenmäßige Haut und Kleidergröße 36, und niemand, der mich kannte, dachte, dass ich besonders auffällig trank. Ich war eben ein Partygirl.“ (S. 18)
Mia feierte einfach gern. In ihrer Familie war Alkohol immer präsent – das „Alkohol-Gen“ lag ihr quasi im Blut. Während ihre Urgroßmutter den „Stoff“ noch als Klosterfrau Melissengeist aus der Apotheke holte, war ihre Oma Martha Teil der Nachkriegsgeneration, die hart arbeitete und ebenso trank. Ihr Vater, dem sie ambivalent gegenüberstand, rauchte und trank ebenfalls. Während ihrer Kindheit war Mia oft damit beschäftigt, ihm Kippen und Bier von der Tankstelle zu holen.
Warum sollte sie selbst also nicht trinken? In ihrer Generation und kulturellen Blase war Alkohol schließlich ein Symbol für Freiheit und Emanzipation.
Selbst als Mia mit Anfang 30 dachte, sie hätte das wilde Partyleben hinter sich gelassen, das sie des Öfteren bei Fremden in Lederjacken aufwachen ließ, rutschte sie erneut ab und trank weiter, bis nur noch Schwarz und Weiß existierte.
Wie genau diese Abwärtsspirale verlief und wie Mia es schaffte, sich von ihrer Sucht zu lösen, solltet ihr unbedingt selbst lesen!
Dieses Buch ist einfach faszinierend! Ich habe mich in so vielen Szenen wiedergefunden und muss zugeben: Auch ich bin eine funktionale Alkoholikerin. Ich konnte gar nicht anders, als meinem Mann, meiner Mutter und sogar meiner Tochter immer wieder Passagen aus diesem Buch vorzulesen. Manche Beschreibungen sind so treffend – denn auch ich gehörte zu den kleinen, emsigen, umherfliegenden Zigaretten- und Bier-Kurieren, die sich von Vaters Restgeld am Kiosk eine Schlickertüte kaufen durften.
Herzlichen Dank, liebe @mia für dein ehrliches und authentisches Buch. Ich drücke dir für deine Zukunft fest die Daumen.
Ganz große Leseempfehlung für dieses wichtige Buch.
5/ 5