Der Preis des Kautschuks
Bisher habe ich von Mirjam Kul noch nichts gelesen, die normaler Weise im Fantasy Bereich schreibt. Nun ist im Gmeiner Verlag dieser historische Roman der Autorin erschienen, der uns zurück ins 19. Jahrhundert ...
Bisher habe ich von Mirjam Kul noch nichts gelesen, die normaler Weise im Fantasy Bereich schreibt. Nun ist im Gmeiner Verlag dieser historische Roman der Autorin erschienen, der uns zurück ins 19. Jahrhundert nach Brasilien führt. Es ist die Zeit der Kautschukgewinnung durch europäische Plantagenbesitzer, die sich in Manaus angesiedelt haben. Sie unterdrücken die indigene Bevölkerung, die sie wie Sklaven behandeln, obwohl die Sklaverei bereits abgeschafft wurde. Die indigenen Einwohner wurden damals innerhalb kurzer Zeit von den Weißen stark dezimiert.
Einer der schlimmsten und mächtigsten ist der Preuße Heinrich Lorenz, ein tyrannischer und skrupelloser Kautschukbaron, der nach noch mehr Macht und Gewinn strebt.
Seine beiden Söhne Karl und Paul sollen später in seine Fußstapfen treten. Doch Paul wurde von Heinrichs herzensguten Frau als Säugling aus dem Fluss gerettet und hat indigenes Blut. Außerdem hat er ein Fledermaus Tattoo auf der Brust. Er steht als junger Erwachsener zwischen den beiden Kulturen und wird auch von beiden Seiten nicht wirklich akzeptiert.
Auch Taya gehört zu einem der indigen Stämme, deren männliche Familienmitglieder in den Kautschukwäldern geschunden werden. Sie trifft als Kind auf Paul, der wie Taya ein Fledermaus Tattoo hat. Der Junge bekommt seit diesem Treffen Taya nicht mehr aus seinen Gedanken.
Als sie als junge Erwachsene wieder aufeinander treffen, entwickelt auch Taya mit der Zeit Gefühle für Paul. Doch eine Liebe zwischen dem (adoptierten) Sohn des Kautschukbarons und einer indigen Sklavin darf nicht sein.....
"Die Fremden zerstören die Wälder, vergiften mit ihren riesigen Schiffen die Flüsse und töten Tiere, obwohl sie längst gesättigt sind. Sie haben keine Ehrfurcht vor der Schöpfung und dem Leben. Sie sind gierig und neidisch. Sie werden erst merken, dass man Geld nicht essen kann, wenn sie Mutter Erde zerstört haben."
Diese Sätze musste ich mir notieren, denn sie sprechen mir aus der Seele und sind auch 130 Jahre später genauso relevant, wie damals - wenn nicht sogar zukunftsweisend.
Mirjam Kul schreibt fesselnd und sehr bildgewaltig. Man erfährt viel über die damalige Zeit in diesem Teil der Welt und wie überheblich und grausam die europäischen Siedler gegenüber den Einwohnern waren. Es erinnert an die Besiedelung Amerikas, die ungefähr zweihundert Jahre zuvor ebenso grausam vonstatten ging.
Die Autorin bringt auch immer wieder Gedanken ein, die sich auf die Zerstörung der Natur und die Ausbeutung von Menschen beziehen.
Neben den Hauptfiguren sind auch die Nebencharaktere lebendig und vielschichtig dargestellt. Einige - auch tierische! - haben sich ganz besonders in mein Herz geschlichen.
Ich bin durch die Geschichte geflogen und habe mit Paul mitgelitten, der als Sohn des Kautschukbarons erzogen wurde, aber mit seiner Hautfarbe nicht akzeptiert wird.
Der historische Roman liest sich fesselnd und interessant. Man fühlt sich während des Lesens direkt vor Ort in Brasilien.
Warum keine 5 Sterne?
Die Geschichte endet sehr abrupt und ließ mich ernüchternd zurück, denn sie hört für mich einfach mitten drin auf. Ich habe zwar beim großen A... gesehen, dass beim Titel "Die weißen Tränen Saga" steht, was auf eine Fortsetzung hoffen lässt, jedoch findet man keinerlei weitere Hinweise auf einen zweiten Band. Da ich offene Enden wirklich so überhaupt nicht leiden kann, muss ich deshalb einen Stern abziehen.
Fazit:
Ein fesselnder historischer Roman über die Versklavung indigener Völker, den Preis des Kautschuks und einer Liebe, die nicht sein darf. Bis auf das relativ offene Ende war die Geschichte sehr gut, aber der abrupte Schluss hat mich sehr gestört. Deshalb einen Stern Abzug! Wem offene Enden nicht stören, dem empfehle ich diese interessante Geschichte auf jeden Fall. Ich hoffe, dass es einen weiteren Teil geben wird.