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Veröffentlicht am 12.09.2020

Weihnachten in Vermont

Marcia aus Vermont
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Nach einem Jahr in Amerika muss sich der junge angehende Künstler eingestehen, dass er den Durchbruch nicht geschafft hat und bittet die Eltern um Geld für ein Rückflugticket. Als kleine Rebellion bleibt ...

Nach einem Jahr in Amerika muss sich der junge angehende Künstler eingestehen, dass er den Durchbruch nicht geschafft hat und bittet die Eltern um Geld für ein Rückflugticket. Als kleine Rebellion bleibt er aber über die Weihnachtstage noch in New York. Dort lernt er Marcia kennen, die ihn auf der Straße um ein paar Dollar anschnorrt. Vielleicht noch ein kleines Geburtstagsgeschenk und er könnte gern mit in die Wohnung kommen – er lässt sich darauf ein und wird für ein paar Tage Teil einer sonderbaren Menage. Marcia ist die Geliebte eines Schriftstellers, ganz mit Einverständnis der Ehefrau.
An diese Weihnachtstage erinnert sich der Ich-Erzähler, inzwischen ein anerkannter Künstler, als er nach mehr als 30 Jahren wieder einen Winter in den USA verbringt. Als Gast einer Stiftung in Vermont. Verwirrt wird er durch ein Manuskript, dass in seinem Appartement findet, eine kleine Erzählung die eine Dreier-Beziehung schildert, die durch das Eindringen eines jungen Schweizer Künstlers gesprengt wird.
Eine kleine, durchaus stimmungsvolle Erzählung von Peter Stamm. Durch die Form der Ich-Erzählung erweckt es einen autobiografischen Anschein. Es ist kunstvoll komponiert, Peter Stamm ist einfach ein Meister der Sprache, aber wirkt – nicht nur der eisigen Temperaturen wegen – unterkühlt auf mich.

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Veröffentlicht am 10.09.2020

Elwenfelser Tröpfchen

Rebenopfer
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Carlos Herb ist Ex-Polizist und verdient nun seine Brötchen als Privatdetektiv. Ein gut dotierter Routineauftrag führt ihn in die Pfalz. Der schwerreiche Unternehmer Strobel ist seit fast 3 Jahren verschwunden ...

Carlos Herb ist Ex-Polizist und verdient nun seine Brötchen als Privatdetektiv. Ein gut dotierter Routineauftrag führt ihn in die Pfalz. Der schwerreiche Unternehmer Strobel ist seit fast 3 Jahren verschwunden und wurde dort zuletzt gesehen. Seine Ehefrau will endlich Gewissheit und ans Erbe.

Carlos macht sich also auf in die Pfalz und der Zufall verschlägt ihn ins winzige Weinnest Elwenfels und damit fast in eine andere Dimension. Großstädter und Biertrinker versus Weinliebhaber und Dörfler, da sind Reibungen programmiert.

Das Buch hat mich komplett überrascht. Ich hatte einen Regionalkrimi mit der üblichen Mischung aus Ermittlungen und Lokalkolorit erwartet, aber die Autoren haben mich in eine besondere Geschichte geführt. Carlos taucht fast in eine Parallelwelt ein, als hätte ihn ein weißer Hase ins Wunderland mitgenommen. Statt des Hutmachers gibt es eine Miederwarenverkäuferin und eine böse Königin konnte ich auch ausmachen. Sogar die Existenz der Elwetritsche kann er nicht mehr anzweifeln. Dieses fabelhafte Wesen, eine Mischung aus Huhn, Ente und Frau weist ihm schon mal den Weg. Seine Erlebnisse und seine Erkenntnisse sind nicht für ihn nicht immer zu fassen, aber je näher er dem Wein und den Elwenfelsern kommt, desto näher kommt er seinem Auftrag. Aber was heißt schon Auftrag, wenn man mal ein in Paradies schauen durfte.

Die Habekosts haben mich in eine märchenhafte Welt entführt und mit jeder Seite die Lust an den Menschen und der Landschaft geweckt. Was kann es Schöneres geben, als im Herbst mit einem Dubbeglas ein Weinschorle zu trinken und die Langsamkeit des Seins zu genießen. Das hat der Leser mit dem Protagonisten Carlos gemeinsam.

Die Liebe zur Pfalz, ihren Eigenheiten, ihrem Dialekt ist richtig greifbar und das macht den Charme des Buches aus. Es wird auch spannend, auch wenn der Kriminalfall ganz anders ausgeht, als erwartet und als Leserin kann ich nur hoffen, dass es Carlos bald wieder mal Elwenfels führt. Es gibt doch sicher noch einige Geheimnisse, die zu lüften sind.

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Veröffentlicht am 09.09.2020

Der letzte Sommer

Sterben im Sommer
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Zsuzsa Bank, die ich seit ihrem Roman „Helle Tage“ sehr schätze, hat mich mit ihrem neuen Buch tief berührt.
Wie der Titel schon sagt, kreist es um den Tod ihres Vaters. Wie jedes Jahr will er mit seiner ...

Zsuzsa Bank, die ich seit ihrem Roman „Helle Tage“ sehr schätze, hat mich mit ihrem neuen Buch tief berührt.
Wie der Titel schon sagt, kreist es um den Tod ihres Vaters. Wie jedes Jahr will er mit seiner Familie die Heimat Ungarn sehen, ein Sommer im Dorf, die Wärme spüren, die Gerüche atmen, die Erinnerung aufleben lassen. Doch er wird krank und nun beginnt eine Odyssee für die Autorin und die Familie. Zuerst das Krankenhaus gleich hinter der österreichischen Grenze, da fühlt man sich besser aufgehoben, als in einer ungarischen Klinik. Dann nach bangen Wochen der Transport ins Uniklinikum Frankfurt, immer mit dem Wissen, dass die letzten Tage angebrochen sind. Vor dem Sterben, beim Sterben, nach dem Sterben – sie erzählt von Gefühlen, Ängsten und Überforderung. Gleichzeitig blättert sie das Leben der Eltern auf, die nach dem Ungarn-Aufstand nach Deutschland flohen und eine neue Heimat fanden ohne die alten Bindungen je kappen zu können.
Auch wenn die Klinikszenen manchmal kaum auszuhalten waren, wenn Frau Bank offen von der Überforderung des Personals spricht, von unsensiblen Ärzten berichtet, die wenig Zeit für den Patienten und die Angehörigen finden. In der Maschinerie des Klinikbetriebs bleibt die Menschlichkeit oft auf der Strecke.
Trotz des ernsten Themas schwingt eine spätsommerliche Stimmung durch das Buch, manchmal traurig und fast immer melancholisch, doch auch mit der Gelassenheit, die schöne Erinnerungen mit sich bringen. Es ist ein autobiografischer Bericht, in einer wunderbar sensiblen Sprache erzählt, die mir ein Genuss war. Ich habe das Buch mit großer Empathie gelesen, es hat mich angerührt, doch wurde es nie sentimental.

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Veröffentlicht am 09.09.2020

Ein Preuße ermittelt in München

Der falsche Preuße
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Wilhelm Freiherr von Gryszinski, durch und durch preußisch, kommt zur Jahrhundertwende als Sonderbeamter nach München. Er soll im bayrischen Königreich die modernen Ermittlungsmethoden der Kriminalpolizei ...

Wilhelm Freiherr von Gryszinski, durch und durch preußisch, kommt zur Jahrhundertwende als Sonderbeamter nach München. Er soll im bayrischen Königreich die modernen Ermittlungsmethoden der Kriminalpolizei einführen, also Spurensuche, Fingerabdrücke und was es sonst als technische Neuerungen gibt.

Wider Erwarten gefällt ihm und seiner kleinen Familie der Aufenthalt im sinnenfrohen München sehr gut. Besonders die Küche hat es ihm angetan und seine Besuche auf dem Viktualienmarkt gehen nie ohne ein paar Schmankerln ab.

Dann sein erster Mordfall: Der bekannte Bierbeschauer Sperber wird tot an der Isar gefunden, eingehüllt in ein exzentrisches Cape aus Federn. Die Spuren sind ausgefallen, Gryszinski meint den Abdruck eines Elefantenfußes zu erkennen. Als Bierbeschauer hat Sperber sicher eine Menge Feinde, denn sein Urteil über die Reinheit des Biers kann über den Erfolg der Brauer entscheiden.

Bei seinen Ermittlungen trifft Gryszinski auf den neureichen „Exilpreußen“ Lemke, der seit seiner Heirat mit einer Brauereierbin im Geschäft mitmischen will.

Der historische Kriminalroman war ein Lesevergnügen von der ersten Seite an. Ein Zeit- und Sittenbild vom München des beginnenden 20. Jahrhunderts, farbig und lebendig beschrieben aus der Sicht eines preußischen Offiziers. Der Zusammenprall von bayrischer Gemütlichkeit und preußischer Korrektheit ergeben immer wieder witzige Szenen. Vor allem, wenn Gryszinski im Lauf der Zeit immer mehr zur bayrischen Lebensfreude neigt. Ich habe mich dabei bestens unterhalten. Uta Seeburg hat sich Figuren ausgedacht die lebensecht und mit vielschichtigen Charakteren ausgestattet.
Besonders gelungen fand ich seinen Gegenspieler, den dubiosen Geschäftsmann Lemke, der sich mit seinem Reichtum seine Bubenwünsche erfüllt. Seine Villa gleicht einem überdimensionalen Spielzimmer mit Eisenbahnwaggon, U-Boot und Fesselballon und vielen technischen Spielereien. Auch Gryszinskis Ehefrau ist toll porträtiert. Zwar scheint sie immer in einem Roman versunken zu sein, aber ihre Hinweise bringen ihn oft auf eine neue Spur.

Für mich war dieser historische München-Krimi eine richtige Entdeckung.

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Veröffentlicht am 06.09.2020

Südtiroler Sterne

Neid kennt kein Gebot
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Commissario Fabio Fameo ist schon lange im idyllischen Südtirol heimisch geworden. Zusammen mit seiner Südtiroler Frau Elisabeth und den gemeinsamen Kindern bewohnt er den historischen Ansitz Esser. Doch ...

Commissario Fabio Fameo ist schon lange im idyllischen Südtirol heimisch geworden. Zusammen mit seiner Südtiroler Frau Elisabeth und den gemeinsamen Kindern bewohnt er den historischen Ansitz Esser. Doch das Idyll wird empfindlich gestört als eine Gruppe Touristen in einem Weiher einen abgetrennten menschlichen Arm finden. Einer der Touristen, selbst Koch, weist die Polizisten auf die typischen Vernarbungen von Schnittverletzungen am Finger hin. Es tauchen noch weitere Körperteile auf und Fameo kommt unter Druck.

Ralph Neubauer ist ein Südtirol Fan und manchmal denke ich, dass er die Form des Kriminalromans gewählt hat um seine Leser auf unterhaltsame Weise diese Landschaft näherzubringen. Er kennt alle einschlägigen Restaurants und baut sie so in die Handlung ein, dass man das Buch auch fast als kulinarischen Reiseführer lesen könnte. Die Geschichte der Sterneküche in Südtirol ist wirklich interessant und der Hinweis auf typische Rezepte gefiel mir auch. Glücklicherweise verzichtet der Autor auf die Rezepte im Anhang, das ist inzwischen wirklich nicht mehr originell.

Auch vieles aus der Südtiroler Geschichte fließt in die Handlung ein. Dazu kommt noch eine ganz sympathische Eigenart des Autors: er baut gern Menschen, die ihm begegneten in die Handlung ein. Das birgt allerdings die Gefahr, dass sich die Geschichte zerfasert und in Nebenhandlungen verliert. Das passiert manchmal auch hier und wenn ich es auch nicht sehr störend empfand, hat es doch die Handlung abgebremst und auch dem Spannungsbogen des Plots nicht gut getan. Besonders fiel mir da die Geschichte um einen deutschen Bergwanderer und seiner Frau auf und die Verwicklungen eines urlaubenden deutschen Staatsanwalts auf.

Aber trotz all den Abschweifungen behauptet sich die Krimihandlung dann doch und nimmt gegen Ende deutlich an Fahrt auf. Auch wenn ich mich mit meinen Vermutungen schon früh bestätigt sah, war die Auflösung gut gemacht und in sich auch schlüssig.

Neubauers Südtirol Krimis sind eben eine Liebeserklärung an Land und Leute.


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