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Veröffentlicht am 10.04.2025

So toll und anders!

Ósmann
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ÓSMANN
Joachim B. Schmidt

Jón Magnússon, von allen nur Ósmann genannt, ist der Mann, der Menschen und Vieh mithilfe seiner Seilwinde über die Gewässer des Skagafjords bringt. Er ist Fährmann, ein Bär ...

ÓSMANN
Joachim B. Schmidt

Jón Magnússon, von allen nur Ósmann genannt, ist der Mann, der Menschen und Vieh mithilfe seiner Seilwinde über die Gewässer des Skagafjords bringt. Er ist Fährmann, ein Bär von einem Mann – Robbenjäger, Trinker und Poet zugleich.

In vielen Kapiteln erfahren wir von seinem Leben, das Ende des 19. Jahrhunderts alles andere als leicht war. Viele Menschen wanderten damals nach Amerika oder Kanada aus, die Kindersterblichkeit war hoch, Hunger und lange, harte Winter forderten ihren Tribut.
Wir begleiten unseren Protagonisten über fünf Jahrzehnte hinweg – nicht immer chronologisch – in seine Hütte direkt am Ufer des Ós, im hohen Norden Islands. Gemeinsam essen wir Gammelhai und Robbenfleisch, lernen seine Freunde, seine Familie und seine Söhne kennen, denen es leider nicht bestimmt war, lange zu bleiben.

Ósmann muss man einfach mögen: Auch wenn er oft wortkarg ist, heißt er jeden in seiner Hütte willkommen, teilt Schnaps und geräucherten Fisch großzügig aus – und manchmal auch sein Herz. Für mich war es ein gelungener Ausflug nach Island.

Joachim B. Schmidt verwebt in seinem neuesten Buch die Geschichte des 1914 verstorbenen Fährmanns Jón Magnússon mit fiktiven Elementen. Die Atmosphäre des Romans ist stellenweise düster – was jedoch perfekt zur rauen isländischen Kulisse passt und die Geschichte umso glaubhafter wirken lässt.
Wer Lust auf eine außergewöhnliche Geschichte in einem ganz besonderen Schreibstil hat, dem lege ich dieses Buch wärmstens ans Herz.
5/5

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Veröffentlicht am 07.04.2025

Locker und ehrlich ...

Das Leben fing im Sommer an
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DAS LEBEN FING IM SOMMER AN
Christoph Kramer

Für den 15-jährigen Christoph läuft gerade nicht viel rund. Er wird aus dem Kader des Nachwuchsteams von Bayer Leverkusen geworfen, und auch der erste Kuss ...

DAS LEBEN FING IM SOMMER AN
Christoph Kramer

Für den 15-jährigen Christoph läuft gerade nicht viel rund. Er wird aus dem Kader des Nachwuchsteams von Bayer Leverkusen geworfen, und auch der erste Kuss lässt noch auf sich warten. Zwischen dem Wunsch, cool zu sein wie die anderen Jungs – pickelfrei, wortgewandt, mit Bier in der Hand – und dem Ziel, diszipliniert an seiner Fußballkarriere festzuhalten, schwankt er hin und her. Doch meistens bleibt ihm die Entscheidung ohnehin erspart – zu den angesagten Partys wird er gar nicht erst eingeladen. Stattdessen verbringt er seine Abende mit seinen zwei besten Freunden auf dem Scheunendach, wo geträumt, gequatscht und gehofft wird – vor allem auf eine Begegnung mit Debbie, dem schönsten Mädchen der Schule.

Dann kommt der heiße, vibrierende Sommer 2006 – das Jahr der Fußballweltmeisterschaft und das Jahr, das alles verändert: Debbie spricht Christoph tatsächlich am letzten Schultag an. Was folgt, ist eine emotionale Achterbahnfahrt voller Unsicherheiten, Glücksmomenten und Teenagergefühle.

Christoph Kramer ist mit seinem Debüt ein wunderbar authentischer Coming-of-Age-Roman gelungen. Persönliche Erlebnisse und Fiktion verschmelzen zu einer warmherzigen, ehrlichen Geschichte. Während der erste Teil noch eher ruhig und schüchtern daherkommt – ganz wie Christoph selbst – nimmt das Buch in der zweiten Hälfte richtig Fahrt auf und überrascht mit Humor, Tempo und Emotionen.

Das Ende sowie das Nachwort haben mir besonders gut gefallen und machen den sympathischen Eindruck des Autors rund.

Fazit:
Ein lockerer, ehrlicher Coming-of-Age-Roman, der sich leicht lesen lässt und – entgegen aller Erwartungen – fast gar nichts mit Fußball zu tun hat.
4/5

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Veröffentlicht am 06.04.2025

Packend ...

In den Farben des Dunkels
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IN DEN FARBEN DES DUNKELS
Chris Whitaker

Amerika, 1975:
Der 13-jährige Patch lebt mit seiner alkoholkranken Mutter in einer kleinen Stadt. Er wurde mit nur einem Auge geboren und trägt deshalb eine Augenklappe. ...

IN DEN FARBEN DES DUNKELS
Chris Whitaker

Amerika, 1975:
Der 13-jährige Patch lebt mit seiner alkoholkranken Mutter in einer kleinen Stadt. Er wurde mit nur einem Auge geboren und trägt deshalb eine Augenklappe. In seiner Vorstellung ist er ein Pirat – eine Fantasie, die ihm hilft, mit seinem Schicksal umzugehen.
Eines Tages lernt er Saint kennen, ein Mädchen, das Bienen züchtet. Schnell werden sie beste Freunde und streifen nachmittags nach der Schule gemeinsam durch die umliegenden Wälder und Felder.
Doch dann wird Patch Zeuge, wie seine Klassenkameradin Misty von einem Mann belästigt wird. Er greift ein und ermöglicht ihr die Flucht – doch danach ist er spurlos verschwunden.
Für Saint bricht eine Welt zusammen. Während das Interesse der Öffentlichkeit und der Polizei mit der Zeit nachlässt, gibt sie nicht auf. Durch einen Zufall stößt sie auf eine Spur, die tatsächlich zu Patch führt. Doch als sie ihn schließlich aus einem dunklen Verlies befreit – nach fast einem Jahr Gefangenschaft –, ist er nicht mehr derselbe.

Über 25 Jahre hinweg begleiten wir Patch und Saint und erleben eine tiefgehende Freundschaft, eingebettet in eine spannende Thriller-Handlung.
Schon ab der ersten Seite hat mich das Buch gefesselt – ich konnte es 2½ Tage lang nicht aus der Hand legen. Dennoch muss ich sagen, dass es nicht ganz an Whittaker letztes Buch "Von hier bis zum Anfang" herankommt. Meckern auf hohem Niveau, aber dennoch: 100 Seiten weniger hätten dem Buch gutgetan.

Fazit:
Ein packender Thriller mit kleineren Längen, aber dennoch absolut lesenswert. Klare Empfehlung! Und im Anschluss: Von hier bis zum Anfang lesen.
4½/5

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Veröffentlicht am 29.03.2025

Wichtiges Thema in der Endlosschleife

Geht so
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GEHT SO
Beatriz Serrano

Im Mittelpunkt des Buches steht die Anfang 30-jährige Marisa, die als Creative-Designerin in einer Werbeagentur arbeitet. Während dieser Job für viele ein Traum wäre, verabscheut ...

GEHT SO
Beatriz Serrano

Im Mittelpunkt des Buches steht die Anfang 30-jährige Marisa, die als Creative-Designerin in einer Werbeagentur arbeitet. Während dieser Job für viele ein Traum wäre, verabscheut sie ihn zutiefst. Schon morgens wacht sie mit Herzrasen auf, schleppt sich widerwillig ins Büro und übersteht den Tag nur mit einer Mischung aus Zynismus und Psychopharmaka. Sie ist genervt – von ihren Kolleg*innen, ihren Aufgaben und eigentlich von ihrem gesamten Leben.

Dabei arbeitet sie gar nicht so viel: Die Trainees bekommen ihre Aufgaben, und die besten sowie kreativsten Antworten leitet sie an ihr Team zur Verarbeitung weiter. Den Rest des Tages verbringt sie mit YouTube-Videos, um die Zeit totzuschlagen.

Als dann ein Teambuilding-Wochenende ansteht, eskaliert die Situation – und mit ihr Marisa.

Beatriz Serrano legt mit diesem Roman eine gesellschaftskritische Geschichte vor, die sich mit Burn-out, Depression, Einsamkeit und Angststörungen auseinandersetzt. Der Schreibstil ist unglaublich leicht und flüssig, doch die Handlung kommt kaum voran. Ich hatte das Gefühl, in einer Endlosschleife festzustecken – erst ganz am Ende überschlagen sich die Ereignisse und das auf eine äußerst skurrile Weise.

Fazit:
Obwohl Schreibstil und Thematik des Buches überzeugen, gab es für meinen Geschmack zu viele Längen. Deshalb kann ich leider keine uneingeschränkte Leseempfehlung aussprechen.
3/5

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Veröffentlicht am 29.03.2025

Starkes Debüt!

In ihrem Haus
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IN IHREM HAUS
Yeal van der Wouden

1961 in einem niederländischen Dorf:

Die 30-jährige Isabel lebt nach dem Tod ihrer Mutter allein im Familienhaus. Ihre Brüder sind längst ausgezogen. Während sie sich ...

IN IHREM HAUS
Yeal van der Wouden

1961 in einem niederländischen Dorf:

Die 30-jährige Isabel lebt nach dem Tod ihrer Mutter allein im Familienhaus. Ihre Brüder sind längst ausgezogen. Während sie sich um den Garten kümmert und das gute Geschirr sowie das Silber in Ehren hält, sorgt eine Haushaltshilfe für den Rest.

Isabel ist einsam, verbittert und neigt dazu, andere Menschen vorschnell zu verurteilen. Einzig zu ihrem jüngeren Bruder Hendrik hat sie eine enge Bindung – ein Band, das von einem gefährlichen Geheimnis geprägt ist. Hendrik liebt Männer, eine Liebe, die in den Niederlanden jener Zeit unter Strafe steht. Doch auch das unbeständige Liebesleben ihres älteren Bruders Louis sorgt für Spannungen: Zu jedem Treffen bringt er eine neue Frau mit, die er als seine große Liebe vorstellt.

Als Louis seine neueste Freundin Eva präsentiert, reagieren Isabel und Hendrik mit Ablehnung. Eva stammt aus einfachen Verhältnissen, ihre Haare sind blondiert, ihre Kleidung wirkt abgetragen – sie entspricht in keiner Weise den gesellschaftlichen Erwartungen. Als Louis überraschend für einen Monat auf Geschäftsreise gehen muss, bittet er Isabel, Eva bei sich aufzunehmen. Entsetzt, aber ohne Wahl, da das Haus ohnehin Louis versprochen ist, fügt sich Isabel.

Die Wochen mit Eva werden für Isabel zur Qual. Sie, die Stille und Ordnung gewohnt ist, fühlt sich von der lebhaften, unkonventionellen Frau überfordert. Als dann auch noch Teile des Silberbestecks verschwinden, wächst ihr Misstrauen ins Unermessliche – Isabel lässt Eva nicht mehr aus den Augen.

Doch dann nimmt alles eine unerwartete Wendung. Durch einen Zufall kommen sich die beiden Frauen näher und entdecken eine verbotene Leidenschaft füreinander. Doch ihre Liebe ist nicht nur gesellschaftlich inakzeptabel, sondern auch von dunklen Familiengeheimnissen überschattet, die drohen, sie für immer auseinanderzureißen.

Yeal van der Wouden gelingt mit diesem Debüt ein eindringliches und atmosphärisch dichtes Werk. Sprachstil und Erzählstruktur haben mich besonders beeindruckt und die Emotionen der Protagonistinnen wurden mit großer Sensibilität vermittelt. Immer wieder streut die Autorin subtile Hinweise auf die Kriegsvergangenheit der Familie ein, sodass das Ende konsequent und doch ergreifend wirkt.

Ich habe das Buch in nur zwei Tagen verschlungen – eine klare Leseempfehlung!
5/5

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