Profilbild von Anna625

Anna625

Lesejury Star
offline

Anna625 ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Anna625 über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 23.08.2021

Wunderbar erzählt - man mumss sich nur darauf einlassen

Greta und Jannis
0

Greta und Jannis wachsen gemeinsam auf. Sie sind wie Bruder und Schwester füreinander, bis sie sich eines Tages zum ersten Mal küssen - und sich sofort Hals über Kopf ineinander verlieben. Doch was sich ...

Greta und Jannis wachsen gemeinsam auf. Sie sind wie Bruder und Schwester füreinander, bis sie sich eines Tages zum ersten Mal küssen - und sich sofort Hals über Kopf ineinander verlieben. Doch was sich für beide so richtig anfühlt, darf niemals sein, denn es gibt ein lange gehütetes Geheimnis in der Familie, das Greta eine Beziehung zu Jannis verbietet. Also zieht sie fort in die Berge, ins allerletzte Dorf, das von außen noch erreichbar ist, und bringt die gewaltigen Berge zwischen sich und ihn. Dort lebt sie fortan bei Tante Severine und zieht mit ihr gemeinsam ausgesetzte Kinder auf. Doch so unüberwindbar das Gebirge wirkt, so sehr sind es auch Gretas und Jannis' Gefühle füreinander.

Was jedem, der diesen Roman aufschlägt, zweifelsohne als erstes auffallen wird, ist der Erzählstil, denn dieser erinnert das komplette Buch über sehr an einen Bewusstseinsstrom. Gretas Eindrücke werden unmittelbar wiedergegeben, wörtliche Rede ohne Abgrenzung durch Interpunktion in den Satz eingefügt, nur mittels Kursivierung kenntlich gemacht. Oft verbinden sich in einem Satz Indikativ und Konjunktiv, oder es verschmelzen gleich zwei ganze Sätze zu einem, weil sich Gretas Gedanken plötzlich etwas anderem zuwenden und dabei kaum Rücksicht auf die Satzkonstruktion nehmen. Das gestaltet den Text sehr anspruchsvoll, dafür liest er sich aber auch wirklich schön. Man braucht Zeit und Konzentration für diesen Roman, zumindest, wenn man nichts verpassen will. Lässt man sich jedoch voll und ganz auf den Erzählstil ein, wird man feststellen, wie bildgewaltig und einfühlsam "Greta und Jannis" geschrieben ist.

Dank der speziellen Erzählweise fühlt man sich Greta als Protagonistin sehr nahe. Ihre Wut und Verzweiflung darüber, nicht mit demjenigen zusammensein zu dürfen den sie liebt, weil in der Vergangenheit Fehler begangen und nicht rechtzeitig offenbart wurden, wird sehr greifbar beschrieben. Und doch ist es vor allem die Stille der Berge und der Natur, die den Roman auszeichnen. Die Nähe der Figuren zu den Bäumen und Tieren, die sie tagtäglich umgeben, macht einen essentiellen Teil der Geschichte aus. Sie sind Quelle der Ruhe, bieten die Geborgenheit, die den Figuren sonst verwehrt bleibt.

So wird "Greta und Jannis" zu einem sehr nachdenklichen Roman, der gekonnt zwischen Tragik und Stille balanciert und, sobald man sich darauf eingestellt hat, mit seiner poetischen Sprache überzeugt.

Veröffentlicht am 17.08.2021

Ein langatmiger Roman, der nicht weiß wo er hin will

Zikadensommer
0

Mira möchte in ihrer alten Heimat Athen einen Neuanfang wagen. Sie taucht ein in die Welt ihrer Vergangenheit und trifft alte Bekannte wieder, nicht zuletzt auch den Kapitän, der nun in der Wohnung neben ...

Mira möchte in ihrer alten Heimat Athen einen Neuanfang wagen. Sie taucht ein in die Welt ihrer Vergangenheit und trifft alte Bekannte wieder, nicht zuletzt auch den Kapitän, der nun in der Wohnung neben ihrer lebt und ebenfalls einiges zu verarbeiten hat.

Meinen Erwartungen hat der Roman leider gar nicht entsprochen. Ich hatte auf ein tiefgründiges Buch mit einer gewissen Prise Leichtigkeit gehofft, bekommen habe ich am Ende weder das eine noch das andere. Es wurden durchaus wichtige und interessante Themen angesprochen: Homosexualität, die finanzielle Lage Griechenlands und nicht zuletzt Migration. Statt das weiter auszuführen wurde jedoch alles nur ein paar Mal knapp erwähnt, die erhoffte Tiefe blieb aus zugunsten einer merkwürdigen Liebesgeschichte, die man eigentlich kaum so nennen kann.

Schon der Einstieg fiel mir schwer, weil der Schreibstil die Figuren merkwürdig auf Distanz zum Leser hält, und das, obwohl durchaus die Gefühle der beiden Protagonisten dargestellt werden; jedoch auf eine Weise, die einen beim Lesen nicht wirklich berührt und das alles irgendwie an einem vorbeirauschen lässt. Gespräche zwischen den Figuren wirkten auf mich oft konstruiert, weil sie gerade zu Beginn häufig so aufgebaut sind, dass eine Person mehrere Seiten lange Monologe führt, und die andere nur zwischendurch mal einen Halbsatz einwirft oder es eine kurze "Regieanweisung" gibt, was wohl bewirken soll, dass es dann eben nicht ganz so sehr wie reiner Monolog wirken soll. Vergeblich, in meinen Augen. So werden dann Erinnerungen und Gedanken wiedergegeben, die man in anderer Form sicher besser und nachvollziehbarer, vor allem aber authentischer hätte in die Geschichte einfügen können. Auch darüber hinaus haben mich Protagonisten und Nebenfiguren wenig überzeugt. Sie waren mir zwar nicht unsympathisch, aber das, was mit ihnen geschieht, hat mich einfach zu keinem Zeitpunkt des Buches auch nur ein kleines bisschen berührt.

Der Roman wirkt, als könne er sich nicht recht entscheiden, was er denn nun sein möchte: locker-leichte Sommerlektüre mit der ganz typischen Protagonistin, die einen Neuanfang wagt, oder nachdenkliche Studie über Migration und das Leben in Griechenland. Die Balance dazwischen zu finden ist der Autorin leider nicht gelungen, und so taumelt man mehr ziel- und orientierungslos durch die Geschichte als einem roten Faden zu folgen, während das Geschehen munter weiter vor sich hinplätschert.

Vielleicht wäre es sinnvoll gewesen, sich hier für das eine oder das andere zu entscheiden und gar nicht erst zu versuchen, Ernsthaftigkeit mit Leichtigkeit zu verbinden, um so wenigstens einem von beidem die nötige Tiefe zu verleihen. Denn so kommt leider beides nicht richtig zur Geltung, stattdessen wird nur der Eindruck einer zwiegespaltenen, inhomogenen Geschichte erzeugt, die nicht zum Punkt kommt und einen am Ende genauso ratlos zurücklässt, wie man in das Buch gestartet ist.

Die Figuren, die Handlungsorte, die Handlung selbst - all das wirkte auf mich seltsam nichtssagend und irgendwie austauschbar. Mich stört noch nichteinmal, dass es nicht viel Action gibt, das mag ich gelegentlich sogar sehr gerne, aber das muss dann halt auch mit überzeugenden Charakteren und der entsprechend tiefgehenden Ausarbeitung der Themen einhergehen - was hier leider nicht der Fall war. Die Handlung zieht sich einfach nur in die Länge und das war's.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 16.08.2021

Gelungenes Porträt eines entbehrungsreichen Lebens

Die Hebamme
0

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wächst Marta Kristine Andersdatter Nesje an der Westküste Norwegens auf. Ihr Leben ist geprägt von den schwierigen Lebensbedingungen und der Armut der ländlichen Bevölkerung. ...

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wächst Marta Kristine Andersdatter Nesje an der Westküste Norwegens auf. Ihr Leben ist geprägt von den schwierigen Lebensbedingungen und der Armut der ländlichen Bevölkerung. Nach Jahren der Ungewissheit sucht sie später Erfüllung im Beruf der Hebamme, stößt damit im Ort jedoch zunächst nur auf Ablehnung und muss lange Zeit darum kämpfen, das tun zu dürfen, worin sie ihre Lebensaufgabe sieht.

Das Buch ist eine Mischung aus Roman und Biographie, denn Marta Kristine war die Ururgroßmutter des Autors und auch viele der anderen Figuren haben nachweislich zu ihren Lebzeiten real gelebt. Dennoch liest sich das Buch eher wie ein Roman, wenn auch gelegentlich Daten und Fakten Einzug finden, die das Geschehen historisch belegen. Das hat mir sehr gut gefallen, weil man einen umfassenden Einblick in die tatsächlichen Lebensumstände der Landbevölkerung an der Küste Norwegens zu Beginn des 19. Jarhunderts erhält, dennoch aber aber nie das Gefühl hat, ein trockenes Sachbuch zu lesen. Das Verhältnis zwischen Realem und Hinzugedachtem erschien mir sehr ausgewogen und glaubwürdig und ich habe Marta Kristines Geschichte mit großem Interesse verfolgt.

Wir begleiten die Protagonistin auf ihrem Lebensweg von frühester Kindheit an, als sie mit ihren Eltern neu in die Gegend gezogen ist, über ihre jungen Erwachsenenjahre und ihre Zeit als Hebamme und Mutter, bis hin ins hohe Alter. Von Anfang an wird deutlich, dass sie eine starke Frau ist, die sich allen Widrigkeiten zum Trotz nicht unterkriegen lässt und sich ihren eigenen Weg durchs Leben schafft. Dass sie dabei oft auch auf Dinge verzichten muss, geliebte Menschen verliert und ihr Tun immer wieder verteidigen muss, hält sie nicht auf.

Es gelingt ihr, einen Beruf auszuübern, der damals in Norwegen kaum ein hohes Ansehen genoss - denn wer braucht schon eine Hebamme, die vielleicht auch noch mehrere Dörfer entfernt lebt, wenn man doch Nachbarinnen, Mütter und Töchter seit jeher als Geburtshelferinnen um sich hatte? Und warum sollte man dafür dann auch noch Geld bezahlen, wo das doch ohnehin meist viel zu knapp ist? So wird schnell klar, dass Marta Kristine es gerade in ihrer Anfangszeit als Hebamme nicht leicht hatte. Hinzu kommen ein Ehemann, der zusehends mehr in ein Leben zwischen Melancholie und Schwermut abdriftet und dessen Einnahmequellen unzuverlässig sind, und, wie damals üblich, jede Menge Kinder, die es zu versorgen gilt. Dass es ihr trotz allem irgendwie gelingt, die Balance dabei zu halten, verdankt sie ihrem familiären Umfeld und nicht zuletzt auch ihrem starken Willen.

Der Schreibstil des Autors ist angenehm zu lesen, und obwohl sich im Mittelteil des Buches vielleicht die ein oder andere Länge ergibt, wird es doch nie zu trocken oder zu langweilig. Ich habe das Lesen sehr genossen und bin positiv überrascht von dieser Romanbiographie, die gekonnt das Leben einer bemerkenswerten Frau porträtiert. Gerne empfehle ich das Buch weiter.

Veröffentlicht am 10.08.2021

Hatte irgendwie mehr erwartet

The Rules of Magic. Eine zauberhafte Familie
0

Die drei Geschwister Franny, Jet und Vincent leben Anfang der 60er Jahre mit ihrer Mutter in New York. Schon früh fällt ihnen auf, dass sie sich in einigen Punkten von anderen Kindern unterscheiden. Und ...

Die drei Geschwister Franny, Jet und Vincent leben Anfang der 60er Jahre mit ihrer Mutter in New York. Schon früh fällt ihnen auf, dass sie sich in einigen Punkten von anderen Kindern unterscheiden. Und auch die vielen merkwürdigen Regeln, an die sie sich halten sollen, sprechen dafür, dass hier etwas nicht ganz normal ist. Wessen Mutter verbietet ihren Kindern schon, rote Schuhe oder schwarze Kleidung zu tragen und im Mondenschein das Haus zu verlassen? Kein Wunder also, dass die drei gegen diese Vorschriften rebellieren und wann immer es ihnen möglich ist dagegen verstoßen. Bis Franny eines Tages eine Einladung von einer Tante bekommen, bei der die Geschwister im Anschluss den Sommer verbringen und dort so Einiges über ihre Herkunft erfahren...

Was am Anfang wirklich spannend klang, hat sich schnell als eher langatmig herausgestellt. Nach Klappentext und Leseprobe hatte ich eigentlich recht viel Hoffnung, hier eine schöne Fantasy-Geschichte über drei Jugendliche zu finden, die plötzlich in eine ihnen fremden Welt der Magie eintauchen.

Leider hat sich die Geschichte dann aber recht bald sehr in die Länge gezogen, es ist kaum etwas passiert, und dass die Protagonisten allesamt unsympathisch und nervig waren und ich ihre Entscheidunen mehr als einmal einfach nicht nachvollziehen konnte, hat es nicht besser gemacht. Die Liebesgeschichte, die sich im Laufe des Buches entwickelt, konnte mich auch nicht packen. Vom Schreibstil her war es okay, wenn auch nicht überwältigend. Es war mir insgesamt etwas zu distanziert, vielleicht hätte ich mich mit den Protagonisten eher anfreunden können, wenn aus der Sicht einer der Figuren erzählt worden wäre statt sozusagen aus der Vogelperspektive heraus.

Alles in allem hat mich "The Rules of Magic" leider nicht überzeugen können, da hatte ich mir in vielen Punkten deutlich mehr erhofft.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 07.08.2021

Ein Mädchen, das des eigenen Lebens beraubt wird

Unsere unendlichen Tage
0

Während ihre Mutter auf Konzertreise in Deutschland ist, verbringt die achtjährige Peggy einige Wochen allein mit ihrem Vater zuhause. Dieser, schon seit einer ganzen Weile vom Gedanken an ein Leben als ...

Während ihre Mutter auf Konzertreise in Deutschland ist, verbringt die achtjährige Peggy einige Wochen allein mit ihrem Vater zuhause. Dieser, schon seit einer ganzen Weile vom Gedanken an ein Leben als Aussteiger begeistert, erhält über einen Bekannten die Gelegenhet, eine kleine abgelegene Waldhütte in den Bergen zu übernehmen. Also macht er sich gemeinsam mit seiner Tochter auf den Weg dorthin. Kaum angekommen erzählt er dem Mädchen, die restliche Welt sei untergegangen, alle Menschen tot, sie beide die einzigen, die überlebt haben. Auf keinen Fall dürfe sie den Fluss überqueren oder die Berggipfel überschreiten, denn dahinter lauere nur noch die Große Kluft, ein unendliches Nichts. Und so beginnen endlose Jahre im Wald, in denen Peggy im Kampf ums Überleben erwachsen wird und doch zugleich das kleine Mädchen bleibt, das sie war, als die Welt unterging.

Die Handlung ist zweigeteilt. Ein Strang handelt vom Leben in der Abgeschiedenheit der kleinen Waldlichtung, der andere spielt Jahre später, als Peggy wieder zurück in die Zivilisation gelangt und erkennen muss, dass ihr Vater sie all die Jahre belogen hat.

Peggy ist eine sympathische Protagonistin. In den Rückblicken auf die Zeit "Davor", als sie noch ein ganz normales Leben mit ihren Eltern und Freunden irgendwo in London führte, war sie ein aufgewecktes und wissbegieriges kleines Mädchen. Stets hat sie sich bemüht, ihrem Vater eine Freude zu machen, und so wehrt sie sich auch nicht gegen dessen Beschluss, die tagelange Reise mit langem Fußmarsch zur abgelegenen Waldhütte anzutreten, obwohl sie eigentlich viel lieber zuhause bleiben würde. Als sich irgendwann abzeichnet, dass aus dem Abenteuerurlaub ein "für immer" werden soll, akzeptiert sie auch dies recht schnell. Und dennoch ist sie nicht glücklich über dieses neue Leben in der Einsamkeit. Wie auch, sie ist gerade einmal acht Jahre alt, als sie aus ihrer gewohnten Umgebung herausgerissen wird, als sie plötzlich ihren gesamten Alltag umkrempeln muss.

Es ist eine seltsame Beziehung zwischen Vater und Tochter, einerseits geprägt von der Entscheidung des Vaters, Peggy gegen ihren Willen dazu zu zwingen, an seinem Traum teilzuhaben - und sie so ihres eigenen Lebens beraubt -, und andererseits von seiner großen Liebe zu ihr, die er unter Beweis stellt, als er ihr mühevoll aus Holz ein Klavier baut. Mit den Jahren zeichnet sich zusehends eine leichte Spur des Wahnsinns ab, der den Vater immer wieder überkommt und unter dem Peggy in all der Zeit sehr leidet.

Und doch gibt der Handlungsstrang aus dem Jahr 1985 Hoffnung, denn es ist klar: sie wird aus diesem Leben entkommen, zu dem ihr Vater sie verpflichtet hat, sie wird zurückkehren, auch, wenn sie ihre Vergangenheit nie ganz wird abstreifen können.

Der Roman ist spannend erzählt. Er ist nicht auf Action aus, hat aber einen dystopischen Hauch, und dank des eingehenden Schreibstils kann man nicht anders, als mit dem kleinen Mädchen mitzufiebern und stets darauf zu hoffen, dass für sie alles gut ausgehen wird. Die Atmosphäre schwankt auf einer Skala von beklemmend bis unbeschwert, dazwischen ist alles vertreten; doch zu jedem Zeitpunkt wirkten die Figuren und Szenen authentisch, die Beschreibungen eingängig und ergreifend.

Ich habe "Unsere unendlichen Tage" sehr gerne gelesen und empfehle es daher gerne weiter!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere