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Veröffentlicht am 22.10.2016

Römische Verdächtigungen

Römische Verdächtigungen
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Commissario Alessandro Caselli wird zu einem Tatort gerufen und findet eine auf brutalste Art und Weise entstellte Leiche einer Frau vor. Es handelt sich bei der Leiche um eine junge Kunststudentin, die ...

Commissario Alessandro Caselli wird zu einem Tatort gerufen und findet eine auf brutalste Art und Weise entstellte Leiche einer Frau vor. Es handelt sich bei der Leiche um eine junge Kunststudentin, die nur anhand ihrer sehr außergewöhnlichen Ohrringe identifiziert werden kann. Bei der Identifizierung ist ihr Cousin behilflich und mischt sich fortan intensiv in die polizeilichen Ermittlungen ein. Diese führen alle Beteiligten quer durch Rom, durch die Kunstszene und die ein oder andere mysteriöse Gestalt gerät in den Fokus der Polizei.

Ich muss zugeben, dass ich mit all den italienischen Namen teilweise Probleme hatte und die Personen zeitweise kaum auseinander halten konnte. Das Buch an sich lässt sich gut lesen, jedoch darf man hier keinen vor Spannung triefenden Krimi erwarten. Es ist eine unblutige Story, die man gut bei dem derzeit ungemütlichen Wetter auf der Couch genießen kann. Die Spannung ist zu Beginn noch da, doch diese verflüchtigt sich leider, da sehr viele Nebenschauplätze und andere Handlungsstränge beleuchtet werden, die den Leser die ursprüngliche Story aus den Augen verlieren lassen. Man hat das Gefühl, dass die Ermittlungen hier nur zweitrangig sind.

Ich liebe Rom und es ist schön in dem Buch durch die Straße von Rom zu laufen und diverse Orte zu besichtigen, doch hätte ich mir ein wenig mehr Spannung und eher einen Krimi und weniger einen Roman gewünscht. Für Zwischendurch ist das Buch völlig in Ordnung, aber eingefleischte Krimifans werden denke ich eher enttäuscht sein.

Veröffentlicht am 03.10.2016

Die Unvollkommenheit der Liebe

Die Unvollkommenheit der Liebe
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Lucy Barton liegt mit einer schweren Infektion über Wochen im Krankenhaus und wird mit dem Besuch ihrer Mutter überrascht. Sie haben sich seit Jahren nicht mehr gesehen oder gesprochen. Umso erstaunlicher ...

Lucy Barton liegt mit einer schweren Infektion über Wochen im Krankenhaus und wird mit dem Besuch ihrer Mutter überrascht. Sie haben sich seit Jahren nicht mehr gesehen oder gesprochen. Umso erstaunlicher ist es für Lucy, dass ihre Mutter nun plötzlich in ihrem Krankenzimmer sitzt und die weite Reise auf sich genommen hat. Ohne jegliche Vorwarnung ist sie einfach da und erzählt Lucy Geschichten. Geschichten über die Nachbarn, die Gemeinde und Bekannte. Die Mutter erzählt viel, sie redet viel, doch sie sagt nicht die Dinge, die Lucy von ihrer Mutter hören möchte. Die jede Tochter von ihrer Mutter hören möchte.

Lucy stammt aus einer sehr armen Familie. Sie und ihre Geschwister waren Außenseiter, hatten kaum etwas zu essen und zeitweise auch kein richtiges Dach über dem Kopf. Es war eine schlimme, traumatische Kindheit, aus der sich Lucy allein befreien konnte. Sie hat sich damals die Zeit mit dem Lesen von Büchern vertrieben, hat gelernt und es weit gebracht. Sie konnte dem Elend entfliehen, was die Familie ihr ziemlich übel nahm. Lucy wollte ihren Traum Schriftstellerin zu werden verwirklichen, hat einen Mann aus gutem Hause geheiratet und ist nach New York gezogen.

In dem Buch erzählt Lucy Barton ihre Geschichte. Sie erzählt wie sie ihre Kindheit verbracht hat, wie sie Schriftstellerin wurde, welche Personen sie beeinflusst haben und wie das Verhältnis zu ihrem Mann und ihren Kindern ist. Im Mittelpunkt dieser Erzählung stehen aber die Tage, die sie mit ihrer Mutter, die kaum von ihrer Seite gewichen ist, verbracht hat. Trotz der Freude über den Besuch wird die Erzählung von einer Traurigkeit und Beklemmung durchzogen. Mutter und Tochter sind sich räumlich so nah und persönlich und seelisch doch so fern. Sie reden viel und schweigen sich doch an. Sie können sich nicht die Dinge sagen, die es sich normalerweise zu sagen gehört.

Ist ihre Liebe zueinander unvollkommen? Wird diese vollkommen durch den Satz „Ich habe dich lieb“? Reicht dieser Satz aus, um die unsichtbare Mauer zwischen den beiden einzureißen?

Dieses Buch hat mich sehr zum Nachdenken angeregt und viele Fragen aufgeworfen. Die Geschichte ist nicht nur interessant und sehr gut geschrieben, sie bietet auch viel Raum für Interpretationen. Ich habe dieses Buch sehr gerne gelesen und empfand die Atmosphäre, die hier geschaffen wurde, als etwas Besonderes.

Veröffentlicht am 02.10.2016

Großer Bruder Zorn

Großer Bruder Zorn
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Wedding, ein Bezirk in Berlin, der unterschiedliche Kulturen und gesellschaftliche Gruppierungen beherbergt. Dort spielen sich tagtäglich Szenen ab, die man nicht nur aus dem Fernsehprogramm einiger fragwürdiger ...

Wedding, ein Bezirk in Berlin, der unterschiedliche Kulturen und gesellschaftliche Gruppierungen beherbergt. Dort spielen sich tagtäglich Szenen ab, die man nicht nur aus dem Fernsehprogramm einiger fragwürdiger Sender kennt. In dem Roman von Johannes Ehrmann durchstreifen verlorene Seelen das Viertel, alkoholisierte Menschen verprassen ihren letzten Euro in der Kneipe und jeder versucht seine Probleme beiseite zu schieben, zu vergessen oder zu beherrschen.

Der verschuldete Aris plant die ultimative „Fight Night“, mit der er zu Geld kommen muss. Einige seiner Kumpels und andere zwielichtige Gestalten des Bezirks sollen im Ring zeigen was ihre Fäuste können und Aris will Moneten sehen.

Serdar ist einer der Boxer, die in den Ring steigen werden. Er boxt sogar den Hauptkampf gegen den „Wikinger“, den Anführer der Rockerbande, die es auf ihn abgesehen hat. Doch nicht nur die Vorbereitung auf den Kampf beschäftigt Serdar. Auch privat hat er so einiges zu klären, was ihm Kopfzerbrechen bereitet.

Jessi, die alleinerziehende Mutter, die im Netto an Kasse drei sitzt, hat sich in Aris verguckt. Schon immer hatte sie Pech mit den Männern und muss zusehen, wie sie durch den Alltag kommt und ihrer kleinen Tochter ein halbwegs angenehmes Leben bieten kann. Als Aris im Supermarkt plötzlich vor ihr steht und sie anspricht ahnt sie noch nicht, welch Enttäuschung sie später zu verarbeiten haben wird.

Während alle anderen Protagonisten sich um ihren Kram kümmern, plant Heinz Hönow in seinem stillen Kämmerlein sich zu rächen, schmiedet einen Plan und will jegliche Verluste in Kauf zu nehmen.

Die Protagonisten in Ehrmanns Buch sind Menschen, mit denen man sich entweder nicht abgeben würde, die man mitleidig anschaut oder an denen man eher schnell vorbei läuft, da sie oftmals nicht in das eigene Leben/Bild passen. Alle haben ihre Probleme, Ängste, Geldsorgen und müssen irgendwie durch den Tag kommen, welcher fast immer den selben Trott mit sich bringt.

Die Geschichten der Protagonisten sind miteinander verwoben und es ist spannend zu lesen, wie diese tatsächlich zusammenhängen und sich entwickeln. Zudem ist die Sprache außergewöhnlich, da hier sehr umgangssprachlich geschrieben wird. Am Anfang ist dies etwas gewöhnungsbedürftig, doch zu der Story absolut passend und es fördert die Vorstellungskraft, sich in dieses Milieu hineinzuversetzen. Ich fühlte mich gut unterhalten, obwohl ich einige wenige Szenen als langatmig empfunden habe, doch die realitätsnahe Geschichte hat mich in seinen Bann gezogen.

  • Einzelne Kategorien
  • Anspruch
  • Charaktere
  • Originalität
  • Stil
  • Cover
Veröffentlicht am 15.09.2016

Alle meine Kinder

Alle meine Kinder
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Friederike Beaufort, Ende 60, hat sich nach vielen Überlegungen dafür entschieden ihr geliebtes Haus mit Garten zu verkaufen und gegen eine Wohnung in einer netten Hausgemeinschaft einzutauschen. Der Sohn ...

Friederike Beaufort, Ende 60, hat sich nach vielen Überlegungen dafür entschieden ihr geliebtes Haus mit Garten zu verkaufen und gegen eine Wohnung in einer netten Hausgemeinschaft einzutauschen. Der Sohn ihrer besten und leider schon verstorbenen Freundin hat sie dazu überredet, indem er ihr die Vorzüge des Lebens in der Stadt und die Risiken des einsamen Lebens einer ältere Frau in einem großen Haus auf dem Lande aufgezeigt hat.

Nun sitzt sie vor all den Klamotten, Fotoalben, Tagebüchern, dem Geschirr und den Bettbezügen und versucht so gut es geht auszumisten und ihren Besitz auf drei Zimmer aufzuteilen. Sie erstellt sich Listen, damit nichts vergessen oder übersehen wird, möchte diese strikt abarbeiten, doch die Erinnerungen, die sie mit dem Haus und all ihrem Hab und Gut verbindet, hindern sie hin und wieder daran und versetzen sie in ihre teils schmerzhafte Vergangenheit.

Ihre Vergangenheit war eine bewegte und doch von hauptsächlich einem Thema bestimmt: dem Wunsch nach einem Kind. Friederike engagierte sich in Frauenbewegungen, führte leidenschaftlich gerne Diskussionen über Gott und die Welt, machte Karriere und heiratete Ernst, einen Professor, der allerdings nicht ihr einziger Geliebter war. Doch schwanger zu werden und ein gesundes Kind zur Welt zu bringen war ab einem gewissen Zeitpunkt ihr größter Wunsch, der einfach nicht in Erfüllung gehen wollte. Verbissen, verzweifelt und blind von dem Wunsch nach einem Kind wurde sie zur „Stammpatientin“ im Krankenhaus, überredete ihren Mann an diversen Untersuchungen teilzunehmen und sich medikamentösen Therapien zu unterziehen. Von Monat zu Monat ging es nur noch darum den passenden Moment abzupassen, um Follikelbildung und um Insemination. Während die Geschwister, die Freundinnen und andere Bekannte um Friederike herum schwanger wurden, wurde sie immer depressiver, schwermütiger und freudlos.

Herrad Schenk hat in dem Buch „Alle meine Kinder“ ein schwieriges Thema angesprochen, welches jedes Paar beschäftigten könnte, das plant Kinder zu bekommen. Schwanger zu werden ist schließlich nicht für jede Frau einfach und es bedarf oft medizinische Hilfe, um schwanger zu werden und das gewünschten Kind zur Welt zu bringen. Das diese Prozedur und die bedrückende Wartezeit, das ständige Hoffen und Bangen eine Frau bzw. das Paar auf eine harte Probe stellt, versteht sich von selber.

Mir gefielen die Zeitsprünge zwischen Gegenwart und Vergangenheit und die damit verbundene Erzählweise. Ich kann nachvollziehen, dass das Thema Kinderwunsch sehr stark im Vordergrund des Buches stehen soll und dies wurde auch entsprechend umgesetzt. Doch meines Erachtens war es besonders im Mittelteil des Buches zu viel des Guten. Ich fand diesen Teil anstrengend zu lesen und musste das Buch hin und wieder zur Seite legen, da mich der Inhalt depressiv gestimmt und ein wenig genervt hat. Hier hätte ich mir gewünscht noch ein wenig mehr von Friederikes Vergangenheit was ihre Freunde, Arbeit, Hobbies etc. angeht kennenzulernen, da ich sie als eine sehr interessante Person empfinde. Die letzten Kapitel haben mich glücklicherweise versöhnlich gestimmt.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Niemand weiß, wie spät es ist

Niemand weiß, wie spät es ist
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Nora hat nicht nur den Verlust ihres Vaters Klaus zu verarbeiten, sondern auch seinen letzten und ziemlich abenteuerlustigen Willen, der ihr bei der Testamentseröffnung offenbart wird und sie so ziemlich ...

Nora hat nicht nur den Verlust ihres Vaters Klaus zu verarbeiten, sondern auch seinen letzten und ziemlich abenteuerlustigen Willen, der ihr bei der Testamentseröffnung offenbart wird und sie so ziemlich verwirrt. Zusammen mit Bernhard, einem angehenden Anwalt, soll sie eine ihr noch unbekannte Strecke zu Fuß wandern – mit der Asche ihres Vaters im Gepäck. Als Belohnung winken ihr ein beträchtlicher Geldbetrag und eine wundervolle Wohnung in einem der besseren Pariser Wohnviertel. Der Notar wird ihnen während ihrer Reise Nachrichten zukommen lassen, aus denen hervorgeht wohin sie die Reise etappenweise führt.

Nora und Bernhard, zwei sehr unterschiedliche Charaktere mit sehr unterschiedlichen Vorstellungen in jeglicher Hinsicht, machen sich auf den Weg und wissen noch nicht welche unglaublichen Entdeckungen, charakterlichen Entwicklungen und welche Höhen und Tiefen sie gemeinsam durchleben werden.

Das Buch „Niemand weiß, wie spät es ist“ von René Freund hat Witz + Humor, ist frech und charmant, die Dialoge machen Spaß und die Mischung aus Drama, Melancholie und den lustigen Szenen ist sehr gut umgesetzt worden. Die Charaktere habe ich sofort ins Herz geschlossen und der Schreibstil ist so angenehm, dass man das Buch gar nicht aus der Hand legen mag. Viele Szenen stimmten mich nachdenklich und ich fing an mir über das Leben und die Kommunikation mit meinen Mitmenschen Gedanken zu machen. Mich beschäftigen seitdem Fragen wie „Was möchte ich unbedingt sagen, traue mich zum derzeitigen Zeitpunkt aber nicht und warum?“, „Was hindert Menschen manchmal daran offen und ehrlich zu sein und warum unterdrücken Menschen ihre Gefühle anderen gegenüber?“, „Was erwarte ich vom Leben?“ etc.. Ich könnte diese Liste der Fragen noch weiter ausführen, jedoch sollte sich jeder selber ein Bild von den einflussreichen Szenen und philosophischen Anekdoten machen. Das Buch ist rundum eine perfekte Mischung aus allem was der Leser braucht!