Ein Slice of Life-Jugendroman
Das Salzwasserjahr - ein Titel, der wirklich neugierig macht. Er war ausschlaggebend dafür, dass ich mich mit diesem Buch genauer beschäftigt und es schließlich auch gelesen habe. Ein bisschen irreführend ...
Das Salzwasserjahr - ein Titel, der wirklich neugierig macht. Er war ausschlaggebend dafür, dass ich mich mit diesem Buch genauer beschäftigt und es schließlich auch gelesen habe. Ein bisschen irreführend ist er aber auch, wenn man genauer drüber nachdenkt: so viel Salzwasser - abgesehen vom Meer - gibt es in der Geschichte gar nicht.
Ich fand es schön, wie nüchtern und normal dieser Junge sein Jahr in Australien beschreibt. Gleichzeitig lebt das Buch von seiner großartigen Sprache - Worte und Phrasen, die mich immer wieder kurz haben innehalten lassen. Dabei war die Sprache nicht hochtrabend oder besonders elitär, aber auch nicht dumpf und beinahe schon stumpfsinnig, wie leider viele Jugendbücher aus der Perspektive von Jugendlichen geschrieben werden; als ob der erwachsene Autor glaubt, dass junge Menschen nur "ey Alter" und "Digga" sagen. Das ist hier gar nicht so. Stattdessen wirkt die gewählte Sprache absolut authentisch jugendlich und intelligent. Das fand ich sehr angenehm zu lesen.
Inhaltlich passiert gar nicht so viel, deshalb würde ich das Buch wohl am ehesten als Slice of Life bezeichnen: "Das Salzwasserjahr" lässt uns LeserInnen an einem Jahr im Leben des Protagonisten teilhaben, ohne Davor und Danach. Das hat den Nachteil, dass ich nicht erfahren habe, wie es mit (Jan)Nik und Levi, einem Freund aus der Heimat, deren Freundschaft wohl kurz vor Niks Aufbruch in den Süden zu bröckeln begonnen hat, weiter geht. Nik denkt oft an Levi und fragt sich, ob sein Freund ich in diesem einen Jahr auch weiterentwickelt hat. Aber leider erfahren wir LeserInnen nie die Antwort.
Während Nik sich zuerst schwertut, anzukommen und Freunde zu finden - zugegeben, er ist auch nicht gerade in die stabilste Familie gekommen -, trifft er auf umso speziellere Fremde, die zu Freunden werden: der Obdachlose, der am Strand Sandskulpturen baut und meist fröhlich und optimistisch ist, aber auch sehr traurig sein kann; das Mädchen, mit dem er Wort-Geschenke austauscht (die Idee finde ich ja mal sowas von großartig!) und auf die er schließlich ein Auge wirft.
Es werden Themen wie Depression oder Weglaufen von der Familie in die Geschichte eingebaut, was mir gut gefällt. Es wirkt realistischer und noch normaler, alltäglicher. Solche Dinge sind eben normal und kommen vor - man sollte sie nicht verschweigen, wenn man Romane schreibt. Aber das ist ein ganz anderes Thema. Für die Depressionen hätte ich mir allerdings eine Triggerwarnung gewünscht. Ich selbst bin zwar nicht betroffen, aber die Art und Weise, wie die Krankheit beschrieben wird, hätte meiner Meinung nach eine Warnung für Betroffene verdient.
Durch den Alltagscharakter der Geschichte, die wenig abenteuerlichen Erlebnisse und die Normalo-Haltung von Nik ist die Handlung leider etwas schleppend. Ich habe länger zum Lesen gebraucht als sonst für Bücher mit diesem Umfang, weil ich oft nicht mehr als 20 oder 30 Seiten am Stück lesen konnte, ohne mich zu langweilen. Und jedes Mal habe ich 2, 3 Seiten gebraucht, um wieder reinzukommen. Die Sprache hat etwas gegen diesen Effekt angewirkt, aber insgesamt hätte ich mir einen schnelleren Handlungsfortschritt gewünscht.
Insgesamt hat mir das Buch aber gefallen. Es war anders, als viele Jugendbücher, die ich sonst lese, und die Sprache hat mir großen Spaß gemacht. Es mangelte an der Geschwindigkeit in der Handlung und auch ein bisschen am Inhalt: es hätte gern mehr passieren dürfen. Für den Slice of Life-Charakter des Buches war es perfekt, ich habe auf Basis des Klappentextes einfach eine andere Art von Geschichte erwartet.