Ein leichtes Buch (knapp 300 Gramm) - aber so schwerer Inhalt
Ratten am Bullenhuser DammMit seinem Buch „Ratten am Bullenhuser Damm“ hat Jürgen Ehlers ein außergewöhnliches, ein ganz besonderes Buch geschaffen!
Auf dem rückwärtigen Cover steht: „WARNUNG Dieses Buch ist kein Kinderbuch, obwohl ...
Mit seinem Buch „Ratten am Bullenhuser Damm“ hat Jürgen Ehlers ein außergewöhnliches, ein ganz besonderes Buch geschaffen!
Auf dem rückwärtigen Cover steht: „WARNUNG Dieses Buch ist kein Kinderbuch, obwohl Kinder darin vorkommen.“ Ja, es kommt so leicht und unbeschwert daher, tatsächlich in „normaler“ Bilderbuchgröße... Aber schon das Cover - und besonders der Vergleich vom vorderen mit dem hinteren Cover macht den Inhalt deutlich: vorn ist ein kleines Mädchen mit Puppe, hinten liegt die Puppe zerbrochen am Boden...
Alles an diesem Buch ist ungewöhnlich: die gesetzte Schrift erinnert an Schreibschrift, die Grafiken (leicht verwischt) sind – bis auf einige sehr schöne Blumenbilder – dunkel und düster, sehr passend zum Text!
Ich zitiere noch einmal das hintere Cover: „Die Geschichte ist ein Beispiel dafür, wofür Menschen fähig sind. Ganz gewöhnliche Menschen." Auch die stilistische Herangehensweise ist beeindruckend „anders“ als in der herkömmlichen Literatur: der Autor lässt den realen Arzt Dr. Alfred Trzebinski die Geschichte der Ermordung der Kinder in der Schule Bullenhuser Damm in Hamburg am 20.4.1945 selbst erzählen – der reale KZ-Arzt erzählt sie fünf Monate nach Kriegsende der fiktiven Carmen, einer 20-jährigen Jüdin, die aus der Außenstelle des KZ Neugraben geflüchtet war. Alfreds „Berichterstattung“ ist sachlich und vollkommen emotionslos – und er badet dabei in Selbstmitleid: „'Ich habe es nicht gewollt,' sagte er“ und ergänzt „Es war ein Befehl und ich habe ihn ausgeführt. So ist das im Krieg. Man bekommt einen Befehl, den muss man ausführen.“
Das Buch macht nachdenklich, erschüttert, rüttelt auf, hallt lange nach.... Ich habe auch noch beim 3. Mal Lesen wieder neue Nuancen entdeckt, die mir vorher nicht aufgefallen waren, man spürt förmlich, dass der Autor jedes Wort und jede Grafik (die er selbst verfremdet hat) ganz bewusst eingesetzt hat.
Ich bin mir der Gefahr bewusst, mich zu wiederholen: es ist ein Buch mit einem „Alleinstellungsmerkmal“ - mir ist zumindest kein auch nur ähnliches Buch bekannt.
Ich finde, eine reine Weiterempfehlung von mir reicht für dieses Buch nicht aus, das ist das mindeste, was ich machen kann... Ich wünsche dem Autor von ganzen Herzen, dass sein Buch so bekannt wird, dass es Preise gewinnt – oder wahrscheinlich besser: dass sein Buch so bekannt wird, dass es ganz viele Menschen kaufen und es in sich wirken lassen!