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Veröffentlicht am 29.06.2023

Seriöses Standardwert

Geschichte der Astrologie
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Dieses Standardwerk zur Geschichte der Astrologie von 1967 ist empfehlenswert. Es reißt eine Reihe von Themen an, die ich in 1997 in einer großen Museumsausstellung zur Geschichte der Astrologie, einem ...

Dieses Standardwerk zur Geschichte der Astrologie von 1967 ist empfehlenswert. Es reißt eine Reihe von Themen an, die ich in 1997 in einer großen Museumsausstellung zur Geschichte der Astrologie, einem 1998 erschienenen Fachbuch, beide 2021 neu aufgelegt, sowie in einem unterhaltsamen Roman 2022 verarbeitete.

Eine wichtige Ergänzung hierzu ist "Der Mensch griff nach den Sternen" von Sementowsky-Kurilo 1970, der eine liberalere, aufgeklärtere Haltung vertritt als Knappich, der einen sehr trockenen Stil vertritt.

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Veröffentlicht am 29.06.2023

visionär

Das Tao der Physik
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Es war Ende der 70er-Jahre hoch oben in einem Naturschutzgebiet der französischen Alpen, wo wir für ein paar Wochen in einen internationalen Workcamp trafen, tagsüber an der Berghütte arbeiteten und in ...

Es war Ende der 70er-Jahre hoch oben in einem Naturschutzgebiet der französischen Alpen, wo wir für ein paar Wochen in einen internationalen Workcamp trafen, tagsüber an der Berghütte arbeiteten und in langen Pausen bei gutem Essen und reichlich Wein über ein Buch diskutierten.

Wir, das waren junge Leute aus Irland, Frankreich, Dänemark und Deutschland. Es ging um "The Tao of Physics", Jahre später in der deutschsprachigen Erstausgabe als "Der kosmische Reigen" erschienen.

Damals war es Neuland, asiatische Religionskonzepte mit Theorien der abendländischen Quantenphysik populärwissenschaftlich darzustellen, und mir namen die Anregungen des Briten Fritjof Capra begierig auf, erörterten sie ganz weltoffen und ergebnisoffen - heute kaum noch vorstellbar.

Dieses Buch hat eine ungeheure Wirkung auf die Geisteswissenschaft ausgelöst.

Wenn heutzutage Schwurbler und Aluhutträger in Internetforen ihre selbstzusammengebastelten Wahnideen über Coronaverschwärung und dergleichen verbreiten, wenn Hinz und Kurz über Telegram und Whattsapp so tun, als könnten sie die Naturwissenschaft über Fake News und "alternative Fakten" besser erklären als die so genannte "Systempresse", dann ist das weit entfernt von jenem ganzheitlichen Ansatz, den dieses großartige Buch, in Neuauflage auch heute noch gerne gelesen, eigentlich postuliert.


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Veröffentlicht am 29.06.2023

Ein Meisterwerk der Erzählkunst!

Gustave Flaubert, Madame Bovary
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Das Faszinierende an diesem Roman ist zweifelsohne jene Kutschfahrt Madame Bovarys mit ihrem Liebhäber hinter verschlossenen Vorhängen, die Gustave Flaubert aus der Außenperspektive geschrieben hat.

Es ...

Das Faszinierende an diesem Roman ist zweifelsohne jene Kutschfahrt Madame Bovarys mit ihrem Liebhäber hinter verschlossenen Vorhängen, die Gustave Flaubert aus der Außenperspektive geschrieben hat.

Es rumpelt der Wagen durch die Gassen einer französischen Kleinstadt, stundenlang über Kopfsteinpflaster, immer schneller werdend, sodass die Rösser heftig schnauben, dann ermüdet im Schritttempo ein Verschnaufpäuschen hinlegend, anscheinend um Kraft zu sparen für den nächsten Gang, der sich wiederum ekstatisch steigert, wie zu einem Höhepunkt, das Ganze noch und nöcher.

Ein Schelm, der böses dabei denkt, beispielsweise an Pornografie. Und so wurde der Autor, nachdem sein Roman zuerst verboten wurde und er vor Gericht, letztendlich freigesprochen.

Denn alles, was an kleinen oder großes Schweinigeleien sich der Leser vorstellt, spielt sie hinter geschlossenen Vorhängen ab, hinter die Gustave Flaubert nicht blickt. Er lässt es den Leser ahnen und zieht ihn als Voyeur mit hinein eins Geschehen.

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Veröffentlicht am 29.06.2023

Hochaktuell in seiner Gesellschaftskritik

Der Schnee war schmutzig
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Den belgischen Autor kennt man hierzulande eigentlich nur durch seine oft verfilmten Krimis mit dem grummeligen Kommissar Maigret, der auf eigenwillige Weise seine Fälle löst, stur und unnahbar, jedoch ...

Den belgischen Autor kennt man hierzulande eigentlich nur durch seine oft verfilmten Krimis mit dem grummeligen Kommissar Maigret, der auf eigenwillige Weise seine Fälle löst, stur und unnahbar, jedoch derart unterhaltsam vom Autor beschrieben, dass es sogar für die breite Masse ein absolutes Lesevergnügen.

Vor wenige Jahren hatte der schweizerische Kampa-Verlag die Rechte am Gesamtwerk George Simenons übernommen und seinen 1948 geschriebenen und erstmals in den 70-er Jahren in Deutschland herausgebrachten Roman "Der Schnee war schmutzig" neu aufgelegt.

Es handelt sich nicht um einen Krimi, sondern um eine Kriegsroman, um die Verrohung ganz normaler Menschen in Zeiten, wo das Militär die Straßen beherrscht. Vermutlich spielt Simenon damit auf die Zeit der Besetzung Belgiens durch deutsche Truppen während des Zweiten Weltkriegs an - wobei er seine belgischen Landsleute nicht sämtlich als Engel darstellt, sondern das Abgleiten einiger von ihnen in die Kriminalität schildert, sicherlich damals kurz nach dem Zweiten Weltkrieg nicht sonderlich populär, sah sich doch fast jeder in Europa damals als Opfer dar, egal welcher Nation er angehörte.

Daniel Kehlmann wurde 2018 vom Verlag um ein Vorwort gebeten. Er gibt vollkommen unvoreingenommen an das Werk heran, hatte nach eigener Aussage niemals zuvor ein Buch George Simenons in der Hand gehabt. Sein Text ist eine gute Einführung in das Werk, lesenswert - zumal Kehlmann mit "Till" einen Roman schrieb, der zur Zeit des DreißigjährigenAuch Krieges spielt, bei dem die Hälfte der Menschen Europas starben.

Hochaktuell Simenons "Der Schnee war schmutzig" jetzt in 2022. Auch der Ukraine betrifft mehr und mehr die Zivilbevölkerung. Nicht alle werden als brave Engel darauf reagieren. Krieg führt zur Verrohung der Menschen. Wie dies ganz unmerklich geschieht, ist im Roman von 1948 eindrücklich geschildert.

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Veröffentlicht am 29.06.2023

Die letzten beiden Seiten geben mir die Antwort.

Vertrauen
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Cover und Umschlaggestaltung

Man muss erst einmal reinkommen in diesen israelischen Krimi. Die Vielzahl von fremdländischen Namen haben mich verwirrst, zumal für den gleichen Protagonisten oft der Vorname ...



Cover und Umschlaggestaltung

Man muss erst einmal reinkommen in diesen israelischen Krimi. Die Vielzahl von fremdländischen Namen haben mich verwirrst, zumal für den gleichen Protagonisten oft der Vorname und im nächsten Absatz der Nachname genannt werden. Und dann fast der gleiche Text auf dem zweiten und vierten Buchumschlag, wobei vorne der ersten Satz mit "Beide" beginnt und man erst die nächsten Sätze lesen muss, um die rückbezügliche Bedeutung zu begreifen.

All dies nicht dem Israeli Deror Mishʿani anzulasten, der seinen Krimi auf Hebräisch schrieb. Auswahl von Übersetzer und Umschlaggestaltung ist Sache des schweizerischen Diogenes-Verlags.

Erste Seiten

Der Kampf des Lesers durch die ersten Seiten und eine zugegebenermaßen verzwickte Handlung lohnt sich. Charaktere und Hintergrundgeschichte werden liebevoll und elegant eingeführt. Der Autor verzichtet auf schablonenhafte Schwarz-Weiß-Zeichnung, was bei Krimis heutzutage fast schon Standard ist. Man kann sich so fast jeden der Protagonisten, ob sie nun zu den scheinbar guten oder den scheinbar bösen gehören, wunderbar einfühlen.

Souveräner Umgang mit multipersonalen Erzählperspektiven und fließenden Übergänge zwischen innerem und erzählten Dialog, das ist wirklich große Literatur!

Handlung und Figuren

Wer zu den Guten und zu den Bösen gehört, wird erst nach 350 Seiten klar. Im Laufe der Erzählung entwickelt sich ein Rededuell zwischen der Kriminalkommissarin, die an einer fürchterlichen Augenkrankheit leidet, und einer zickigen Frau aus der Unterschicht. Jene jedoch einen Plan hat, tischt mit raffinierter Strategie eine Lügengeschichte nach der anderen auf. Die Hintergründigen Hintergründe der Hintergründe enthüllen sich gleich einer Zwiebel, die man schält, Schale um Schale – wobei dem Leser die Tränen in die Augen steigen können.

Ähnlich verhält es sich bei den Untersuchungen der Kollegen der Erblindenden bei der israelischen Polizei, der nach Paris reisen muss, um einen vagen Verdacht bestätigt zu bekommen, dass es sich bei einem ermordeten jüdischen Geschäftsmann um einen Agenten handelt und warum der Geheimdienst Mossad keinerlei Interesse an der Aufklärung des Falls hat.

Beide Erzählstränge sind genial miteinander verknüpft. Feinstes Lesevergnügen. Man muss als Leser halt erst einmal reinkommen in die Geschichte, dem Buch eine Chance geben.

Lieblingsstelle

Ziemlich am Ende des Buches zitiert Dror Mishani aus "Don Quijote" von Cervantes. Die Geschichte vom Ritter mit der traurigen Gestalt, der gegen Windmühlenflügel ankämpft, ist bekannt - jedoch:

Auf Seite 323 lässt der Autor das Zitat aus dem Munde seiner Figur Ben-Chayat jedoch folgendermaßen kommentieren:

"Bei uns auf jeden Fall ist es umgekehrt, Avi. Denken Sie daran. Bei uns sind Leute, die wie Windmühlenflügel erscheinen mögen, in Wahrheit gewaltige Riesen mit todbringenden Armen, die sehr, sehr weit reichen."

Spoilerwarnung

Allen meinen üblichen Leser-Gewohnheiten zum Trotz habe ich in diesem Krimi auf das Ende geschielt, weil es mir momentan ähnlich geht und ich wie Kriminalkommissar Avraham angesichts der Übermacht von Bürokraten in die Knie gehe. Soll ich meinen Kampf gegen Windmühlenflügel aufgeben, weil sie in Wahrheit gewaltige Riesen sind? Die letzten beiden Seiten geben mir die Antwort.

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