Das Geheimnis des Lebens
Der neue Roman des österreichischen Autors René Freund hat mich wieder davon überzeugt, dass wir hier in Österreich wirklich hervorragende Schriftsteller haben, denen man mehr Aufmerksamkeit schenken sollte.
Ich ...
Der neue Roman des österreichischen Autors René Freund hat mich wieder davon überzeugt, dass wir hier in Österreich wirklich hervorragende Schriftsteller haben, denen man mehr Aufmerksamkeit schenken sollte.
Ich habe bereits zwei Bücher von René Freund gelesen: "Liebe unter Fischen" meine Rezi und "Mein Vater, der Desserteur" meine Rezi. Dieser ist jedoch ein biografischer Roman aus dem Leben seines Vaters. Beide Bücher haben mir sehr gut gefallen und deswegen war ich schon sehr neugierig auf René's neuen Roman, den ich mir aus der Bücherei mitgenommen habe.
Die Inhaltsangabe klingt eigentlich nicht wirklich neu. Irgendwo habe ich schon ähnliche Klappentexte gelesen, die allerdings meistens mit humorigen Romanen in Verbindung gebracht wurden. Auch in "Niemand weiß, wie spät es ist" klingt Humor durch, jedoch ist dieser einfühlsame Roman keine wirkliche Komödie, sondern eher eine kleine Selbstfindung der Hauptprotagonistin.
Diese heißt Nora, ist Französin und wird nach dem Tod ihres Vaters Klaus mit seinem ungewöhnlichen letzten Willen konftrontiert. Sie soll gemeinsam mit einem österreichischen Notariatsgehilfen die Urne ihres Vaters an einem noch unbekannten Ort in Österreich bringen. Mittels Videobotschaft oder Briefen wird die nächste Teilstrecke, die die Beiden zurücklegen müssen, bekannt gegeben.
Nora ist außer sich vor Wut. Die chaotische Journalistin, die das französische "laissez-faire" liebt, soll in die von ihr ungeliebte Heimat ihres Vaters reisen. Noch dazu mit Bernhard, diesem pedantischen und langweiligen Schnösel, der die notarielle Aufsicht hat. Nora will diese Reise so schnell wie möglich hinter sich bringen und rechnet so gar nicht mit einer Art Schnitzeljagd durch Österreich....vorallem nicht zu Fuß! Denn in ihrem Koffer sind mehr Cocktailkleider als praktische Hosen und an den Füßen trägt sie Stöckelschuhe statt Wanderschuhe......
Mit viel Humor, bei dem wir Österreicher vom Autor ein bisschen auf die Schippe genommen werden, beschreibt René Freund nun den Weg von Nora von Wien ausgehend Richtung Westen. Dabei kommen sie auch in meiner Gegend vorbei und ich habe mich zerkugelt über die Bermerkungen über unsere Region ;)
Größtenteils zu Fuß soll Nora sich durch die anfängliche Hügellandschaft und spätere Bergwelt quälen. Wie sich die beiden sehr ungleichen Charaktere zusammenraufen, ist wunderbar beschrieben. Auch die lebendigen Schilderungen der oft eskalierenden Szenen zwischen Nora und Bernhard, sowie die bildhafte Beschreibung der Umgebung, lassen viele Bilder im Kopf entstehen.
Die melancholischen Einschübe durch die Botschaften des verstorbenen Vaters zeigen auch eine andere Seite von ihm, die Nora nicht kannte. Hier hält der Autor immer etwas inne und lässt auch manchmal dem Leser etwas nachdenklich zurück. Bernhard, der notarielle Begleiter, zeigt ebenfalls immer mehr überraschende Eigenschaften, die Nora ihm nie zugetraut hätte.
Hat man den Klappentext gelesen, erwartet man als Leser eine 08/15 (Liebes-)geschichte, doch René Freund hält hier eine Überraschung bereit, mit der der Leser nicht wirklich rechnet. Mich konnte er auf jeden Fall mit seiner unvorhersehbaren Wendung verblüffen.
Dieses Ende und die wunderbare Beschreibung der Reise zum Ich, die Nora antritt, machen diesen Roman zu etwas Besonderem.
Schreibstil:
René Freund hat einen sehr einnehmenden Schreibstil, der mich überzeugt und berührt. Die humorvollen Einlagen haben mich schon bei "Liebe unter Fischen" begeistert. Auch die sehr bildhaften Beschreibungen der gemeinsamen Reise von Wien ausgehend Richtung Westösterreich waren absolut gelungen. Da ich sehr viele Regionen kannte, die der Autor beschrieben hat, fühlte ich mich fast wie zuhause ;)
Fazit:
"Niemand weiß, wie spät es ist" ist meiner Meinung nach der beste Roman des Autors, den ich bis jetzt gelesen habe (die Biografie seines Vater zähle ich hier nicht mit!). Ich habe mitgelacht und mitgefiebert, wohin Noras Vater sie schlussendlich schickt und welches Geheimnis es zu entdecken gibt. Von mir gibt es eine Leseempfehlung!