Die Diva
Für dieses quirlige Hörbuch hätte ich mir ein bunteres als dieses unscheinbare, blassblaue Cover gewünscht.
Als Ich-Erzählerin beschreibt Miriam Böttger ein Aufwachsen in Kassel. Dabei fokussiert sie sich ...
Für dieses quirlige Hörbuch hätte ich mir ein bunteres als dieses unscheinbare, blassblaue Cover gewünscht.
Als Ich-Erzählerin beschreibt Miriam Böttger ein Aufwachsen in Kassel. Dabei fokussiert sie sich auf das von ihren Eltern erbaute Haus, das Anlass zu ständigen Wehklagen gibt, ein Sinnbild nicht wahr gewordener Träume. Bis zur vierten Klasse lebte die Familie in Weinheim. Hier war die Welt noch vollkommen, doch der berufliche Aufstieg des Vaters erforderte den Umzug in den Norden und damit dem Beginn allen Unheils.
Dreh- und Angelpunkt ist die schillernd egozentrische Figur der Mutter, die mit nichts mehr zufriedengestellt werden kann. Zwar ist sie finanziell so gut gestellt, dass sie sich extravagante Wünsche erfüllen kann, aber es reicht nicht, um in der gehobenen Kasseler Gesellschaft Fuß zu fassen. Ihre Unzufriedenheit manifestiert sich in Beschwerden über die Unvollkommenheit ihres Zuhauses. Man kann sich Mutter sehr gut vorstellen, wie sie sich immer gekonnt in Szene setzt, Ansprüche geltend macht und sich doch immer vom Pech verfolgt sieht. Wie kann man immer nur das Negative im Leben sehen? Doch als sich nach langen Jahren der Unzufriedenheit tatsächlich ein Käufer findet, dreht sich das Blatt und die Mutter sieht das Haus nur noch durch die rosarote Brille der Wehmut.
Gerade diese schwierige Person, ich möchte sie mir gar nicht in ihrer Funktion als Mutter vorstellen, macht den Roman so einzigartig. Zwar bekommen auch andere Familienmitglieder mit ihren absonderlichen Eigenarten ihr Fett weg, aber keiner reicht an Mutters Persönlichkeit heran, die von der Autorin mit pointierten Formulierungen wunderbar skizziert wird. Auch ihre Spitzen gegen die Stadt Kassel und deren Bewohner haben hohen Unterhaltungswert.
Kurz gesagt, die Autorin weiß mit Worten umzugehen, aber die Wahl von Inka Löwendorf als Sprecherin rundet den Hörgenuss erst richtig ab. Sie findet mit ihrer Stimme den richtigen Grad zwischen Humor und Ernsthaftigkeit, sodass die Handlung nicht in bösen Klamauk absinkt.