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Veröffentlicht am 07.06.2018

Historischer Roman statt Jugendbuch – positive Überraschung

Feuerrot
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„Feuerrot“ von Nina Blazon spielt in Ravensburg im Jahre 1484. Magdalene – Madda – ist Magd im Hause der reichen und angesehenen Kaufmannsfamilie Humpis. Bald gibt es ein neues Gesicht in der Stadt. Der ...

„Feuerrot“ von Nina Blazon spielt in Ravensburg im Jahre 1484. Magdalene – Madda – ist Magd im Hause der reichen und angesehenen Kaufmannsfamilie Humpis. Bald gibt es ein neues Gesicht in der Stadt. Der Inquisitor Kramer soll nachforschen, ob die anhaltenden Unglücke in Ravensburg auf Hexerei zurückzuführen sind. Madda begegnet er von Anfang an missgünstig, doch während alle im Hause Humpis mit dem Besuch eines italienischen Kaufmannssohns beschäftigt sind, beginnt in der Stadt eine Hexenjagd. Und schließlich wird auch Madda angeklagt.

Ich lese sehr gerne historische Romane und habe auch schon einige beendet, in denen Hexenverfolgung eine Rolle spielte. Hier wusste ich allerdings nicht, worauf ich mich einstellen muss, war die Lektüre doch als Jugendbuch gekennzeichnet (und außerdem aus dem Ravensburger Verlag, der vor allem für dieses Genre bekannt ist). Erwartet habe ich eine jugendliche Liebesgeschichte im mittelalterlichen Setting mit dem Thema Hexenverfolgung als Hintergrund. Doch ich wurde überrascht.
Natürlich gibt es einige Erzählstränge rund um die Liebe. Aus der Perspektive mehrere Charaktere erfährt der Leser deren Wünsche und unerfüllte Sehnsüchte und kann sich schnell zusammenreimen, wem wohl mit welcher Person ein glückliches Ende beschieden sein wird. Aber die Ereignisse der Hexenverfolgung nehmen einen ganz und gar nicht unwesentlichen Teil der Geschichte ein und sind zudem historisch fundiert. Heinrich Kramer, Verfasser der Hexenhammers, wird – wie aus dem Nachwort hervorgeht – fast ausschließlich mit Zitaten aus seinem Werk wiedergegeben. Auch ein Großteil der angeklagten Frauen und andere wichtige Personen aus der Stadt hat es so gegeben.

Liest man die Zitate aus dem Hexenhammer und Kramers Meinungen zu Folter, wird dem Leser ganz anders zumute. Stellenweise konnte ich nicht mehr als einige Seiten am Stück lesen, danach brauchte ich etwas Fröhliches zur Ablenkung. Am Ende aber auch noch zu erfahren, dass die Begebenheiten sich genau zu dieser Zeit, genau dort und fast genau so abgespielt haben, hat ebenfalls einen herben Beigeschmack. Ich war wirklich beeindruckt von der Tiefe der Erzählung und den Gefühlen, die das Buch transportiert hat, die überhaupt nicht so oberflächlich waren, wie ich vor Beginn der Lektüre vermutet hatte.

Für meinen Geschmack hätten die Liebesgeschichten kürzer ausfallen können, aber eine führte zu einer Intrige, die ich so nicht habe kommen sehen und die wieder spannend zu lesen war. Dadurch nimmt die Geschichte aber erst relativ spät Fahrt auf. Vorher gibt es viele Stellen, die der Leser, der weiß, dass es um Hexenverfolgung geht, wachsam aufnimmt in dem Wissen, dass diese Taten oder Worte Madda später zum Verhängnis werden können. Aber erst als sie verhaftet wird, kann man das Buch kaum aus der Hand legen, zu groß die Sorge, was ihr wiederfahren wird, ob und wie sie freikommt.

Ich bin immer noch nicht zu einem Ergebnis gekommen, warum das Buch als Jugendbuch eingestuft wurde. An eine explizite Altersangabe von Madda kann ich mich nicht erinnern. Nach Gefühl könnte sie alles zwischen 14 und 25 Jahren alt gewesen sein. Ich würde „Feuerrot“ klar als historischen Roman definieren. Auf der einen Seite ist er durch einen Glossar, der wirklich viele Basis-Begriffe erklärt, für Einsteiger in dieses Genre gut geeignet. Auf der anderen Seite sind die Thesen bei der Hexenverfolgung und vor allem auch die Folter (wenn auch hier nicht explizit erzählt) keine leichte Kost.

Zusammenfassend hat mich das Buch positiv überrascht. Die historische Korrektheit und die negativen Gefühle, die es vermittelt sind ganz große Pluspunkte. Die Liebesgeschichten waren etwas zu vorhersehbar und auch das Ende ein wenig zu rosig. Insgesamt komme ich daher zu 4 von 5 Sternen.

Veröffentlicht am 31.05.2018

Fakten und Legenden um Robin Hood mitreißend verwoben

Die Pranken des Löwen
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„Die Pranken des Löwen“ ist der erste Teil, der fünf Bände umfassenden Robin-Hood-Reihe von Mac P. Lorne. Bereits dieser erste Band kann jedoch in zwei separate Akte eingeteilt werden, die sich für mich ...

„Die Pranken des Löwen“ ist der erste Teil, der fünf Bände umfassenden Robin-Hood-Reihe von Mac P. Lorne. Bereits dieser erste Band kann jedoch in zwei separate Akte eingeteilt werden, die sich für mich auch wie zwei getrennte Bücher angefühlt haben.

Im ersten Part ist der Protagonist Robert Fitzooth (der Ältere), später der Großvater von Robin Hood. Zu Beginn der Geschichte ist daran allerdings noch gar nicht zu denken. Robert begleitet die Tochter Henrys I., Matilda, auf das Festland, wo sie fortan bei ihrem versprochenen Gemahl, Heinrich V., lebt. An ihrer Seite erlebt Robert sowohl den Kampf des Paares um die Kaiserkrone, als auch später Matildas Kampf um die Krone Englands zu Zeiten der sogenannten „Anarchy“.
Im zweiten Teil heißt der Protagonist ebenfalls Robert Fitzooth (der Jüngere), bekannter unter dem Namen Robin Hood. Zum einen geht es um die Entstehungsgeschichte dieser legendären Figur, zum anderen um die – bekannten oder unbekannten – Abenteuer, die er mir seinen Merry Men bestreitet.

Der Autor stand bei diesem Werk vor der besonderen Herausforderung, die vielen Legenden um Robin Hood kritisch zu beleuchten. Seine Bücher sind hervorragend recherchiert und er stellt immer den Anspruch, dass das, was nicht klar belegt ist, zumindest so hätte passieren können. Dies ist wieder ausgezeichnet umgesetzt worden. Nicht selten hat der Leser die Szenen bekannter Verfilmungen (Disney oder die Verfilmung mit Kevin Costner) vor Augen, aber gleichzeitig bekommt man das Gefühl, man würde erstmalig die wirkliche, biografische Geschichte lesen. Um die bekannten Abenteuer entstehen ein Gesamtzusammenhang und eine authentische Schilderung, die sich an allen Enden perfekt in die Historie einfügt.

Was mir zudem wieder besonders gut gefällt ist, dass der Fokus klar auf der Geschichte Englands liegt. Dazu gehören die Schlachten, die weitverzweigten Abstammungen und dazu gehört auch das Gefühl des Stillstands während der Anarchy. Dies finde ich in Lornes Romanen sehr angenehm für alle Leser, die die Geschichte selbst suchen und denen nicht nur ein historischer Hintergrund für fiktive Erzählungen reicht. Im Gegensatz zu „Der Herr der Bogenschützen“ waren hier die Liebesgeschichten leider etwas mehr ausgeschmückt. Immer noch sehr viel weniger, als bei anderen Autoren, aber doch so weit, dass es mich störte und ich den Fokus kurz als verschoben empfand. Lieber wollte ich zurück zur großen Historie.

Denn Geschichten erzählen gelingt Lorne erstklassig. Spannend und mitreißend sind die Erlebnisse der Protagonisten geschildert – sowohl kleine Winkelzüge, als auch große Kämpfe. Trotz des Umfangs von mehr als 700 Seiten liest sich der Roman sehr schnell, da man ihn – vor allem in der letzten Hälfte - kaum aus der Hand legen kann. Der Leser bangt um alle Charaktere, freut sich und leidet mit ihnen. Die erschaffenen Antagonisten sind bösartig und die Ungerechtigkeiten dieser Zeit sind mit Händen zu greifen. Allgemein wird das Lebensgefühl dieses Jahrhunderts sehr gut transportiert, sodass man sich gut in die damalige Zeit einfühlen kann.

Nicht unerwähnt lassen möchte ich auch wieder die exzellente Ausstattung: Karten, Personenregister, Historische Anmerkungen, Zeittafel, Glossar und Bibliografie. Das Herz eines Fans historischer Romane schlägt direkt höher. Als dann eine Stelle in der Geschichte kam, in der eine Burg beschrieben wurde, runzelte ich kurz die Stirn: einen Lageplan hätte ich doch, ob einer so komplexen Anlage, für wünschenswert gehalten. Aber einmal umgeblättert war wieder klar, dass Lorne genau weiß, was der Leser benötigt.

Ich komme zu vier von fünf Sternen, da etwas weniger Liebesgeschichte besser zu dem Gesamtkonzept gepasst hätte. Davon abgesehen jedoch ein historischer Roman genau nach meinen Vorstellungen. Es fehlt mir an nichts und ich werde die anderen vier Teile der Reihe auf jeden Fall auch lesen. Mac P. Lorne arbeitet sich unaufhaltsam in die Riege meiner Lieblingsautoren vor.

Veröffentlicht am 16.05.2018

Prickelnde Hassliebe mit dem gemeinsten aller Bad Boys

Vicious Love
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„Vicious Love“ ist der Auftakt der „Sinners of Saint“ Reihe von L. J. Shen. In dieser Reihe geht es in jedem Teil um einen Jungen beziehungsweise Mann der „Four HotHoles“, eine Clique der All Saints Highschool. ...

„Vicious Love“ ist der Auftakt der „Sinners of Saint“ Reihe von L. J. Shen. In dieser Reihe geht es in jedem Teil um einen Jungen beziehungsweise Mann der „Four HotHoles“, eine Clique der All Saints Highschool. Was sie gemeinsam haben: Sie sind alle sehr attraktiv, Frauenhelden und unfassbar gemeine Typen, „***holes“.
Im ersten Teil geht es um Baron „Vicious“ (dt.: bösartig) Spencer. Zu Highschool-Zeiten tyrannisiert er die Tochter seiner Hausangestellten, Emilia, die auf seine Schule geht. Zehn Jahre nachdem er sie aus der Stadt vertrieben hat, leitet Vicious mit seinen Freunden ein erfolgreiches Unternehmen, während Emilia sich und ihre kranke Schwester gerade so über Wasser halten kann. Als Vicious und Emilia sich wiedertreffen, sind beide immer noch voller Hass, aber zugleich lieben sie sich auch. Eine ungesunde Kombination.

Das Buch ist im Wechsel aus den Perspektiven von Emilia und Vicious geschrieben. Zu Beginn gibt es außerdem einige Rückblenden in ihre Highschool-Zeit. Je weiter die Geschichte in der Gegenwart voranschreitet, desto seltener werden die Rückblenden. Das ist schade, weil man durch sie Stück für Stück erfährt, was sich damals ereignet hat. So steuert nicht nur die aktuelle Geschichte, sondern auch die damalige auf einen Höhepunkt zu. Der Verlauf der Handlung in der Gegenwart ist natürlich genre-bedingt recht vorhersehbar, aber dadurch, dass man immer mehr über die Vergangenheit, sowie über Vicious Gefühlswelt erfährt, bleibt die Geschichte noch relativ spannend.

Zu den Charakteren: Vicious macht seinem Spitznamen wirklich alle Ehre. Ich habe bereits einige Geschichten rund um Bad Boys gelesen und dieses Genre bietet auch sehr viele davon. Aber noch nie ist mir einer untergekommen, der wirklich so abscheulich gemein war. Gegen ihn wirken alle anderen Bad Boys harmlos, sie könnten von ihm noch etwas lernen. Natürlich merkt man irgendwann, dass der auch eine weiche Seite hat, aber diese liegt so tief unter der Oberfläche, dass es wirklich lange dauert, bis man als Leser auch nur ansatzweise verstehen kann, woher Emilias zwiespältige Gefühle für ihn kommen. Hier ist es der Autorin wirklich hervorragend gelungen, einen Charakter zu kreieren, der aus dem Meer von bösen Jungs heraussticht.

Emilia ist das komplette Gegenteil. Sie ist immer nett zu allen Menschen und kümmert sich fürsorglich um ihre kranke Schwester Rosie. Sie ist der Inbegriff von „aufopferungsvoll“ und bei ihr fällt es wiederum gar nicht schwer zu verstehen, warum man sich in sie verlieben kann. Trotzdem hat man nicht das Gefühl, als wäre hier das aufgebrauchte Schema „Gegensätze ziehen sich an“ verewigt. Ihre beiden Charakter sind so weit voneinander entfernt, dass man gar nicht glauben kann, sie könnten überhaupt nebeneinander existieren.

Vielleicht ist das auch der Grund, warum ich mit der Liebesgeschichte nicht ganz warm geworden bin. Nach und nach verstehe ich Vicious Motive für sein Verhalten, aber dennoch gibt es kein Erlebnis wo ich beginne, mich in ihn zu verlieben. Emilias Liebe bleibt für mich unverständlich und es scheint wohl die Art Beziehung zu sein, die durch einen Blick oder eine ganz besondere Aura entsteht, die das Buch mir einfach nicht rüberbringen konnte. Das mag jetzt sehr vernichtend klingen, aber es ist einfach nur keine typische Liebesgeschichte für mich gewesen, was ich gar nicht so schlimm finde. Lediglich meine Erwartungen gingen eher in Richtung einer großen Romanze. Aber das, was Shen hier aufbietet ist vielleicht sehr viel näher an der Realität, als die gefühlvollen, schmachtenden Werke ihrer Kolleginnen.

Einen großen Minuspunkt gibt es für mich allerdings: das Finale. Das Ende ist einfach zu perfekt. Alle Träume und Wünsche gehen in Erfüllung und jedes Opfer, was gebracht wurde, wird wieder aufgehoben, sodass man gar nicht das Gefühl hat, jemand hätte wirklich etwas opfern müssen. Sogar einige Nebencharaktere kriegen ihr eigenes Happy End. Rund 30 (Ebook-)Seiten vor Ende habe ich mich schon gefragt, was da noch kommt. Vielleicht eine Leseprobe zu Teil zwei? Es gab einfach genügend Stellen, an denen die Autorin hätte aufhören können. Aber sie musste immer noch einen draufsetzen. Dies passt wiederum gar nicht zu der von mir zuvor angepriesenen unverklärten, dafür realistischeren Liebe.

Für dieses Ende ziehe ich einen Punkt ab. Es verbleibt ein echter Bad Boy mit vielen Geheimnissen und eine prickelnde Hassliebe zwischen den Protagonisten, die ich vielleicht nicht verstehen kann, die sich aber richtig und echt anfühlt. Somit komme ich zu 4 von 5 Sternen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Figuren
  • Gefühl
  • Geschichte
Veröffentlicht am 27.04.2018

Starke Protagonistinnen, Nebencharakteren fehlt etwas Tiefe

Iron Flowers – Die Rebellinnen
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„Iron Flowers – Die Rebellinnen“ ist der erste Teil der dystopischen Iron Flowers – Reihe von Tracy Banghart. Es geht um die beiden ungleichen Schwestern Nomi und Serina, die in dem Königreich Viridia ...

„Iron Flowers – Die Rebellinnen“ ist der erste Teil der dystopischen Iron Flowers – Reihe von Tracy Banghart. Es geht um die beiden ungleichen Schwestern Nomi und Serina, die in dem Königreich Viridia leben. Dort haben Frauen keinerlei Rechte. Beginnend mit dem Verbot lesen zu lernen bis zu dem absoluten Gehorsam gegenüber Männern, werden sie vollständig unterdrückt.
Der Regent des Landes - und jetzt nach ihm erstmals sein ältester Sohn und Thronfolger – wählt alle drei Jahre drei Frauen aus, um mit ihm im Palast zu leben, die sogenannten Graces. Serina reist als Anwärterin auf diese Position begleitet von Nomi in die Hauptstadt. Doch es kommt ganz anders und die Schwestern werden grausam getrennt. Es beginnt ein Kampf füreinander, für das eigene Leben und um die Rechte aller Frauen im Königreich.

Die Kapitel werden immer abwechselnd aus der Sicht von Nomi und Serina im personalen Erzählstil geschildert. Zu Beginn ist dies für den Leser sehr interessant, um die ganz verschiedenen Charaktere der beiden Schwester zu erkennen. Später ist es aber elementar wichtig, da nach der Trennung der beiden zwei vollkommen unterschiedliche Geschichten erzählt werden.

Beide Protagonistinnen machen im Laufe des Romans eine beeindruckende Entwicklung durch. Sie wachsen über sich hinaus, ohne dass es übertrieben wirkt. Besonders charmant daran ist, dass sie Eigenschaften entwickeln müssen, die nur die jeweils andere besitzt und die sie an dieser vorher zuweilen verteufelt haben. Diese Entwicklung mitzuerleben ist für den Leser sehr interessant. Ihre Sorgen und Probleme, sowie ihre Motive werden eingehend beleuchtet, sodass man sich mit beiden verbunden fühlt.

Dies trifft auf die Nebencharaktere leider nicht zu. Serina und Nomi beginnen jeweils ein völlig anderes Leben und treffen viele neue Menschen. Obwohl sie davon sprechen zu dieser oder jener Person eine Freundschaft aufzubauen, bleibt dies sehr plastisch. Der Leser fühlt diese Freundschaften nicht und kann somit auch seinerseits keine Verbindung zu diesen Personen aufnehmen. Die Konsequenz ist, dass man sie durch ihre Namen oder optische Auffälligkeiten unterscheidet, aber nicht durch die Gefühle, die man beim Lesen ihrer Namen empfindet. Hier ist leider sehr viel Potenzial liegengeblieben und ich hoffe, dass Tracy Banghart das im zweiten Teil wieder etwas wettmacht.

Die Geschichten der Mädchen sind jede auf ihre unterschiedliche Art sehr spannend. In der Mitte gab es eine kleine Länge, während der ich weder bei Serina noch bei Nomi weiterlesen wollte, aber im letzten Drittel wollte ich bei jedem neuen Kapitel lieber mehr von der anderen Schwester lesen. Das ist ein Gefühl, dass ein Buch mit wechselnden Perspektiven bei mir zwingend auslösen muss, um spannend und gut geschrieben zu sein. Da dies hier zum größten Teil der Fall war, sehe ich kaum Verbesserungsbedarf bei der Handlung.

Etwas schade ist, dass mir relativ früh klar, auf welche Wendung oder Plott Twist die Autorin hinarbeitet. Die von ihr angestrebte Überraschung blieb bei mir daher leider aus. Gelingt so eine Kehrtwende, ist das für mich immer ein ganz großer Pluspunkt für ein Buch. Wenn es umgekehrt aber nicht funktioniert, schlägt es nicht so negativ zu Buche, denn es ändert nichts daran, dass es für den Protagonist unerwartet ist und ihm den Boden unter den Füßen wegzureißen vermag. Daher ziehe ich für die Vorhersehbarkeit der Handlung nicht allzu viele Punkte ab.

Nach Lektüre des Klappentextes und der ersten paar Seiten habe ich zugegebenermaßen die Augen verdreht, musste ich - wie viele andere wohl auch – an die „Selection“ – Reihe von Kiera Cass denken. Ich war allerdings überrascht, wie schnell sich dieses Gefühl aufgelöst hat, denn die hier dargestellte Welt ist, sowohl innerhalb als auch außerhalb des Palastes, sehr viel härter und düsterer. Daher möchte ich allen Interessierten, die Angst um diese Ähnlichkeit haben, sagen: Es ist nicht so. Angenehmerweise stehen auch Liebesbeziehungen eher im Hintergrund, sodass der Fokus hier – im Gegensatz zu Selection – von Anfang an vermehrt auf den Zuständen der Gesellschaft liegt.

Insgesamt liegt hier eine spannende Geschichte in einem tollen, dystopischen Setting vor. Für die etwas farblosen Nebencharaktere und Freundschaften muss ich aber einen ganzen Punkt abziehen, sodass ich zu 4 von 5 Sternen komme.
Ich freue mich schon sehr auf Teil zwei, denn es ist noch ganz viel inhaltlich zu klären und vielleicht versucht Tracy Banghart es ja noch mal mit einem Plott Twist und kann mich diesmal überraschen.

Veröffentlicht am 17.04.2018

Kein Vergleich zu ihren heutigen Thrillern

Sag niemals stirb
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„Sag niemals stirb“ (org.: „Never Say Die“) wurde zwar 2018 in einer neuen Auflage veröffentlicht, ist aber 1992 erstmals erschienen und somit eins der äußerst frühen Werke von Tess Gerritsen. Als großer ...

„Sag niemals stirb“ (org.: „Never Say Die“) wurde zwar 2018 in einer neuen Auflage veröffentlicht, ist aber 1992 erstmals erschienen und somit eins der äußerst frühen Werke von Tess Gerritsen. Als großer Fan ihrer Medical Thriller inklusive der Rizzoli & Isles Reihe, war ich sehr gespannt darauf, einmal einen Blick auf Gerritsens Anfänge zu werfen.

Wilone „Willy“ Maitland kommt nach Vietnam, um herauszufinden, was mit ihrem Vater geschah, der seit einem Flugzeugabsturz vor 20 Jahren als verschollen gilt. Guy Bernard, Paläontologe, der für die Regierung Überreste identifiziert, ist ebenfalls vor Ort, um den Verbleib des berüchtigten US-Piloten und Verräter Friar Tuck zu klären, der damals für die Vietnamesen flog. Während die beiden sich zusammenschließen, kommen Willy Zweifel, ob ihr Vater wirklich der Mann war, für den sie ihn hielt. Gleichzeitig ereignen sich zahlreiche Todesfällen unter den Personen, mit denen Willy und Guy für ihre Nachforschungen sprechen. Doch welche Organisation steckt dahinter und was dürfen die beiden nicht herausfinden?

Die Geschichte startet direkt sehr aufregend aus der Perspektive von Willys Vater zum Zeitpunkt des Flugzeugabsturzes. Es geht alles blitzschnell und der Leser kann selbst nicht sagen, ob er überlebt hat, oder nicht. Nach diesem Prolog wird die Geschichte in der 20 Jahre später angesiedelten Gegenwart erzählt. Dies geschieht überwiegend aus den Perspektiven von Guy und Willy. Die ersten paar Seiten sind hier etwas zäh, erfährt man zuerst nur etwas über die Motive der beiden und wie schwierig es für Willy ist, allgemein an Informationen zu kommen und insbesondere in Vietnam nicht vor verschlossenen Türen zu stehen. Da das Buch nur 300 Seiten umfasst, hätte ich mir hier einen etwas schnelleren Start gewünscht. Sobald es einmal losgeht, bleibt der Spannungsbogen allerdings hoch und die wichtigen Ereignisse reihen sich aneinander. Am Ende kann Gerritsen noch mit einer großen Überraschung aufwarten, die ich so nicht habe kommen sehen. Ich weiß nicht, ob ich den Roman als „Thriller“ oder auch nur „Krimi“ bezeichnen würde. Er ist zwar spannend geschrieben, aber die Bezeichnung „Abenteuerroman“, die ich bei anderen Lesern gesehen habe, finde ich sehr viel passender.

Nach einigen Kapiteln schwirrt dem Leser jedoch der Kopf vor lauter agierender (oder auch nur eventuell agierender) Organisationen, ihren Motiven und konkreten Anhängern. Es fällt schwer, „Gut“ und „Böse“ eindeutig zu trennen, was das Kriegsgeschehen aber vermutlich gut wiederspiegelt. Wie auch Willy traut der Leser niemandem und spätestens als die Morde beginnen, ist jeder verdächtig.

Sehr schade fand ich, dass Willy hier nicht die Rolle der starken Protagonistin einnimmt, die ich mir nach Lektüre des Klappentextes erhofft habe. Guy mit seiner Militärvergangenheit, den daraus resultierenden Kontakten und grundlegenden Sprachkenntnissen, ist natürlich prädestiniert dafür, die Nachforschungen voran zu treiben, aber sehr schnell läuft Willy einfach nur nebenher mit. Außerdem scheint sie alle Entwicklungen, sowohl ihren Vater als auch die Morde betreffend, so gut wegzustecken, dass es ihr etwas an Authentizität mangelt. Vielleicht wäre dies zu vermeiden gewesen, wenn sie einen größeren Anteil an dem Vorankommen der Geschichte gehabt hätte.

Was mich allerdings am meisten gestört hat, ist die eingebundene Liebesgeschichte. Diese ist nicht nur überflüssig, sondern auch kein bisschen authentisch. Willy hat – ganz nach Klischee – ein Problem Männern zu vertrauen. Guy hingegen – ebenfalls nach Drehbuch – hat eine dunkle Vergangenheit. Zunächst misstraut Willy ihm, was auch Sinn macht. Dann ereignet sich eine Begebenheit und von jetzt auf gleich weiß sie, dass sie ihm ihr Leben anvertrauen kann (indirektes Zitat!). Nicht nur, dass diese Reaktion überhaupt nicht zu dem stattgefunden Ereignis im Verhältnis steht, auch ist es absolut unglaubhaft und übertrieben, dass binnen einer Sekunde jegliche Vorbehalte entfallen. Natürlich ist es für die Geschichte sehr bequem.
Danach kämpfen die beiden nicht nur gegen Bösewichte, sondern auch gegen das sexuelle Verlangen, dass sie fortwährend umgibt, weil es falsch wäre, sich diesem hinzugeben. Warum es falsch wäre, ist dem Leser nicht einleuchtend.
Ich habe grundsätzlich nichts dagegen, wenn eine Liebesgeschichte in ein anderes Genre eingeflochten wird. Aufgrund des geringen Umfangs des Buches, verdrängt diese aber hier viel zu viel vom Hauptstrang der Geschichte. Außerdem reicht der Platz nicht aus, um die Story individuell und glaubwürdig zu machen, daher wäre es meiner Meinung nach besser gewesen, darauf zu verzichten.

Insgesamt hat mir die Grundidee gut gefallen. Das Thema ist unverbraucht und das Setting in Vietnam interessant. Nach einem gemächlichen Start liegt durchaus eine spannende Story vor, allerdings bei weitem nicht so ein Pageturner, wie man es heute von der Autorin kennt. Für den Charakter und die Verwendung von Willy, sowie die unnötige und klischeehafte Liebesgeschichte ziehe ich jeweils einen Punkt ab, sodass ich zu 3 von 5 Sternen komme.