Familiendramen
Sommerhaus am SeeAch ja, lockerleichte Sommerlektüre! ...Oder? Nein, eher weniger.
Nicht nur, dass Familientreffen selten Entspannung bedeuten und Lisa und Richard bei ihren Söhnen für Unmut sorgen, weil sie vorhaben, ...
Ach ja, lockerleichte Sommerlektüre! ...Oder? Nein, eher weniger.
Nicht nur, dass Familientreffen selten Entspannung bedeuten und Lisa und Richard bei ihren Söhnen für Unmut sorgen, weil sie vorhaben, das alte Sommerhaus zu verkaufen und sich stattdessen am Meer zur Ruhe zu setzen; direkt am ersten Tag ertrinkt auch noch ein kleiner Junge im See und trübt damit die Aussicht auf ein paar schöne Tage endgültig. Und als würde das alles noch nicht reichen, offenbart sich nach und nach, wie wacklig dieses ganze Gebilde eines heilen Familienlebens ist, das Lisa und Richard, Thad und Michael und deren Partnerinnen Jake und Diane hier für ein paar Tage aufrechterhalten wollen. Denn jeder einzelne von ihnen hat irgendetwas vor irgendwem zu verbergen, aber das wird mit jeder Minute schwieriger, die sie gemeinsam im Sommerhaus und in der näheren Umgebung verbringen - die Luft knistert vor Anspannung, die Nerven aller liegen blank.
Poissant gelingt es meisterhaft, unter der glänzenden Oberfläche wie beiläufig immer wieder dunkle Schatten auftauchen zu lassen. Erst noch als Macken und Eigenheiten getarnt offenbaren sich so nach und nach die Abgründe der einzelnen Figuren, während die Risse in ihrem Heile-Welt-am-See-Konstrukt immer tiefer werden. Alkoholprobleme, Drogen, heimliche und nicht ganz so heimliche Affären, tote Kinder und solche, die noch unterwegs sind - hier kommt so einiges ans Licht, das bisher gut verborgen geglaubt war. Keine der sechs Figuren kommt ohne ihr eigenes, persönliches Drama daher. Ob ihr soziales Gefüge gerade deshalb realistisch ist oder ob das nicht schon fast ein bisschen zu viel des Guten ist, lässt sich schwer sagen; es sorgt auf jeden Fall für einiges Tempo und viel mehr Tiefgang als erwartet. Die mit jedem Kapitel wechselnden Perspektiven, die alle Figuren zu Wort kommen lassen, sind erfrischend, verhindern jedoch zugleich, dass man einer bestimmten der Figuren näher kommt als den anderen. Eigenwahrnehmung und Fremdwahrnehmung gehen hier eng miteinander einher, der Fokus liegt trotz Innensicht nicht auf einer bestimmten Person, sondern ihrem Umgang und Leben miteinander - und das gelingt wirklich gut.