Platzhalter für Profilbild

Bianste

Lesejury Star
offline

Bianste ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Bianste über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 18.10.2017

Atemlos

Zugzwang – Joshua Trempes erster Fall
0

Joshua Trempe fliegt zu Hause raus. Seine Frau kann es nicht mehr ertragen, sich ständig um ihn zu sorgen, wenn er im Einsatz ist. Er liebt seine Frau, kann ihre Einwände verstehen, gleichzeitig liebt ...

Joshua Trempe fliegt zu Hause raus. Seine Frau kann es nicht mehr ertragen, sich ständig um ihn zu sorgen, wenn er im Einsatz ist. Er liebt seine Frau, kann ihre Einwände verstehen, gleichzeitig liebt er auch seinen Job und gerät prompt wieder in einen gefährlichen Einsatz, bei dem er verletzt wird.
Die Ermittlungen entwickeln sich rasant, trotzdem lässt Trempe sich nicht von den anfänglich guten Ergebnissen einlullen. Er hat ein schlechtes Gefühl dabei und ermittelt weiter, auch in die Richtungen, die von „oben“ nicht erwünscht sind.
Da er nicht nach Hause kann, benötigt er eine andere Unterkunft und das führt dazu, dass er seine Kollegen besser und vor allem von einer anderen Seite kennenlernt.
Thematisch streift der Krimi verschiedene Aspekte, unter anderem geht es auch um Börsenmanipulationen, Werbung und Manipulation im weiteren Sinne.
Obwohl das eher trocken klingt, ist der Krimi alles andere als das.
Nachdem die Handlung einmal ins Rollen gekommen ist, geht es atemlos weiter. Gut, dass es ein wenig Ruhe gibt, wenn Trempe an seine Familienprobleme denkt.
Insgesamt ist dies ein spannender Krimi, mit Figuren, die überraschen, ihre Brüche haben und die einem nach und nach ans Herz wachsen, auch wenn es sich nicht um geborene Sympathieträger handelt.

Veröffentlicht am 06.10.2017

optimistisch

Ein Gentleman in Moskau
0

Graf Rostov wird zum Tode verurteilt, weil er für die neuen Machthaber in Russland unangemessen erscheinende Gedichte geschrieben hat oder auch, eben weil er ein Graf ist. Die Todesstrafe wird im letzten ...

Graf Rostov wird zum Tode verurteilt, weil er für die neuen Machthaber in Russland unangemessen erscheinende Gedichte geschrieben hat oder auch, eben weil er ein Graf ist. Die Todesstrafe wird im letzten Augenblick aufgehoben und in eine lebenslange Haft im besten Luxushotel am Platz umgewandelt. Hier dafür allerdings keine Suite bewohnen, sondern ein kleines Zimmerchen im sechsten Stock direkt unter dem Dach.
Graf Alexander wächst einem beim Lesen sofort ans Herz. Er ist korrekt, aufmerksam und einfach immer optimistisch. Egal, was das Leben ihm bietet, er setzt sich damit auf seine ganz besondere Art und Weise auseinander. Ob es sich um einen Kellner oder um einen Gast, wie zum Beispiel das Mädchen Nina, handelt, er versetzt sich in ihre Lage und tut alles, um Ihnen zu helfen. Problematisch an der ganzen Sache ist natürlich, dass die anderen jederzeit das Hotel verlassen können, er jedoch auf Gedeih und Verderb hier gefangen ist. Verständlich erfährt er, was sich außerhalb des Hotels abspielt, da die anderen ihm alle notwendigen Informationen mitbringen.
Die Geschichte spielt in den dreißiger Jahren in Russland und vermittelt einen sehr bleibenden Eindruck von den politischen und sozialen Entwicklungen jener Zeit. Doch der eigentliche Dreh- und Angelpunkt der ganzen Geschichte ist Graf Alexander, ein Gentleman der ganz alten Schule mit einem ganz speziellen Verhältnis zur Welt.
Der Text fließt mit enormer Geschwindigkeit und saugt einen in den Roman hinein. Obwohl eigentlich nicht wirklich etwas Spannendes geschieht, will man doch unbedingt wissen, wie es weitergeht will den Grafen in seiner Gefangenschaft begleiten. Der Mikrokosmos des Hotels wird ihm zur Welt, beschäftigt seine Gedanken, seine Gefühle und wird ihm letztlich zum Lebenszweck.
Ein rundum zu empfehlendes Buch mit einer großen Tiefe und einer wirklich liebenswürdigen Hauptfigur, die einem noch lange in Erinnerung bleibt.

Veröffentlicht am 02.10.2017

Skurril

Saufen nur in Zimmerlautstärke
0

Schon der Titel ist seltsam, und so seltsam beginnt die Geschichte auch. Adam erleidet im Zoo einen Herzanfall, er wird zwar gerettet, aber seine Retter haben nichts damit zu tun. Sie flirten lieber.
Auch ...

Schon der Titel ist seltsam, und so seltsam beginnt die Geschichte auch. Adam erleidet im Zoo einen Herzanfall, er wird zwar gerettet, aber seine Retter haben nichts damit zu tun. Sie flirten lieber.
Auch seine Frau ist wenig an den wahren Umständen interessiert, warum ihr Mann der Arbeit ferngeblieben ist. Schließlich ist er schon einmal fremdgegangen und wer einmal lügt, dem glaubt man nicht.
Genauso ergeht es ihm mit seinem Schwiegervater, der zu allem Unglück auch noch sein Arbeitgeber ist. Adam sieht einen Ausweg in der vom Arzt empfohlenen Auszeit. Also reist er mit einer fingierten Überweisung zu einem (nicht existierenden) Herzspezialisten nach Island. Dort erwartet ihn (überraschend) seine Ex-Geliebte, mit der er jedoch nichts anfängt.
Stattdessen fährt er am nächsten Tag aufs Land, wird über eine Klippe geweht und von einem Mann gerettet, der sich selbst als Troll bezeichnet.
Leichtfertig verspricht Adam ihm, dass er ihn mitnimmt.
Dann muss er ihn tatsächlich mitnehmen, bis nach Berlin und plötzlich ist seine in die Brüche gehende Ehe nicht mehr Adams größtes Problem.
Soviel zum Inhalt. Rath erzählt mit sehr trockenem Humor, erzeugt immer skurrilere Situationen und bringt seinen Helden in immer absurdere Situationen.
Es macht viel Spaß, Adams Erlebnisse zu lesen, trotzdem bleibt man ein wenig ratlos zurück und fragt sich nach Ende des Buches: und nun?
Es endet irgendwie unspezifisch. Schade.

Veröffentlicht am 02.10.2017

Geht zu Herzen

Sami und der Wunsch nach Freiheit
0

Scharif ist ein syrischer Flüchtling und ein Freund des Autors. Er erzählt von seinem Freund Sami. Die beiden sind zusammen aufgewachsen. Sie leben im Damaskus vor dem Bürgerkrieg, werden älter, entwickeln ...

Scharif ist ein syrischer Flüchtling und ein Freund des Autors. Er erzählt von seinem Freund Sami. Die beiden sind zusammen aufgewachsen. Sie leben im Damaskus vor dem Bürgerkrieg, werden älter, entwickeln sich und werden zu Rebellen.
Einer eher abenteuerlichen Kindheit folgt eine Jugend, in der die Willkür des Regimes immer deutlicher wird, Ungerechtigkeit und Abhängigkeit vom Wohlwollen der Oberen eine immer größere Rolle spielt.
Die einzelnen Episoden beleuchten die unterschiedlichsten Aspekte verschiedener Menschen in Syrien, zeigen, was Willkür bedeutet und wie die Menschen lernen, damit umzugehen.
„Sami und der Wunsch nach Freiheit“ ermöglicht bei aller Grausamkeit der Geschehnisse eine gewissen Distanz für die Leserinnen und Leser, da auch der Autor eine Distanz wahrt, indem er Scharif die Geschichte erzählen lässt und er sie selbst nur aufschreibt – scheinbar ohne innere Beteiligung.
Dadurch gelingt es Rafik Schami, ein eigentlich grausames, ja schon beinahe brutales Geschehen, so darzustellen, dass es die Leser beeindruckt, aber nicht verschreckt oder gar schockiert. Gleichzeitig bekommen die Leser einen klaren Eindruck von den Lebensbedingungen in Syrien, von dem, was die Menschen dort meistern mussten und müssen, wie der Traum von Freiheit alles beeinflussen und verändern kann.
Die einzelnen Episoden sind sehr authentisch beschrieben, wirken gleichzeitig fremd und nah, denn bei allen Unterschieden, die sie trennen, sind sich die syrischen Jugendlichen und die deutschen Jugendlichen doch auch wieder ganz nah, wenn es z.B. um ihre Smartphones geht. Auch ihre Wünsche und Hoffnungen unterscheiden sich nicht wesentlich. So gelingt es Schami, ein Jugendbuch zu schreiben, dass die jugendlichen Leserinnen und Leser in ihren Bann zieht, weil sie sich in weiten Teilen mit Scharif und Sami identifizieren können, zur gleichen Zeit aber unglaublich viel über die syrische Kultur und die Lebensumstände dort erfahren. Ein Buch, das zu Herzen geht und Herzen öffnet.

Veröffentlicht am 25.09.2017

Rasant

Hamstersaurus Rex
0

Eines Morgens findet sich plötzlich ein Hamster in Sams Klasse. Sofort schließt er ihn in sein, auch wenn er ziemlich bald wieder verschwunden ist. Sam will ihn wiederfinden und für ihn sorgen.
Dazu hat ...

Eines Morgens findet sich plötzlich ein Hamster in Sams Klasse. Sofort schließt er ihn in sein, auch wenn er ziemlich bald wieder verschwunden ist. Sam will ihn wiederfinden und für ihn sorgen.
Dazu hat er auch allen Grund, denn die Streberin Martha Cherie und der Rowdy „Miefer“ Vanderkoff haben es auch auf ihn abgesehen. Martha, weil sie Hamsterbeauftragte ist (nach eigenem Wunsch) und Miefer, weil er sich an Sam rächen will.
Kompliziert wird die ganze Angelegenheit, als der Hamster sportmedizinische Aufbaupräparate des Sportlehrers in großen Mengen frisst und daraufhin zum Hamstersaurus Rex mutiert. Mit seiner Hilfe gewinnt Sam ein schräges Sportturnier, in dem es ausschließlich um Kraft geht.
Es gelingt ihm auch, sich gegen Miefer zu behaupten, obwohl der sich wirklich fiese Überraschungen ausdenkt. Allerdings verliert Sam durch all das auch die Freundschaft und vor allem das Vertrauen seiner Freundin Kim.
Je mehr Sam versucht, geheim zu halten, dass er weiß, wo sich Hamstersaurus aufhält, umso mehr verstrickt er sich in Widersprüche und mutiert selbst zu einem Jungen, der er eigentlich nicht sein will.
Am Ende kommt es sogar zu einem Showdown zwischen Hamstersaurus und Boa Constrictor, bei dem mehr als nur die Exponate der Science Night kaputt gehen.
Insgesamt handelt es sich um einen witzigen Roman für junge Leser, der Schule als Grundlage für viele skurrile Ideen, Charaktere und Schauwettkämpfe verwendet.
Da es sich um einen Roman aus dem englischsprachigen Ausland handelt, passt natürlich einiges nicht so wirklich zum deutschen Schulsystem und damit dem Erfahrungsschatz der Leser, aber das gilt wohl für die ganze Geschichte.
Zwischendurch hatte ich beim Lesen das Gefühl, dass ich eigentlich ganz gern wenigstens mal einen normalen Menschen entdecken würde … Abziehbildlehrer, Eltern, die keine Ahnung haben und Schüler, die mehr Klischee sind als alles andere … andererseits haben wir es hier natürlich mit einem deutlich überzeichneten Werk zu tun. Andernorts würde der Hamster wohl nicht mutieren.
Trotzdem bleibt ein zwiespältiges Gefühl – tolle Idee, viel Witz, kein feinsinniger Humor, mehr Haudrauf. Da Sam uns die Geschichte selbst erzählt, sind wir nah dran an seinen Gedanken und Gefühlen, und da wird es glücklicherweise ein wenig differenzierter, denn Sam denkt viel nach und erkennt auch, was er falsch macht, auch wenn er nicht sofort weiß, wie er es besser machen kann.
Auch die Schwarz-Weiß-Illustrationen bereichern das Buch, sie sind auch passend, weil Sam selber gern zeichnet, am liebsten Karikaturen. Sie lockern den locker gesetzten Text weiter auf und ermuntern zum Weiterlesen.
Dinofans werden bestimmt ihre Freude an dem Buch haben.