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Veröffentlicht am 15.04.2021

Sehr kontrovers – einerseits schöne Anekdoten und viel Fantasie, andererseits langwierig

Der Erzherzog, der den Schwarzmarkt regierte, Matrosen liebte und mein Großvater wurde
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Worum geht’s?
Wilhelm von Habsburg, Sohn eines Erzherzogs und aufgewachsen zu Beginn des 20. Jahrhunderts erzählt seiner Enkelin Halyna von seinem Leben angefangen als Kind bei Hofe, über die Weltkriege ...

Worum geht’s?
Wilhelm von Habsburg, Sohn eines Erzherzogs und aufgewachsen zu Beginn des 20. Jahrhunderts erzählt seiner Enkelin Halyna von seinem Leben angefangen als Kind bei Hofe, über die Weltkriege bis hin zu seinem Ende. Teile sind wahr, Teile sind erfunden, aber er hatte ein sehr turbulentes Leben.

Meine Meinung:
„Der Erzherzog, der den Schwarzmarkt regierte, Matrosen liebe und mein Großvater wurde“ von Natalka Sniadanko ist ein Buch, das mich innerlich ein bisschen gespalten zurücklässt. Es gibt Teile, die lesen sich gut und bildhaft und sind sehr plastisch dargestellt, andere Teile wiederum treiben eher zäh dahin. Verwirrend ist auch, dass geschichtliche Details teils stimmen, teils um Fiktion ergänzt wurden, z.B. hat die Autorin der Kaiserin Sisi ein 4. Kind angehängt, das diese gar nicht hatte.

Wilhelm selbst erinnert ein bisschen an den Baron von Münchhausen. Die Darstellung seiner Kindheit bei Hofe fand ich sehr interessant, die Verpflichtungen, die den Kindern auferlegt wurden, die zeremoniellen Rituale, die sie einhalten mussten. Auch seine Zeit beim Militär ist sehr spannend wiedergegeben. Die Kriegszenen. Schön auch das Kennenlernen mit seiner späteren Frau Sofia. Verwirrend hingegen sind seine Briefe, die er schreibt. Dass er in seinen Erzählungen viele fiktive Details hineinbringt, die uneinheitlich und zerrissen wirken.

Gut gefallen haben mir die in der Gegenwart spielenden Teile um seine Enkelin Halyna und ihre Familie. Die Beschreibung, wie z.B. Lehrer bestochen werden mussten, damit das Kind einen besseren Sitzplatz bekommt oder besser Betreuung und Noten. Gut gefallen haben mir auch Halynas Omas Sofia und Aljona – die beiden sind einfach urig in ihrer Beschreibung. Gegensätzlich und immer am miteinander konkurrieren, aber beide herzensgut.

Teile des Buches konnten mich richtig begeistern, bei anderen kam ich gefühlt nicht vorwärts. Auch der schnelle Wechsel zwischen den Zeiten war manchmal verwirrend. Es wirkte so unorganisiert. Teilweise war man von der Überschrift her 1918, aber erzählt wurde aus der Gegenwart über die Vergangenheit. Dann wurden die Kapitel zeitmäßig komplett durcheinandergeworfen, was das Lesen zusätzlich erschwert hat. Dadurch entstanden viele Längen und es war manchmal schwierig, weiterzulesen, bis wieder ein Kapitel kam, das mich total fasziniert hat.

Fazit:
„Der Erzherzog, der den Schwarzmarkt regierte, Matrosen liebte und mein Großvater wurde“ von Natalka Sniadanko lässt mich gespalten zurück. Teilweise waren die enthaltenen Geschichten mitreißend und schillernd, teilweise langwierig und unverständlich. Die Kapitel über die Großmütter Aljona und Sofia haben mich begeistert und ich habe die beiden ins Herz geschlossen. Andere Kapitel waren zeitlich komplett durcheinandergeworfen und haben mir das Lesen sehr schwer gemacht.

Ein kontroverses Buch, dem ich teils 4 Punkte und teils 2 Punkte geben würde. Daher für mich 3 Punkte als goldene Mitte für dieses Buch, das mich leider nur teilweise begeistern konnte.

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Veröffentlicht am 11.04.2021

Ein rasanter Thriller über einen psychotischen Killer und ein bisschen keltische Mythologie

Siehst du, wie sie sterben? (Thriller)
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Worum geht’s?
Ein Serienkiller entführt und tötet Prostituierte. Dabei richtet er sie auch eine mythisch anmutende Art her, sodass die Polizei die Psychologin Frieda als externe Beraterin hinzuzieht. Dabei ...

Worum geht’s?
Ein Serienkiller entführt und tötet Prostituierte. Dabei richtet er sie auch eine mythisch anmutende Art her, sodass die Polizei die Psychologin Frieda als externe Beraterin hinzuzieht. Dabei muss Frieda nicht nur mit ihrem Ex-Freund Marc zusammenarbeiten, sondern der Fall wird auch immer persönlicher und bringt ihre grausame Vergangenheit hervor. Kann sie der Schlinge entkommen, die sich immer enger um sie zuzuziehen scheint?

Meine Meinung:
„Siehst du wie sie sterben“ von Gunnar Schwarz ist der Auftakt zu einer neuen Thrillerserie um die Psychologin Frieda Rubens und den Kriminalkommisar Marc Wittmann. Und ich muss sagen: Der Auftakt ist mehr als gelungen! Das Buch ist ein absoluter Pageturner! Die Darstellung der Orte, die Beschreibung der Opfer, die Protagonisten – ich habe teilweise gar nicht bemerkt, dass ich am Lesen bin, sondern die Bilder wie einen – teilweise sehr grausamen – Film direkt vor meinem inneren Auge miterlebt. So muss ein Thriller sein!

Auch die Protagonisten gefallen mir sehr gut. Allen voran Frieda, die Psychologin. Die nicht wie üblich für die „Guten“ da ist, sondern als Sachverständige vor Gericht eher auf der Seite der Täter steht. Sie ist eine starke Frau, die ein schlimmes Kindheitstraume überwunden hat. Daher auch ihre Berufswahl. Sie wollte verstehen. Ob ihr das gelungen ist? Dafür müsst ihr das Buch lesen. Und an Ihrer Seite der Polizist und ihr Ex-Freund Marc. Er ist mir ebenfalls sehr sympathisch – auch wenn er sich ab und an emotional nicht ganz so mi Griff hat. Aber er ist ein guter Polizist und Frieda und er verstehen sich blind. Die beiden sind ein gut eingespieltes Team, ergänzen sich und können sich aufeinander verlassen. Ob da vielleicht doch noch mehr zwischen beiden sein wird?

Auch die Story selbst ist genial. Es geht schon spannend los und die Spannung explodiert am Ende in einem fulminanten Showdown mit einem Ausblick auf den nächsten Teil. Der Fall ist spannend. Ein Serientäter, der seine Opfer auf grausame Weise zur Schau stellt – die Beschreibung ist oft sehr detailreich, ihr braucht also schon ein bisschen härtere Nerven. Aber aus meiner Sicht perfekt für den Gänsehautfaktor, den ein Thriller haben muss! Und bis zum Ende wusste ich nicht, wer der Täter ist. Aber die Hinweise, die der Autor am Anfang einstreut, finden sich am Ende zu einem runden Finish zusammen, bei dem einfach alles passt. Ein geniales Buch und ich hoffe, wir werden nicht zu lange auf den zweiten Teil warten müssen!

Fazit:
Mit „Siehst du wie sie sterben“ legt Gunnar Schwarz die Latte für seine neue Thriller-Serie um die Psychologin Frieda Rubens und den Kriminalkommissar Marc Wittmann sehr hoch. Das Buch hat alles: Gänsehaut, blutige Szenen, plastisch dargestellte Leichenfundorte, eine Storyline, der man gut folgen kann, die in sich stimmig ist und eine Spannungskurve, die am Ende in einem genialen Showdown nahezu explodiert! Ich habe das Buch verschlungen, mitgefiebert und war vom Ende dennoch überrascht!

5 Sterne von mir für diesen mehr als gelungenen Serienauftakt und ich kann kaum erwarten, den nächsten Teil in Händen zu halten!

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Veröffentlicht am 11.04.2021

Ein raffinierter Krimi, bei dem man mehr als einmal auf die falsche Fährte gelockt wird

Lockvogel
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Worum geht’s?
Als Tonis Lebenspartner mit ihrem ganzen Geld verschwindet, sucht sie Hilfe bei Privatdetektiv Edgar Brehm. Da sie das notwendige Geld für seine Dienste jedoch nicht aufbringen kann, einigen ...

Worum geht’s?
Als Tonis Lebenspartner mit ihrem ganzen Geld verschwindet, sucht sie Hilfe bei Privatdetektiv Edgar Brehm. Da sie das notwendige Geld für seine Dienste jedoch nicht aufbringen kann, einigen die beiden sich auf einen Deal: Er hilf ihr, wenn sie Undercover für ihn arbeitet. Was ist dran an dem Regisseur, der seine Stellung nutzen soll, um sich junge Schauspielerinnen gefügig zu machen?

Meine Meinung:
„Lockvogel“ ist das erste Buch von Theresa Prammer, das ich gelesen haben. Es ist ein Kriminalroman und die können in meinen Augen sehr gut, aber auch oftmals langatmig sein. Theresa Prammers Fall gehört definitiv zu den sehr guten Kriminalromanen! Von Anfang an ist Spannung da. In jedem Kapitel findet man eine neue Spur und die Autorin schafft es gekonnt, unterschiedliche Handlungsstränge und Fährten miteinander zu verknüpfen und man ist als LeserIn die ganze Zeit am Miträtseln, wohin die Spuren führen und wie sie zusammenhängen. Auch der Sprachstil gefällt mir sehr gut. Vor allem mit dem immer mal wieder einfließenden wienerischen Dialekt.

Hauptprotagonisten sind die anfangs etwas unbeholfene und tollpatschige Schauspielschülerin Toni, die sich im Laufe der Handlung zu einer wirklich guten Ermittlerin entwickelt und Edgar Brehm, der gescheiterte Privatdetektiv, der durch diesen Fall jedoch wieder zu neuem Lebensmut findet. Beide haben mit einem Schicksalsschlag zu tun, der sie zusammenführt und es ist schön zu sehen, wie die beiden sich zu einem guten Team entwickeln und nicht nur arbeitstechnisch, sondern auch privat immer näher zusammenwachsen. Eine Mischung aus Vater/Tochter und guten Freunden, die aufeinander achten, füreinander da sind und sich umeinander kümmern.

Auch die anderen Protagonisten finde ich gut gelungen. Silvia Steiner, die Edgar beauftragt. Eine reiche Ehefrau, die sich selbst durch Chirurgen neu erfunden hat. Frau Schmitz, die Professorin des Konservatoriums, an dem Toni Schauspielunterricht nimmt – eine geniale Diva und Dramaqueen. Tonis Großmutter, eine fidele und zu jedem Schabernack aufgelegte ältere Dame, die sich vor Verehrern nicht retten kann. Und Lena – Tonis Freundin – und Fernande – Edgars ehemalige Kollegin bei der Polizei. Von den beiden letzteren hätte ich gerne noch mehr gehört! Ich hoffe sehr, dass es weitere Fälle geben wird, in denen auch Fernanda noch eine größere Rolle spielen wird, da sie mir auch sehr sympathisch war.

Der Fall selbst hat mich ebenfalls mitgerissen. Eigentlich sind es ja zwei Fälle, die Toni und Edgar zusammengebracht haben. Wobei man sich zwischendurch nicht sicher ist, was hängt wie zusammen? Sind es nur zwei Fälle? Wer spricht die Wahrheit? Was steckt hinter alledem? Oder hängt doch alles miteinander zusammen? Die Autorin bringt einen immer wieder gekonnt auf falsche Fährten und hält die Spannung bis zum Ende hoch – bei dem es zu einem genialen finalen Showdown kommt! Und auch der Epilog selbst – der einen kleinen Cliffhänger enthält (ich hoffe doch sehr, dass es ein e Fortsetzung geben wird) war schön und herzerwärmend.

Fazit:
„Der Lockvogel“ von Theresa Prammer ist ein Kriminalroman, der von Anfang an Spannung für die LeserInnen bereithält. Die Protagonisten sind genial dargestellt und passen perfekt in ihre Rollen. Es gibt jede Menge Fährten, bei denen man am Miträtseln ist, wie alles zusammenhängt und ob alles zusammenhängt und mehr als einmal wird man auf eine falsche Fährte geführt, bis sich am Ende in einem fulminanten Showdown alles löst und im Epilog hält die Autorin noch ein wunderschönes und rührendes Ende für die LeserInnen bereit.

5 Punkte für diesen raffinierten Kriminalroman – ich hoffe sehr auf eine Fortsetzung mit Edgar, Toni – und auch Fernanda!

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Veröffentlicht am 09.04.2021

Ein Buch das diskutiert, provoziert, philosophiert und nachdenklich stimmt

Roman d’amour
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Worum geht’s?
Charlotte soll einen Preis für ihr Buch erhalten. Vor der Verleihung wird sie von einer Journalistin zu ihrem Werk interviewt. Der Geschichte, in der sie ihr eigenes Leben erzählt. Eine Geschichte ...

Worum geht’s?
Charlotte soll einen Preis für ihr Buch erhalten. Vor der Verleihung wird sie von einer Journalistin zu ihrem Werk interviewt. Der Geschichte, in der sie ihr eigenes Leben erzählt. Eine Geschichte von Liebe, Ehebruch. Eine Geschichte, die vor vielen Jahren geschehen ist. Die Journalistin scheint zu wissen, dass mehr als nur Fiktion dahintersteckt. Doch woher?

Meine Meinung:
„Roman d’amour“ von Sylvie Schenk ist ein eindrucksvolles Buch. Zunächst: Der Schreibstil und die Wortwahl sind außergewöhnlich. Der Wechsel zwischen Abschnitten aus Teilen aus einem Buch, zwischen Gegenwart und Vergangenheit erfolgt oft plötzlich, ist aber immer passend und stimmig. Das Sprachniveau ist genial. Die Autorin diskutiert ein kontroverses Thema, das Thema „Ehebruch“. Was darf Liebe? Was kann Liebe? Wo möchte die Gesellschaft ihr Grenzen setzen? Wo hört die Moral auf? Und was ist Liebe überhaupt? Wie entsteht sie? Was unterscheidet die Generationen von ihrem Verständnis von Liebe und Liebschaften?

Man fühlt sich beim Lesen hineinversetzt in das Interview, das Frau Sittich mit Charlotte führt. Als würde man mit am Tisch sitzen. Charlotte, die ältere Dame, die ein Buch über eine Affäre geschrieben hat, die sie vor Jahren selbst erlebt hat. Aber auch ein Buch über eine große Liebe und darüber, was Liebe ist und was Liebe darf. Frau Sittich, die mehr als nur Fiktion dahinter vermutet und es scheint, als würde sie durch Ihre Fragen Charlotte aus der Reserve locken wollen. Dadurch ergeben sich unglaublich spannende Diskussionen. Die beiden philosophieren, streiten manchmal fast – aber immer auf höfliche Weise, nie scheint eine der beiden laut zu werden. Dennoch – wo auf der einen Seite Frau Sittich versucht, Charlotte aus der Reserve zu locken, versucht auf der anderen Seite Charlotte, Frau Sittich mit direkten, oftmals anstößigen Sätzen zu provozieren.

Auch die Geschichte von Lew und Klara ist interessant. Eine Geschichte über eine heimliche Liebe. Über Betrug. Verlust. Vertrauen. Krankheit. Eine mitreißende Geschichte, bei der man einerseits Sympathie empfindet, die einen andererseits aber auch abstößt.

Die Autorin bringt das Thema meisterhaft zu Papier. Stößt eine gedankliche Diskussion an. Provoziert. Philosophiert. Und bringt auch immer wieder wunderschöne Sätze ein, die fast schon wie Lebensweisheiten anmuten. Sie schreibt über die Liebe und wie man die Liebe sieht, was Liebe zu Liebe macht und wie ein Mensch einen geliebten Menschen sieht und sehen möchte. Ein Buch, das leider nur sehr kurz ist aber das mit mitgerissen hat und auch im Nachhinein noch die Gedanken beschäftigt hat.

Fazit:
„Roman d’amour“ von Sylvie Schenk ist ein Buch, das mich begeistert hat. Ich lese gerne Bücher, in denen über das Leben, den Sinn, die Liebe etc. philosophiert wird. Und genau das tut Frau Schenk in ihrem Buch anhand der Geschichte von Charlotte/Karla. Sie zeigt eine große Liebe auf, aber auch einen Ehebruch. Was ist erlaubt? Was darf Liebe? In einer außergewöhnlich niveauvollen Sprache regt die Autorin zum gedanklichen Mitdiskutieren an. Und auch nach der Lektüre des Buches war ich noch am Verarbeiten und Weiterphilosophieren.

5 Sterne von mir für diese nachhaltig beeindruckende Geschichte!

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Veröffentlicht am 09.04.2021

Eine turbulente Reise zurück in eine Zeit des Krieges, aber auch von Wandel und Umbruch

Die Töchter der Tuchvilla
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Worum geht’s?
In der Tuchvilla ist neues Leben eingekehrt, 3 Enkelkinder bringen Sonnenschein und Trubel ins Haus. Es könnte alles gut sein. Aber: Es ist Krieg. Die Männer der Familie Melzer sind allesamt ...

Worum geht’s?
In der Tuchvilla ist neues Leben eingekehrt, 3 Enkelkinder bringen Sonnenschein und Trubel ins Haus. Es könnte alles gut sein. Aber: Es ist Krieg. Die Männer der Familie Melzer sind allesamt eingezogen und die Frauen müssen sich vor Ort um die Tuchfabrik kümmern. Besonders Marie setzt sich dafür ein, das Erbe der Tuchvilla zu erhalten. Elisabeth verwandelt kurzerhand die Tuchvilla in ein Lazarett – und dann erreicht die Familie die Nachricht vom Tod eines der Familienmitglieder.

Meine Meinung:
Anne Jacobs‘ „Die Töchter der Tuchvilla“ ist der zweite Teil der Tuchvilla-Saga und ich muss sagen: Das Buch hat mich komplett überzeugt. Wo ich mir im ersten Teil eine Vertiefung der geschichtlichen und historischen Teile gewünscht habe, erfüllt mir die Autorin hier meinen Wunsch. Auf beeindruckend emotionale Weise beschreibt sie die Schrecken des Krieges. Das Leben der Männer an der Front. Wie manche davon verrückt werden. Und wir erleben diese Schrecken, die Alpträume, diese grausame Zeit an der Seite der Männer der Tuchvilla, die uns bereits im ersten Teil ans Herz gewachsen sind.

Besonders mit Humbert, dem Hausdiener, fiebere ich hierbei mit. Sein Teil in dieser Geschichte ist wirklich außergewöhnlich und beeindruckend. Und auch die Entwicklung, die er nimmt. Er wird ebenfalls eingezogen und muss kämpfen. Und er ist die Person, die in dem Buch die wohl größte Entwicklung durchmacht. Und ich bin mir sicher, dass wir von ihm in den weiteren Bänden noch Großes hören werden!

Marie, Kitty und Elisabeth entwickeln sich ebenfalls weiter. Marie entdeckt ihre Begabung für technische Dinge. Unterstützt in der Tuchfabrik und bringt eigene Ideen ein. Kitty – die melancholische Tochter – zerbricht fast an einer schlechten Nachricht. Aber auch sie rafft sich auf und findet zurück zur Malerei. Und Elisabeth, die im ersten Teil doch eher recht unscheinbar wirkt, entwickelt sich zu einer starken, durchsetzungsfähigen Frau. Wo sie mir im ersten Teil doch eher manchmal unsympathisch und neidisch erschien, wächst sie mir hier richtig ans Herz. Sie setzt sich im Lazarett ein und entdeckt auch ihre wahren Gefühle und Wünsche – in der Liebe und im Leben.

Alle diese Dinge bringt die Autorin eindrucksvoll in diesem Buch unter. Wir erleben die Kampfeinsätze an der Front mit, wie die Soldaten an ihre Grenzen gehen. Höre die Einschläge der Granaten. Auch die Räterepublik fließt mit ein. Der Kamp der Arbeiter. Und die modischen Entwicklungen. Die Kleider werden kürzer – die Frisuren auch. Ebenso der gesellschaftliche Wandel: Die Frauen werden selbstbewusster, gehen an die Uni, werden selbstständiger. Die ersten Scheidungen finden statt. Was in der Schule trockene Geschichte war, ist hier nebenbei mit eingeflossen auf genial bildhafte und packende Weise. Es ist spannend, emotional, grausam und schön. Alles in einem. Ein Buch, das mich bis zum Ende gefesselt hat und mir Lust macht, direkt mit dem dritten Teil anzufangen!

Fazit:
In dem zweiten Teil der Tuchvilla-Saga von Anne Jacobs – „Die Töchter der Tuchvilla“ – nimmt uns die Autorin mit auf eine Reise durch die Zeit. Die LeserInnen kämpfen mit den Söhnen der Tuchvilla an der Front, erleben den Krieg mit, die Demonstrationen der Arbeiter, die Räterepublik aber auch den gesellschaftlichen und modischen Wandel. Auf beeindruckende Weise fügen sich diese geschichtlichen Details in die Geschichte der Familie Melzer ein. Auch die Töchter der Familie, Marie, Kitty und Elisabeth, entwickeln sich weiter und wachsen uns LeserInnen noch mehr ans Herz. Obwohl Marie die Hauptprotagonistin ist, wird mir hier Elisabeth – die im ersten Teil doch eher wie ein missgünstiges, graues Mäuschen gewirkt hat – so richtig sympathisch. Ich habe das Buch verschlungen – sowohl die Alpträume des Krieges als auch die eindrucksvolle Entwicklung von Mode und Gesellschaft und dem Selbstbewusstsein der Frauen.

5 Sterne von mir für dieses schillernde und außergewöhnliche Buch!

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