Viele Jahre sind seit dem letzten Kontakt zwischen Jean-Pierre Morel und seinem ehemals besten Freund Paul vergangen. Grund für den Zwist zwischen den beiden seit Kindertagen engsten Kumpanen war der Streit um eine Frau, denn beide hatten eine Vorliebe für Blondinen und ein Tabu wurde gebrochen, als der eine mit der Freundin des anderen anbandelte. Jean-Pierre, der das Café des Poètes im Pariser Marais besitzt, hatte seitdem kein Glück mit den Frauen. Als Jean-Pierre eines Tages die Hochzeitseinladung von Paul in den Händen hält, will er diese erst ignorieren, doch dann siegt neben der Neugier auch die Sehnsucht nach dem alten Freund. Am Tag der Hochzeit macht sich Jean auf den Weg von Paris zu einem Schloss in Südfrankreich, doch vorher muss er sich noch mit seiner ungemütlichen Ex-Freundin Océane rumschlagen und seine Großmutter zum Notarzt fahren. Bei all dem Stress findet er die Einladung mit der Adresse der Hochzeitslocation nicht wieder und landet nach einer unfreundlichen Szene mit dem Rotschopf Juliette an der Tankstelle und einer Autopanne mitten in der Pampa, wo ihn ein netter Automechaniker aufgegabelt und zum Schloss bringt, damit er endlich seinen alten Freund wiedersehen kann. Auf der Hochzeitsgesellschaft trifft er erneut auf Juliette, während er seinen Freund Paul nebst dessen Frau nirgends entdecken kann…
Daniela Thiela alias Nicolas Barreau hat mit „Die Freundin der Braut“ einen wunderschönen Roman vorgelegt, der nicht nur mit seinen farbenfrohen Landschaftsbeschreibungen zu begeistern weiß, sondern auch mit einem untrüglichen Gefühl für zwischenmenschliche Beziehungen ihrer Protagonisten den Leser in den Bann zu schlagen vermag. Der flüssig-leichte und gefühlvolle Erzählstil stellt den Leser schnell an die Seite von Jean-Pierre, wo er dessen Gefühls- und Gedankenwelt ebenso gut kennenlernt wie in kurzen Rückblenden dessen wichtigste Erlebnisse mit Paul aus ihrer gemeinsamen Vergangenheit. Jean-Pierre, dessen Leidenschaft für Literatur sich an den Wänden seines Cafés wiederspiegelt, nimmt die Hochzeit seines ehemals besten Freundes zum Anlass, die alte Freundschaft vielleicht wieder kitten zu können. Allerdings gibt es im Leben immer wieder Tage, wo alles schief geht, egal, wie gut man sie geplant hat. Gemeinsam mit Jean-Pierre erlebt der Leser eine Achterbahn der Gefühle, und die Uhr tickt, bis er sich endlich auf den Weg zur Hochzeit machen kann, wobei auch die Reise ein Abenteuer ist. Schon bei einer ersten Sichtung der Gäste beschleicht den Leser das Gefühl, vielleicht am falschen Ort zu sein, doch Jean-Pierre ist nicht nur geduldig, sondern verfällt immer mehr dem Charme von Juliette, die ihr Herz auf der Zunge trägt. Komisch, romantisch, ja geradezu faszinierend nimmt der Leser die anwesenden Gäste mit ihren kleinen Marotten wahr und fühlt sich selbst als Teil von ihnen, Polonaise tanzend und Kontakte knüpfend, wie es bei jeder solcher Gelegenheiten der Normalfall ist. Dass Jean-Pierre spät in der Nacht unter magischen Bedingungen sogar einen Heiratsantrag bekommt, wirkt hier gar nicht kitschig, sondern eher als eine logische Schlussfolgerung.
Die Charaktere verzaubern vom ersten Moment an mit ihrer Authentizität, der Leser lässt Jean-Pierre keinen Moment aus den Augen, man möchte ihn einfach vor allem Unbill beschützen. Jean-Pierre ist ein liebenswerter Mann, dem es allen recht machen will. Insgeheim vermisst er Paul schon lange, aber der Stolz hat ihn in seinen Klauen. Er ist recht schlagfertig, wenn es die Situation erfordert, besonders bei Océane. Diese ist einfach unerträglich in ihrer Art, und in mancher Situation möchte man sie an den Haaren wegschleifen ob ihrer Dreistigkeit. Juliette ist herzerfrischend, offen, unkonventionell und überraschend, was auch für einzelne Mitglieder der Hochzeitsgesellschaft gilt.
„Die Freundin der Braut“ ist wunderbar kurzweilig, romantisch, überraschend, lebendig und jede Zeile unterhaltsam. Eine zauberhafte Reise von Paris nach Südfrankreich mit skurrilen, liebenswerten Protagonisten, mit denen man als Leser immer wieder gerne eine Hochzeit feiern möchte. Absolute Leseempfehlung für einen Roman, der die französische Lebensart in jeder Silbe wiederspiegelt!