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Veröffentlicht am 21.11.2016

Das Erbe der Wintersteins

Das Erbe der Wintersteins
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Die alte Villa an der Ostsee, mit einer wunderschönen parkähnlichen Anlage und einem Bootshaus, soll vor dem endgültigen Verfall bewahrt werden, damit die Familie Winterstein diese nach der abgeschlossenen ...

Die alte Villa an der Ostsee, mit einer wunderschönen parkähnlichen Anlage und einem Bootshaus, soll vor dem endgültigen Verfall bewahrt werden, damit die Familie Winterstein diese nach der abgeschlossenen Renovierung verkaufen kann. Die alte Porzellanmanufaktur der Wintersteins läuft nicht mehr besonders gut und schreibt rote Zahlen. Durch den Verkauf erhofft man sich einen respektablen Geldsegen, der die Firma vor der Pleite bewahren soll. Celine Winterstein, die Tochter des Firmenbesitzers, wird mit der Koordination der Renovierung beauftragt und kehrt an den Ort ihrer Kindheit zurück. Im Bootshaus quartiert sie sich kurz vor Weihnachten ein, wird dort von ihrem Freund Albert, der eigentlich nicht mitkommen sollte, überrascht und trifft sich in den darauffolgenden Tagen mit Architekten, Tischlern und sonstigen Bauarbeitern zur ersten Begehung der Villa. In einem alten Speiseaufzug findet Celine ein Tagebuch ihrer Ururgroßmutter Claire und versinkt beim Lesen in eine Welt vor 100 Jahren, in das Leben von Claire und stößt auf schicksalhafte Familiengeheimnisse. Doch merkt Celine nicht, dass sie sich damit in Gefahr begibt und genaustens beobachtet wird.

In einer stürmischen und winterlichen Nacht findet ein Krämer vor 100 Jahren ein kleinen Baby in einem verunglückten Zirkuswagen und rettet es, indem er es zum nächstgelegenen Hof bringt. Das kleine Mädchen erhält den Namen Klara und wächst fortan auf dem Gut der Wintersteins auf. Sie wächst zu einem fleißigen Mädchen heran, welches bei Wind und Wetter hart arbeiten muss und nur selten die Schule besuchen kann. Als sich nach Jahren herausstellt wer Klaras Vater ist und das sie eigentlich Claire heißt, ändert sich alles für das junge Mädchen. Sie verlässt den Winterstein-Hof, muss sich diverse Unannehmlichkeiten gefallen lassen, erfährt ihre wahre Herkunft und landet letztendlich auf einem Rummel, der ihrem leiblichen Vater gehört. Dieser hält nur leider wenig von seiner leiblichen Tochter und tritt ihr kaltherzig, aggressiv und streng entgegen.

In dem Buch wechseln sich die Kapitel zwischen Gegenwart (Celine) und der Vergangenheit (Claire) ab. Dies sorgt für eine gute Abwechslung in der Story. Der Schreibstil ist angenehm einfach und somit das Buch auch flüssig zu lesen. Einige Charaktere, wie z.B. Claire, sind auf Anhieb sympathisch, während andere Charaktere (z.B. Celine und Albert) blass, naiv und gar unausstehlich rüberkommen.
Ich war, nachdem ich das Buch beendet hatte, leider zunächst ein wenig enttäuscht, da einfach zu viel vorhersehbar war, dadurch meines Erachtens die Spannung gemildert wurde und ich Celines Verhalten oft hinterfragen musste. Für mich persönlich waren die letzten Kapitel die Schwächsten von allen. Die anderen Abschnitte haben mich viel mehr gefesselt und die Story von Claire hat mir sowieso ein bisschen besser gefallen als die von Celine. Die Geschichte von Claire hatte viel mehr Tiefe und mehr Gefühl. Ich habe bei Celine im Nachhinein nicht das Gefühl, dass ich eine tiefe Bindung zu ihr aufbauen konnte und sie war, für ihr Alter, zu einfältig und kindlich in ihrem Verhalten und Denken.
Vielleicht hätten auch zwei oder drei Kapitel mehr dem Buch ganz gut getan, um diverse noch offene Fragen und Familienverhältnisse zu klären. Im Großen und Ganzen habe ich mich jedoch gut unterhalten gefühlt.

  • Einzelne Kategorien
  • Atmosphäre
  • Cover
  • Erzählstil
  • Figuren
  • Gefühl
Veröffentlicht am 13.11.2016

Memory Wall

Memory Wall
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Alma lebt als eine reiche Weiße über siebzig in Südafrika und hat ihr Gedächtnis verloren. Sie hat nur noch sehr selten klare Momente, in denen sie weiß was sie tut. Damit sie sich wieder erinnern kann, ...

Alma lebt als eine reiche Weiße über siebzig in Südafrika und hat ihr Gedächtnis verloren. Sie hat nur noch sehr selten klare Momente, in denen sie weiß was sie tut. Damit sie sich wieder erinnern kann, hat sie im Gästezimmer ihres Hauses eine Memory Wall erstellt. Unzählige beschriftete Zettel, Fotos und Kassetten hängen an dieser Wand und sind miteinander verbunden, damit sich Alma der Zusammenhang zwischen den Ereignissen und Informationen erschließt. Zudem ist sie in Behandlung bei einem Spezialisten, der ihr vier Ports in ihre Schädeldecke eingepflanzt hat. Wenn sie diese mit einer Apparatur verbindet, kann sie die Kassetten abspielen und so in Erinnerungen schwelgen. Hier lehnt sie sich in ihren Sessel zurück und taucht in eine andere Welt ein. In eine schöne Welt, in der ihr Mann noch lebte und sie noch alles wusste.

In Almas Haus wird regelmäßig eingebrochen. Die beiden Einbrecher suchen fieberhaft nach einer Kassette mit Erinnerungen, auf welcher Almas Mann sie zu einem Fossil mitten in einer Wüste führt. Sie wollen das Fossil bergen, es verkaufen und Schulden begleichen. Doch die Zeit rennt ihnen davon, dann Almas Haus soll sehr bald schon verkauft werden und die alte Dame in ein Pflegeheim umziehen.

Als Nebenstrang wird das einfache Leben von Almas langjährigem Hausdiener Phako und seines fünfjährigen Sohnes beleuchtet. Er lebt in einer armseligen Wellblechhütte am Rande der Stadt, besitzt nur einige von Alma und ihrem Mann aussortierte Gegenstände und arbeitet von morgens bis abends bei Alma. Er kümmert sich um den Haushalt, fährt sie zum Arzt, geht einkaufen und ist nun kurz davor seinen Job zu verlieren, da Alma in das Pflegeheim eingewiesen werden soll.

In diesem kurzen Buch treffen zwei Welten aufeinander, die der Autor spielend miteinander verbindet. Er greift Themen auf, die viel Platz zum Nachdenken lassen und klar machen, dass unser Gedächtnis, unsere Erinnerungen mit das Wichtigste sind das wir haben. Ohne diese wandeln wir verwirrt umher, vergessen zu essen, zu schlafen, zu atmen. Ohne unser funktionierendes Gedächtnis sind wir bloß eine Hülle ohne Inhalt.

Meines Erachtens ist dies ein sehr beeindruckendes und tiefgründiges Buch, welches sehr gut geschrieben ist und einen nicht so schnell los lässt

Veröffentlicht am 13.11.2016

Die Eismacher

Die Eismacher
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Zunächst dachte ich, dass sich alles in diesem Buch nur um die Herstellung von Eis drehen würde. Weit gefehlt, denn in diesem Buch verbirgt sich so viel, dass man es kaum in Worte fassen kann. Es ist eine ...

Zunächst dachte ich, dass sich alles in diesem Buch nur um die Herstellung von Eis drehen würde. Weit gefehlt, denn in diesem Buch verbirgt sich so viel, dass man es kaum in Worte fassen kann. Es ist eine Ode an das italienische Eis und all die Familien, die über Generationen die Kunst des Eismachens praktizieren und an ihre Kinder weiter geben, damit diese Kunst nicht ausstirbt und uns Genussmenschen, die italienisches Eis lieben, nicht das Vergnügen, ein Eis zu essen, abhanden kommt. Es ist eine Liebeserklärung an die Lyrik und Poesie, die einen großen Teil des Buchinhalts im positiven Sinne in Beschlag nimmt und auch Unwissende gefühlvoll an Gedichte heranführt. Es ist eine Familiengeschichte voller Drama, Liebe und Sehnsüchte, die den Leser in seinen Bann zieht. Jeder Charakter wächst dem Leser ans Herz. Für jeden Charakter empfindet man Verständnis für die vorherrschende Situation und kann sich in diese hineinversetzen. Man versteht die Klagen, die Streitereien, alle Enttäuschungen, die stillen und lauten Momente, die Ausflüchte, Bestrebungen, Begierden und Leidenschaften.

Ich bin sehr positiv überrascht von „Die Eismacher“ und kann dieses Buch nur wärmstens empfehlen. Der Schreibstil ist angenehm, manchmal poetisch, allerdings sollte man sich als Leser auf einige Zeitsprünge zwischen Vergangenheit und Gegenwart gefasst machen, die nicht unbedingt markiert sind und die erst beim Lesen der Passagen auffallen. Dies ist nicht weiter tragisch und behindert den Lesefluss kaum. Insgesamt ist es ein Buch voller Input, welches die Sicht auf die Eismacher dieser Welt verändert.

Veröffentlicht am 05.11.2016

Dame zu Fuchs

Dame zu Fuchs
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Das Ehepaar Tebrick unternimmt einen Spaziergang, als sich urplötzlich und ohne jegliche Vorwarnung die Ehefrau in eine Fähe, einen weiblichen Fuchs, verwandelt. Völlig geschockt und verwirrt nimmt Herr ...

Das Ehepaar Tebrick unternimmt einen Spaziergang, als sich urplötzlich und ohne jegliche Vorwarnung die Ehefrau in eine Fähe, einen weiblichen Fuchs, verwandelt. Völlig geschockt und verwirrt nimmt Herr Tebrick schnell seine Frau und bringt sie auf ihrem Anwesen in Sicherheit, damit sie nicht während der laufenden Jagdsaison den Jägern zum Opfer fällt.

Zunächst zeigt seine Ehefrau Silvia noch menschliche Züge und lebt, nachdem allen Angestellten aus Sicherheitsgründen von heute auf morgen gekündigt worden ist, mit ihrem Mann in dem Haus. Sie trinken Tee, sitzen gemeinsam bei Tisch und spielen Karten, doch eine Fähe ist ein wildes Tier und so kommt es, dass Silvia immer häufiger den Drang nach Freiheit und der Wildnis verspürt. Immer öfter lässt Herr Tebrick seine Fähe nach draußen und hat immer Angst, dass diese ihn verlässt. Er wird wahnsinnig vor Angst und der Gedanke, seiner geliebten Frau könnte etwas Schlimmes zustoßen, treibt ihn in die Verzweiflung. Auch im Dorf wird schon getratscht und spekuliert, dass Herr Tebrick von seiner Frau verlassen und nun verrückt wurde. Doch Herr Tebrick lässt dieses Gerede kalt. Ihm ist das Wohl seiner Fähe wichtig und er tut alles dafür, um in ihrer Nähe sein zu können, denn er will die Hoffnung nicht aufgeben, dass diese sich nicht doch eines Tages zurückverwandelt.

„Dame zu Fuchs“ ist ein sehr berührender und kurzweiliger Roman, der flüssig zu lesen ist und viel Stoff zum Nachdenken in sich birgt. Auf wenigen Seiten werden enorm viele Emotionen freigesetzt, Spannung aufgebaut und man leidet Seite für Seite mit Herrn Tebrick und fühlt seine Hilflosigkeit. Es ist eine Art Fabel, die hier geschaffen wurde, die sich mit gesellschaftlichen Themen, der Liebe und Moral auseinandersetzt.

Veröffentlicht am 22.10.2016

Beides sein

Beides sein
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Das Buch von Ali Smith spielt zum Teil in der Vergangenheit und zum Teil in der Gegenwart. Im ersten Teil lernen wir George, ein jugendliches Mädchen, kennen, welches vor kurzem ihre Mutter verloren hat ...

Das Buch von Ali Smith spielt zum Teil in der Vergangenheit und zum Teil in der Gegenwart. Im ersten Teil lernen wir George, ein jugendliches Mädchen, kennen, welches vor kurzem ihre Mutter verloren hat und diesen Verlust nur schwer verkraftet. Ihrer Ansicht nach kann es doch nicht sein, dass etwas, das soeben noch da war, plötzlich nicht mehr existiert und nicht mehr greifbar ist. George fällt in eine tiefe Trauer, erinnert sich an Gespräche und Momente mit ihrer Mutter, die sie erlebt hat und lässt ihre gemeinsame Reise nach Italien Revue passieren. Dort haben sie sich u.a. die Fresken von Francesco del Cossa, einem Künstler aus dem 15. Jahrhundert, angesehen.

Der zweite Teil des Buches behandelt den Werdegang des Künstlers Francesco del Cossa. Hier erfährt der Leser wie der Künstler zu seinem Namen und seinem Beruf kam und welche Charakterzüge dieser an den Tag legte. Sein Leben war nicht einfach und er musste sich gegen diverse andere Künstler behaupten, doch nie verlor er die Liebe zur Malerei.

Im Laufe des zweiten Teils dieses Buches treffen beide Charaktere aufeinander. Für den Leser scheint dies zunächst vielleicht zu weit hergeholt und zu fantasiereich, doch lässt man sich voll und ganz auf die Geschichte ein, so entdeckt man Gemeinsamkeiten und Emotionen, die wohl nur auf diesem Wege dem Leser vermittelt werden können.

Zu Beginn hatte ich meine Probleme mit der Schreibweise. Hier und da fehlen Satzzeichen, manche Sätze hören einfach in der Mitte auf und Gedankengänge der Charaktere werden ohne Vorwarnung mitten in einem Satz eingefügt. Hier muss man also aufmerksam und konzentriert bei der Lektüre bleiben, um nicht den Anschluss und die Zusammenhänge aus den Augen zu verlieren. Abgesehen von dem ungewöhnlichen Schreibstil werden so viele Themen aufgegriffen, dass es schon schwer ist diese in Worte zu fassen ohne zu viel zu verraten. Nicht nur die Kunst, der Tod, die eigene Selbstfindung, der Kampf um Aufmerksamkeit oder die Frage nach der Existenz von Dingen spielen eine Rolle. Es wird auch stark mit der Phantasie des Lesers gespielt. Viele Dinge werden angedeutet, vieles wird vermischt und nicht aufgelöst. Auf eine positive Art und Weise bleibt also viel Platz für Spekulationen und philosophische Gedanken.

„Beides sein“ ist ein ungewöhnlicher und teils skurriler Roman, der lange nachwirkt und mich beeindruckt hat.