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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 06.10.2024

Schwer, aber wichtig!

Fünf Leben
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Fünf Leben ist ein intensiver Roman, der ein dramatisches Leben und ein wichtiges Thema der Geschichte miteinander verwebt. Die Erzählung der jungen Daiyu, die aus ihrer Heimat China entführt und in die ...

Fünf Leben ist ein intensiver Roman, der ein dramatisches Leben und ein wichtiges Thema der Geschichte miteinander verwebt. Die Erzählung der jungen Daiyu, die aus ihrer Heimat China entführt und in die USA verschleppt wird, ist sowohl spannend als auch zutiefst berührend. Für mich, die schon einige Romane gelesen hat aus Ostasien, war das eine Überraschung. Denn Fünf Leben ist nicht nur eine packende Erzählung, sondern auch ein wichtiges historisches Zeugnis, das auf realen Begebenheiten beruht, insbesondere auf den Auswirkungen des Chinese Exclusion Act, einem der dunkelsten Kapitel der amerikanischen Einwanderungsgeschichte.
Die junge Daiyu muss sich in einer Welt, die von Gewalt, Rassismus und Misogynie geprägt ist, immer wieder neu erfinden, um zu überleben. Ihre Reise führt sie durch verschiedene Identitäten – von einer Schülerin in China über das Leben in einem Bordell in San Francisco bis hin zu einem zurückgezogenen Leben in den Bergen Idahos. Ein für sich schwieriges Leben nach dem anderen. Dabei verfolgt sie nicht nur die Tragödie ihrer Entführung, sondern auch die systematische Diskriminierung, die chinesische Einwanderer im Amerika des 19. Jahrhunderts erlebten.
Die Themen , die Autorin Zhang aufgreift – Rassismus, Gewalt, Entführung und der Verlust von Identität – sind schwer.. Der Roman konfrontiert den Leser mit der brutalen Realität der chinesischen Einwanderer, deren Leben oft von Vorurteilen und Gewalt geprägt war. Besonders die Darstellung der Lynchmorde und die expliziten Formen des Rassismus machen deutlich, wie tief verwurzelt diese Vorurteile in der Gesellschaft waren. Teilweise war es echt schwer zu lesen. Dennoch gelingt es Zhang, diese Grausamkeiten mit einem tiefen Sinn für Menschlichkeit zu erzählen, ohne den Leser bloß schockieren zu wollen.
Was diesen Roman besonders auszeichnet, ist die innere Stärke der Protagonistin. Trotz der ständigen Notwendigkeit, sich den Umständen anzupassen, behält sie den tiefen Wunsch, ihren eigenen Namen und ihre Geschichte zurückzuerobern. Ihre Entwicklung im Laufe des Romans ist unaufhaltsam.
Zhangs Schreibstil ist eindringlich und atmosphärisch. Sie schafft es, sowohl die düstere Zeit in Amerika als auch die Schönheit von Daiyus innerer Welt lebendig zu beschreiben. Die Sprache ist poetisch und detailreich, was den Leser in die Welt von Daiyu zieht.
Zum Schluss lässt sich sagen, dass Fünf Leben ein wichtiger, bewegender Roman ist, der als historische Erinnerung überzeugt. Er beleuchtet ein übersehenes Kapitel der Geschichte und gibt einer jungen Frau eine Stimme. Der Roman ist spannend und berührend, doch sollte er auch mit Vorsicht genossen werden, da schwierige Themen, wie vorhin angesprochen, behandelt werden.

Veröffentlicht am 06.10.2024

Höchstaktuell und wichtig

Das Lied des Propheten
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Das Lied des Propheten ist ein eindringlicher dystopischer Roman. In einem Irland, das unter die Kontrolle einer autoritären Regierung gefallen ist, beginnt für die Wissenschaftlerin und vierfache Mutter ...

Das Lied des Propheten ist ein eindringlicher dystopischer Roman. In einem Irland, das unter die Kontrolle einer autoritären Regierung gefallen ist, beginnt für die Wissenschaftlerin und vierfache Mutter Eilish Stack eine unaufhaltsame Abwärtsspirale, nachdem ihr Mann Larry, ein bekannter Gewerkschafter, von der Geheimpolizei verhört und dann spurlos verschwindet.

Lynch zeichnet ein düsteres Bild eines Irlands, in dem die Grundrechte aufgehoben und Andersdenkende verfolgt werden. Die Atmosphäre ist bedrückend und beklemmend, und Eilish sieht sich zunehmend unsichtbaren Mächten ausgeliefert, während sie versucht, ihre Familie zusammenzuhalten. Die Bedrohung und die Unsicherheit prägen den Roman, und Lynch versteht es, diese Spannung durch einen intensiven, rasanten Schreibstil zu verstärken.

Doch gerade dieser stilistische Aspekt macht das Buch nicht leicht lesbar. Der sprachliche Druck und die immer wiederkehrenden bedrückenden Szenen erzeugen eine große emotionale Belastung. Für mich persönlich war der Schreibstil zwar interessant, aber auch sehr anstrengend. Die dichte, oft überwältigende Sprache verlangte mir viel Konzentration ab, und die brutalen Passagen machten es mir teilweise schwer, weiterzulesen. Einige Szenen musste ich sogar überspringen, da die Schilderungen zu schwer waren.

Inhaltlich bietet Das Lied des Propheten eine wichtige und alarmierende Botschaft. Die Parallelen zu aktuellen autoritären Tendenzen in der Welt sind unübersehbar, was den Roman zu einem Schlüsselwerk für unsere Zeit macht. Lynchs Vision eines faschistischen Irlands lässt sich mühelos auf gegenwärtige politische Entwicklungen übertragen, was das Buch umso relevanter macht.

Dennoch bleibt für mich der Eindruck, dass Das Lied des Propheten mehr durch seine Thematik und die eindringliche Darstellung einer untergehenden Welt besticht als durch Lesefreude. Der bedrückende Ton und die schonungslose Brutalität haben es mir schwer gemacht, das Buch zu genießen. Es ist zweifellos ein Werk, das zum Nachdenken anregt und aufrüttelt.

Fazit: Das Lied des Propheten ist ein literarisch anspruchsvoller und zutiefst bedrückender Roman, der durch seine düstere Vision und seine hochaktuelle Botschaft besticht. Lynch entwirft eine erschütternde Dystopie, die den Leser in Atem hält, aber auch emotional fordert. Ein Buch, das wichtige Fragen stellt, aber nicht leicht verdaulich ist. Zu Recht hat der Roman den Bookzer Prize 2023 gewonnen.

Veröffentlicht am 03.10.2024

Wohlfühlroman mit Schwächen!

Part of Your World
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"Part of Your World" von Abby Jimenez erzählt die Geschichte von Alexis Montgomery und Daniel Grant, zwei Menschen, deren Leben unterschiedlicher nicht sein könnten. Alexis, die Tochter einer angesehenen ...

"Part of Your World" von Abby Jimenez erzählt die Geschichte von Alexis Montgomery und Daniel Grant, zwei Menschen, deren Leben unterschiedlicher nicht sein könnten. Alexis, die Tochter einer angesehenen Arztfamilie, ist in einer Welt aus Pflichtbewusstsein und beruflichen Erwartungen gefangen. Daniel dagegen stammt aus einer ländlichen Gegend und führt ein beschauliches Leben. Trotz der deutlichen Unterschiede – Daniel ist zehn Jahre jünger und hat ein völlig anderes Lebensumfeld – entwickelt sich zwischen ihnen eine starke Anziehung. Was als zwanglose Affäre beginnt, wird schnell kompliziert, denn ihre Gefühle zueinander lassen sich nicht einfach unterdrücken.
Das Buch fängt stark an und das erste Drittel hat mir besonders gut gefallen. Jimenez schafft es, die Chemie zwischen Alexis und Daniel lebendig und glaubwürdig darzustellen. Vor allem die Dialoge und die humorvollen Szenen sind ein Highlight und machen das Kennenlernen der beiden Protagonisten unterhaltsam und charmant. Die Unterschiede zwischen Stadt und Land, Alter und Status sind gut herausgearbeitet und verleihen der Geschichte Tiefe.
Leider verliert das Buch im weiteren Verlauf an Authentizität. Ab einem bestimmten Punkt wird die Handlung vorhersehbar und wirkt oft zu glatt. Die Schwierigkeiten, die Alexis und Daniel aufgrund ihrer unterschiedlichen Lebensumstände zu erwarten haben, lösen sich gegen Ende einfach zu schnell und problemlos auf. Nach all dem Drama und den Herausforderungen fehlt es dem Schluss an emotionaler Tiefe und realistischen Konflikten. Besonders das Ende kommt fast zu märchenhaft daher, was dem zuvor aufgebauten Spannungsbogen nicht gerecht wird.
Trotz dieser Schwächen hat mich das Buch gut unterhalten. Die Liebesgeschichte ist gefühlvoll, und Abby Jimenez versteht es, die Leser*innen emotional zu packen. Auch wenn "Part of Your World" nicht ganz an die Qualität ihres anderen Romans heranreicht, bietet es doch eine schöne Auszeit und genügend Lesespaß. Für Fans der Autorin lohnt sich das Buch allemal, auch wenn es etwas weniger überraschend und authentisch wirkt.
Insgesamt ist es eine nette Lektüre, die mich gut unterhalten hat, aber nicht ganz das Niveau von Jimenez' vorherigen Werk erreicht hat. Trotzdem werde ich definitiv wieder zu einem ihrer Bücher greifen.

Veröffentlicht am 02.10.2024

super!

Eigentlich bin ich nicht so
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Marie Aubert beweist mit ihrem Roman "Eigentlich bin ich nicht so" ein bemerkenswertes Erzähltalent. Das Ganze entfaltet sich wie ein stilles Familiendrama, in dem unterschwellige Spannungen, unausgesprochene ...

Marie Aubert beweist mit ihrem Roman "Eigentlich bin ich nicht so" ein bemerkenswertes Erzähltalent. Das Ganze entfaltet sich wie ein stilles Familiendrama, in dem unterschwellige Spannungen, unausgesprochene Konflikte und emotionale Brüche mit einer geradezu meisterhaften Zurückhaltung beschrieben werden. Was diesen Roman besonders auszeichnet, ist Auberts klarer, distanzierter Schreibstil, der dennoch tiefe Emotionen zeigt.
Aubert gelingt es, den Leser hinter die Kulisse einer scheinbar normalen Familie zu entführen, ohne je ins Klischeehafte zu verfallen. Mit einer kühlen Präzision beschreibt sie das Konfirmationswochenende von Linnea, bei dem sich nach und nach die Zerbrechlichkeit familiärer Beziehungen offenbart. Die Figuren – Hanne, die immer noch unter ihrem alten Selbstbild leidet, und Bård, der sich ein anderes Leben erträumt – wirken dabei schmerzlich real.
Besonders gut hat mir gefallen, dass ich jede Erzählperspektive mochte, das Wochenende wird nämlich aus der Sicht von mehreren Familienmitgliedern erzählt. Jeder für sich war ein gut ausgearbeiteter Charakter, obwohl ich nicht jeden leiden konnte. Bei Bård habe ich mich etwas schwer getan, weil mir seine Kommunikation so gegen den Strich ging, bzw. seine “Nicht-Kommunikation”. Aber das ist ein Thema für einen Buchclub, für was der Roman echt gut geeignet ist. Es ist ansprechend von der Länge und vom Inhalt her trifft es viele.
Auberts Erzählweise bleibt durchweg von einer distanzierten Art, man könnte sagen, teilweise auch nüchtern oder es wirkt so durch ihren präzisen Stil, und doch spürt man in jedem Moment die tiefen Emotionen, die sich hinter der Fassade dieser Familie verbergen.
Besonders beeindruckend ist, wie die Autorin es schafft, die innere Zerrissenheit ihrer Charaktere durch subtile Andeutungen und stille Momente zu vermitteln. Die Sprache ist zurückhaltend, und genau darin liegt ihre Kraft. Jeder Satz sitzt, jedes Wort ist gezielt eingesetzt, sodass man als Leser zwischen den Zeilen förmlich die unterdrückten Gefühle und unausgesprochene Sehnsüchte spüren kann.
"Eigentlich bin ich nicht so" ist ein beeindruckendes Beispiel dafür, wie ein klarer Schreibstil große emotionale Wirkung entfalten kann. Aubert fesselt und berührt. Die leisen Töne des Romans hallen lange nach, wie auch das Ungesagte in diesem Roman und lässt den Leser über die Fragilität von Familie und menschlichen Beziehungen nachdenken.
Ein großartiger Roman, der zeigt, dass die größten Dramen oft im Verborgenen liegen!

Veröffentlicht am 09.09.2024

Beste Neuinterpreation!

Was die Toten bewegt (Eine packende und atmosphärische Nacherzählung von Edgar Allan Poes Klassiker "Der Untergang des Hauses Usher")
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T. Kingfisher hat mit „Was die Toten bewegt“ eine atmosphärisch dichte und faszinierende Neuinterpretation des Klassikers „Der Untergang des Hauses Usher“ von Edgar Allan Poe geschaffen. Die Nacherzählung ...

T. Kingfisher hat mit „Was die Toten bewegt“ eine atmosphärisch dichte und faszinierende Neuinterpretation des Klassikers „Der Untergang des Hauses Usher“ von Edgar Allan Poe geschaffen. Die Nacherzählung greift die düstere und unheimliche Stimmung des Originals auf und erweitert sie um neue, originelle Elemente. Während sie überraschend nah bleibt.
Kingfisher zeigt mit diesem Roman einmal mehr ihr herausragendes Talent, Geschichten zu beleben.

Die Geschichte folgt der Protagonistin Alex Easton, die die alte Freundin Madeline Usher in ihrem einsamen Familienanwesen besucht. Kingfisher gelingt es, das ursprüngliche Gefühl der Beklemmung und des Verfalls des Hauses Usher eindringlich darzustellen – doch gleichzeitig fügt sie unerwartete Wendungen hinzu, die die Handlung packend und originell machen. Dabei war ich sehr angetan von ihrer Pilz-Idee und fühlte mich an den Roman von Silvia Moreno-Garcia erinnert. Wobei dieser hier gruseliger ist. Sie bedient sich einer scharfsinnigen Erzählweise, die selbst in düsteren Momenten aufblitzt und der Geschichte eine eigene, einzigartige Dynamik verleiht.

Besonders gelungen ist, wie Kingfisher den Charakteren Tiefe verleiht und sie vielschichtiger und interessanter darstellt als im Original, besonders beim Protagonisten. Madeline und ihr Bruder Roderick wirken lebendiger, menschlicher – und gerade das verstärkt das Grauen, als die Ereignisse sich entfalten.

Ein Highlight der Geschichte ist, wie Kingfisher dem klassischen Gothic-Horror neue Dimensionen verleiht. Sie baut Elemente des Body-Horrors ein und schafft mit ihrer bildhaften Sprache eine dichte, fast greifbare Atmosphäre des Unheimlichen. Das sich langsam aufbauende Grauen entfaltet sich Stück für Stück, bis es zu einem packenden Finale kommt, das den Leser überrascht zurücklässt.

In „Was die Toten bewegt“ verschmilzt T. Kingfishers Liebe zum klassischen Horrorgenre mit ihrem unverkennbaren Stil. Die Novelle ist düster, mitreißend und überraschend zugleich. Fans von Poe werden die Anspielungen auf das Original lieben, während Neueinsteiger in die Welt des Hauses Usher von der kreativen Interpretation fasziniert sein werden.