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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 06.01.2018

Acht-ung!

Mängelexemplare und andere makabre Geschichten
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Mit BioPunk'd liegt uns ein Erzählband mit acht so verschiedenen wie interessanten Geschichten vor:

1. So gut wie tot: Ein paar Outlaws im Wilden Westen töten ihre Verfolger und müssen dann feststellen, ...

Mit BioPunk'd liegt uns ein Erzählband mit acht so verschiedenen wie interessanten Geschichten vor:

1. So gut wie tot: Ein paar Outlaws im Wilden Westen töten ihre Verfolger und müssen dann feststellen, dass jede böse Handlung irgendwann auf den Täter zurückfällt. Großartige Idee, als Drehbuch auch super, aber durch die völlig emotionslose und ständig die Perspektive wechselnde Schreibweise auch genauso unspannend. Dabei wären durch die Horror- und Trashelemente alles vorhanden.

2. Invasion: In drei Versionen geschilderte Übernahme der Erde durch Außerirdische. Witzig, aber völlig unlogisch in sich (ich meine nicht die Aliens, die nehme ich als gegeben).

3. Vollmond über Venedig: Ein Hauch von Steampunk trifft auf Werwölfe. Nett, aber vorhersehbar.

4. Bedrohte Art: Ein Zigeuner-Fluch fällt im zweiten WK auf eine amerikanische Kompanie zurück. Bösartig, psychologisch interessant, aber das übliche Problem: distanziert.

5. Souljacker: Der Teufel wandelt als wirkliche Person auf der Erde. Ich mochte die Geschichte, die ich schon aus einer Anthologie kannte, aber ohne Gefühle das Potenzial verschenkt.

6. Was übrig bleibt: ein Schauermärchen. Auch hier, sehr viel Potenzial für Schauer, aber so ansatzlos, wie es beginnt, endet es auch.

7. Das Objekt der Begierde: Die wohl originellste Geschichte, aus der Sicht (meistens) eines manipulierenden Buches geschildert.

8. BioPunk'd: Hunger Games meets Antihelden. Mit Abstand die best(e)geschriebendste Story des Buches. Endlich konzentriert sich der Autor mal fast ausschließlich auf eine Person, und der Twist am Ende war großes Kino.

Was man zusammenfassend feststellen kann: Zwengel hat Talent, Ideen und Originalität, aber ihm fehlt das Handwerk. Ein guter Lektor hätte ihn irgendwann einmal darauf aufmerksam machen müssen, dass ohne Gefühle der Protagonisten auch keine Gefühle bei den Lesern ankommen, und das ständiges Switchen zwischen den Protagonisten nicht zu mehr Action, sondern Irritation führt. Ein kurzweiliges Buch, aber nicht herausragend.

Veröffentlicht am 03.01.2018

Dorftratsch und Drama

Die Eishexe
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Es kommt nicht oft vor, dass ich ein Buch so langweilig empfand, dass ich mich sogar aufraffen muss, eine Rezension zu schreiben, aber hier ist das der Fall.

Es beginnt mit dem Verschwinden eines kleinen ...

Es kommt nicht oft vor, dass ich ein Buch so langweilig empfand, dass ich mich sogar aufraffen muss, eine Rezension zu schreiben, aber hier ist das der Fall.

Es beginnt mit dem Verschwinden eines kleinen Mädchens, das wenig später tot aufgefunden wird. Die Bevölkerung ist in Aufruhr, nicht nur, weil es sich um Mord handelt, sondern weil genau dreißig Jahre vorher von eben diesem Hof ein ebenso kleines Mädchen verschwand und tot aufgefunden wurde. Als Täterinnen damals wurden zwei dreizehnjährige Mädchen ausgemacht, die - wie es der Zufall will - ausgerechnet heute auch wieder im Ort sind. Dazu kommt noch die Angst vor den Flüchtlingen aus Nahost, die in der Nähe einquartiert worden. Das Team um Patrik sowie dessen Frau Erica, die ebenso zufällig auch gerade ein Buch über den alten Fall schreibt, nehmen die Ermittlungen auf und kommen merkwürdigen Dingen auf die Spur.

Ich sollte irgendwann einfach einsehen, dass ich mit der langatmigen Erzählweise skandinavischer Schriftsteller nichts anfangen kann. Hier wird aus der Perspektiver verschiedener Personen und Personenkreise erzählt, wobei gerne mal das, was vorher von eben jenen Leuten berichtet wurde, einfach wiederholt wird. Irgendwann ist jedem bewusst, dass das kleine Mädchen von Erica so süß und erwachsen und ernst und sonstwas ist, dass eigentlich alle lebenden kleinen Mädchen so sind, dass die Wildfänge diejenigen sind, die ermordet wurden. Ich mochte irgendwann auch nicht mehr darüber lesen, dass jemand ein dumpfes Gefühl im Magen verspürte, ich wollte nicht mehr über die Hintergründe von gefühlten hundertzwanzig Menschen erfahren, ich wollte doch einfach nur einen spannenden Krimi lesen, der mir gemeinerweise versagt wurde. Ich verstehe auch nicht, warum man zehn Seiten braucht, um eine Oma zu befragen, die zum Schluss nur sagt: Nej, ich habe nichts gesehen. Dazu eine völlig sinnlose, bestimmt über mindestens 150 Seiten ausufernde historische Geschichte, die mit dem eigentlichen Buch so viel zu tun hat wie die Mondlandung mit der Erfindung der Kuckucksuhr. Sehr autentisch fand ich all die Fünfzehnjährigen, die es miteinander treiben, als würden sie für einen Porno bezahlt. Nicht. Ein bisschen Sozialkritik hier, ein bisschen Dorftratsch da, völlig kopflose und vor allem nicht nachvollziehbare Polizeiarbeit von vor 30 Jahren - da mein Kopf noch draufsitzt, konnte ich mit ihm schütteln. Selbst vor dreißig Jahren gingen Befragungen ganz sicher anders. Ach, was soll's. Für den Anflug von Kritik gegen die Rechten und ein bisschen Flüchtlings-Political-Correctness gibt's zwei Punkte, aber noch ein Buch der Autorin werde ich nicht lesen.

Veröffentlicht am 31.12.2017

Am Ende aller Tage

Wie Wölfe im Winter
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Vor sieben Jahren ist die Welt, wie man sie kannte, endgültig kaputt gegangen. Nach jahrelangen Kriegen und dann einer Grippepandemie, welche den Großteil der Bevölkerung dahinraffte und die Überlebenden ...

Vor sieben Jahren ist die Welt, wie man sie kannte, endgültig kaputt gegangen. Nach jahrelangen Kriegen und dann einer Grippepandemie, welche den Großteil der Bevölkerung dahinraffte und die Überlebenden noch immer tötet, leben viele nur noch in kleinen Familienverbänden. Lynn gehört zu so einer Familie, sie lebt im stets kalten und verschneiten Yukongebiet. Ihr Überleben sichern sie durch den Anbau von Kartoffeln und Möhren in den wenigen warmen Wochen, ansonsten gehen sie auf die Jagd. Lynn beherrscht einen Compoundbogen, stellt Fallen. Eines Tages begegnet sie einem hungrigen Mann und nimmt ihn mit, obwohl ihre Familie dagegen ist. Plötzlich tauchen noch mehr Fremde auf und Lynn erfährt, dass ihr Vater eine bedeutende Rolle im Entwickeln der Grippe spielte, und dass es mehr Geheimnisse um sie und den Untergang der Welt gibt, als sie je geglaubt hat.

Ich mag ja so dystopisch angehauchte Romane, zumal wenn sie recht authentisch wirken. Die Story ist interessant entwickelt und auch angenehm erzählt. Skurrile Leute wie Jerryl, aber auch einige aus dem Forschungsteam gefielen mir, weil sie nicht gar so 08/15 waren und Persönlichkeit besaßen. Womit ich die meiste Zeit ein bisschen ein Problem hatte, war Lynn selbst. Natürlich darf sie mit ihren 23 Jahren auch ein bisschen naiv sein, immerhin hatte sie ja auch vor dem Untergang nicht so richtig eine gescheite Bildung erhalten. Aber ich finde, jemand, der schon so lange Zeit in größter Kälte und mit der Jagd überlebt, der müsste mehr Bad Ass sein. Lynn jedoch versagt irgendwie ständig, weiß sich selten allein zu helfen und war mir auch so nicht richtig sympathisch. Ich kann nicht mal genau festmachen, woran das liegt. Irgendwie wirkte sie unter all den authentischen Typen am wenigsten authentisch, vielleicht deshalb. Alles in allem eine solide Geschichte, aber kein Buch, das lange im Gedächtnis haften bleiben wird. 3,5/5 Punkten.

Veröffentlicht am 29.12.2017

Nachkriegskälte

Echo der Toten. Ein Fall für Friederike Matthée (Friederike Matthée ermittelt 1)
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Der 2. Weltkrieg ist gerade anderthalb Jahre vorbei, wir befinden uns im Januar 1947. Klirrende Kälte beherrscht Deutschland, doch auch in den Herzen der Menschen ist es nicht gerade wärmer. Noch immer ...

Der 2. Weltkrieg ist gerade anderthalb Jahre vorbei, wir befinden uns im Januar 1947. Klirrende Kälte beherrscht Deutschland, doch auch in den Herzen der Menschen ist es nicht gerade wärmer. Noch immer stecken viele Menschen im Nazigedankengut fest, viele buckeln vor der britischen Besatzungsmacht, treten dafür nach den Zwangsarbeitern, von denen sich noch immer viele in der Gegend aufhalten. Da geschieht ein Mord und Richard Davies von den britischen Truppen soll die Ermittlungen aufnehmen. Er fordert eine deutsche Polizistin an, um mit einem verstörten, kleinen Jungen zu reden und ihm wird Friederike Matthee geschickt, die kurz davor steht, ihren Job zu verlieren. Gemeinsam kommen sie auf die Spur von Schwarzmarkthändlern, alten Nazi-Seilschaften und geraten selbst in Lebensgefahr.


Um ehrlich zu sein, hat mich der Fall selbst nicht wirklich überzeugt, schon gar nicht die Auflösung, die ein wenig aus dem Hut gezaubert wurde. Doch dieses Buch lebt auch gar nicht so sehr von dem Krimianteil als vielmehr von der Atmosphäre, die geschaffen wird. Man spürt geradezu die beißende Kälte, den wühlenden Hunger, die Verzweiflung der vielen Menschen, die sich nur durch Schwarzmarktgeschäfte über Wasser halten können. Das übliche Russenbashing hätte man sich sparen können (sehr kontrastreiche Darstellung zwischen den fast vornehmen Engländern und den primitiven, vergewaltigenden Russen), aber das gehört bei Büchern aus dieser Zeit fast schon genauso zum guten Ton wie die Vergewaltigungen in Mittelalterromanen. Ich finde, dieses Buch hat Potenzial, und falls aus ihm eine Reihe wird, werde ich den Nachfolger lesen. 3,5/5 Punkten.

Veröffentlicht am 27.12.2017

Liebenswürdige Chaotentruppe

Lockwood & Co. - Das Grauenvolle Grab
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Angeblich handelt es sich hier um den letzten Lockwood-&-Co-Band, doch da Millionen Fans auf der Welt hoffen, dass Stroud weitermacht und er sich selbst ein Hintertürchen offen gehalten hat, das so groß ...

Angeblich handelt es sich hier um den letzten Lockwood-&-Co-Band, doch da Millionen Fans auf der Welt hoffen, dass Stroud weitermacht und er sich selbst ein Hintertürchen offen gehalten hat, das so groß wie ein Scheunentor ist, ist es nicht so unwahrscheinlich, dass wir uns auf ein sechstes Abenteuer freuen dürfen.

Das Klima in London wird kälter, und das hat nur wenig mit der Geisterkälte und den Erscheinungen zu tun. Penelope Fittes von der größten Geisteragentur ist so mächtig geworden, dass sie sämtliche kleineren Agenturen entweder zerstören oder assimilieren will. Sie schreckt auch nicht davor zurück, ihren Bluthund Gale auszuschicken, um Leute zusammenzuschlagen oder zu überfallen. Ausgerechnet jetzt versuchen Lockwood und seine Freunde, hinter das Geheimnis der mächtigen Fittes-Matriarchin zu gelangen, um eine Aussage von Lucys Schädelfreund zu überprüfen. Dass sie dabei wieder sämtliche Regeln brechen, der gesamten Unterwelt Londons und selbst dem Totenreich anlegen, ist dabei fast schon Routine.

Wenn man es genau betrachtet, ist Lockwood selbst die Art von jungem Held, die ich überhaupt nicht abkann: gut aussehend, smart, mit außergewöhnlichem Sinn für Mode, ein herausragender Degenfechter, großartiger Stratege und auch in sonst jeder Hinsicht perfekt. Und doch gelingt es Stroud immer wieder, dass ich hinter Lockwood stehe. Vielleicht, weil er nicht nur perfekt ist, sondern auch ein guter Freund und phantastischer Mensch. Einer, der Leute annimmt, wie sie sind, der hinter seinem Witz und Charme keine Arroganz verbirgt, sondern zutiefste Menschlichkeit. Vielleicht auch, weil seine Freunde eben nicht perfekt sind und ihn damit vollkommen ausbalancieren. Vielleicht auch, weil Stroud ein schrecklich guter Autor ist, der mir alles verkaufen könnte. Ich weiß es nicht, nur so viel: Jedes Buch dieser Reihe ist großartig und wert, gelesen zu werden. Und natürlich warte ich auf Band sechs, was sonst.