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Veröffentlicht am 02.06.2019

Unterhaltsamer Urlaubskrimi

Cyrus Doyle und der dunkle Tod
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Der Auftakt des neuen Cyrus Doyle Krimis führt uns ins Kino. Während des Victor-Hugo-Symposiums wird zur Auflockerung eine alte Hollywood Produktion gezeigt, die auf einem seiner Romane beruht und unfreiwillig ...

Der Auftakt des neuen Cyrus Doyle Krimis führt uns ins Kino. Während des Victor-Hugo-Symposiums wird zur Auflockerung eine alte Hollywood Produktion gezeigt, die auf einem seiner Romane beruht und unfreiwillig komisch erscheint. Cyrus, zusammen mit Kollegin Pat Holburn ganz privat bei der Aufführung, wird wieder gefordert. Im Anschluss der Vorführung sollte ein Victor Hugo Double auf der Bühne erscheinen, doch der Schauspieler sitzt tot auf seinem Platz.


Galt der Anschlag dem Schauspieler oder sollte das Symposium gestört werden? Es gibt einige Spuren und sie führen wiederum in die Vergangenheit Guernseys.


Die Kanalinsel als Schauplatz finde ich immer wieder faszinierend, vor allem weil der Autor jedem seiner Krimis eine andere historische Begebenheit als Hintergrund zuordnet. Guernsey war während des Zweiten Weltkriegs von den deutschen Truppen besetzt und viele Bunker zeugen noch heute davon. Hat es eine Bedeutung, dass ein deutscher Literaturwissenschaftler den gleichen Namen wie ein damaliger Besatzungsoffizier trägt? Aus der besonderen Stellung der Insel zwischen Frankreich und England und der anglo-franko Mischung seiner Bewohner ergeben sich viele reizvolle Details, die in die Ermittlungsarbeit einfließen.


Es ist nun schon der 4. Band der Guernsey Krimis und habe die Entwicklung der Protagonisten voller Interesse verfolgt. Cyrus ist ein durch und durch sympathischer Ermittler und ich kann seine Faszination für seinen historischen Sportwagen durchaus nachvollziehen, wünschte mir aber, es würde inzwischen nicht so oft thematisiert werden. Ähnlich ergeht es mir mit seiner schwebenden Beziehung zur Kollegin Pat Holburn. Sie waren mal ein Paar, trennten sich allerdings als Cyrus auf’s Festland versetzt wurde. Beide wünschten sich, das wäre nicht geschehen, beide wollen aber auch jetzt nicht nachgeben. Das Werben von Cyrus und die Ziererei von Pat wirken nicht sonderlich erwachsen und auf die Dauer auch fade. Wann reden die beiden endlich Klartext?


Ich mag diese Reihe sehr und finde die Verbindung von Krimi, Geschichte und Location sehr gelungen. Die geschichtlichen Hintergründe sind kenntnisreich geschildert und haben mich schon einige Male inspiriert, mich mit der Vergangenheit der Insel zu beschäftigen. Außerdem kann Jan Lucas sehr geschickt Spannung aufbauen und den Leser mit diversen Spuren und Wendungen unterhalten. Trotzdem muss ich gestehen, es war für mich nicht der beste Band aus der Reihe.



Veröffentlicht am 28.05.2019

Tod in Ischl

Das Sissi-Feuerwerk
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Bad Ischl ist ein Hot Spot für Habsburger- und besonders Sissi-Fans. Der Ort lebt gut davon und will zur Sommersaison eine Art Varieté, das „Sissi-Feuerwerk“ aufführen. Dabei stürzt eine als Sissi kostümierte ...

Bad Ischl ist ein Hot Spot für Habsburger- und besonders Sissi-Fans. Der Ort lebt gut davon und will zur Sommersaison eine Art Varieté, das „Sissi-Feuerwerk“ aufführen. Dabei stürzt eine als Sissi kostümierte Artistin vom Hochseil.


Chefinspektor Materna, der mit seiner Freundin Josi grad im Urlaub dort weilt, ist gleich zur Stelle. Josi ist Journalistin und Autorin und schrieb an einem Buch über Leistungssport und Artistik und hat sich bei den Recherchen mit einigen der Künstler angefreundet. Sie war auch Zeugin des Unfalls und nahm einige Details wahr. So stellt sich bald heraus, dass beim Sturz nachgeholfen wurde. Aber wer hat Interesse am Unfall der jungen Frau? Kurz entschlossen unterbricht Materna seinen Urlaub und ermittelt mit den Kollegen in einem Fall, der immer undurchsichtiger und auch gefährlicher wird.


Ganz viel K & K-Feeling und österreichischen Charme gibt in diesem Ischler Krimi um den sympathischen Materna und seiner Freundin, die ihm ganz inoffiziell als persönlicher Watson assistiert. Ob es bei der Erwähnung der geschichtsträchtigen Orte im ehemaligen Kaiserbad geht oder bei der Aufzählung der köstlichen Mehlspeisen in den Konditoreien - den Krimi umweht ein besonderes Flair. Das wird gebrochen durch die Aktionen einer Tierrechtsorganisation um den charismatischen und auch etwas dubiosen Gerold Stein, der in seinen Forderungen weit über ein Auftrittsverbot von Tieren hinausgeht. Auch Kuscheltiere aus Plüsch sind ihm ein Dorn im Auge, zementieren sie doch schon bei Kleinkindern den falschen Umgang mit Tieren als Objekte. Sehr seltsam scheint für Materna, dass er immer wieder im Umfeld der Ermittlungen auf dessen Namen stößt.


Das Sissi-Feuerwerk ist ein gemütlicher Krimi mit guter und solider Spannung, die geschickt aufgebaut wird. Er lebt natürlich vom Flair des Ortes einerseits und von der Welt der Artisten andererseits. Darüber hinaus fand ich den Chefinspektor Materna und seine Freundin ein sympathisches Ermittlerduo.


Hilfreich ist ein ausführliches Personenverzeichnis gleich zu Beginn, sonst hätte ich vielleicht Probleme gehabt, die Mitarbeiter des LKA Oberösterreich und die der örtlichen Polizeiinspektion immer richtig zuzuordnen.


In ihrem Nachwort dankt die Autorin dem Lektor, dass die österreichischen Sprachunterschiede beibehalten wurden und auch ich schließe mich diesem Dank an. Ich finde es immer bereichernd, wenn ich ein Buch aus dem österreichischen oder Schweizer Sprachraum lese und das auch zu merken ist. Für ganz spezielle Ausdrücke gibt es auch in diesem Buch ein Glossar.



Veröffentlicht am 22.05.2019

Ein klassischer, eher ruhiger Krimi

Nachts schweigt das Meer
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DI Ben Kitto kehrt für eine Auszeit heim auf die Scilly Inseln. Auf Tresco ist er aufgewachsen, aber nur noch Onkel Ray, ein wortkarger Bootsbauer, lebt hier. Statt Ruhe und Abgeschiedenheit findet Ben ...

DI Ben Kitto kehrt für eine Auszeit heim auf die Scilly Inseln. Auf Tresco ist er aufgewachsen, aber nur noch Onkel Ray, ein wortkarger Bootsbauer, lebt hier. Statt Ruhe und Abgeschiedenheit findet Ben die Insel in Aufruhr. Die junge Laura Trescothick ist verschwunden, sie kann die Insel nicht verlassen haben, denn ein Sturm brachte den Schiffsverkehr zum Erliegen. Eine Suchmannschaft wird gebildet, natürlich beteiligt sich Ben und Laura wird am Fuß einer Klippe gefunden. Ein schrecklicher Unfall oder ein Mord?


Auch wenn er Erholungsurlaub hat, Ben lässt sich in die Ermittlungen einbinden. Vielleicht findet er so Abstand zu den Erlebnissen der letzten Monate, als er seine langjährige Partnerin in verdeckten Ermittlungen verloren hat und sich die Schuld daran gibt. Aber leicht wird es nicht, denn plötzlich muss Ben erkennen, dass sein Verdacht auch auf Leute fällt, die er sein ganzes Leben kennt und seine Loyalität zu den Einheimischen wird auf die Probe gestellt.
Der Krimi ist ganz klassisch aufgebaut. Wir haben einen Polizisten der mit seinen eigenen Dämonen kämpft und durch die Ermittlungen hart an seine Grenze kommt. Wir haben ein ziemlich überschaubares Terrain und eine übersichtliche Zahl von Verdächtigen. Trotzdem steigt die Spannung an, je weiter Ben hinter die Fassaden der Bewohner schauen kann. Vieles ist anders, als es scheint und Ben muss auch seine Erinnerungen korrigieren.


Wie auf allen kleinen Inseln sind die Bewohner der Scillys und besonders auf Tresco eine eingeschworene Gemeinschaft, eine gute Gelegenheit für die Autorin besondere Charaktere einzuführen und zu beschreiben. Rose Austell, die Kräuterhexe und ihr Sohn Sam, ein talentierter Fußballspieler, der nach kurzem Höhenflug gescheitert ist. Das Opfer, die lebenshungrige Laura, die nur raus aus der Enge der Insel will. Der Immobilienhai Jay Curnow, der alles auf der Insel aufkauft und auch vor Drohungen nicht zurückschreckt um Bewohner aus ihren Cottages zu vertreiben und sein Sohn, der trotz aller elterlichen Verbote sich mit Laura trifft, um nur einige zu nennen. Das gibt eine vielseitige Liste von Verdächtigen.


Die Spannung bezieht der Krimi eher aus der Figur des Ben Kitto und seinen Gesprächen mit den Einheimischen. Die Ermittlungen selbst sind eher kleinteilig und gemächlich. Hier wäre mir mehr Spannung lieb gewesen.Tatsächlich kristallisierte sich bei mir schon recht früh ein Verdacht heraus, der sich auch bestätigte.


Sehr schön ist die Atmosphäre der - zumindest in der beschriebenen Jahreszeit - sturmumtosten Insel, Kälte und Dauerregen machten selbst beim Lesen frösteln.


Ein klassischer, eher ruhiger Krimi, der von der Atmosphäre der Landschaft lebt.

Veröffentlicht am 14.05.2019

Ein deutsches Schicksal

Über alle Grenzen
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Es ist ein verlockendes Angebot für den Tropenmediziner und Tierarzt Werner Alexander. Ende der 50iger Jahre wird ein Direktor für den Erfurter Zoo gesucht. Die ganze Familie übersiedelt von Bayern in ...

Es ist ein verlockendes Angebot für den Tropenmediziner und Tierarzt Werner Alexander. Ende der 50iger Jahre wird ein Direktor für den Erfurter Zoo gesucht. Die ganze Familie übersiedelt von Bayern in den Osten. Da konnte noch niemand ahnen, dass nur wenige Jahre später diese Entscheidung in eine Katastrophe führte. Inzwischen wurde die Mauer gebaut und die Familie Alexander fühlt sich im Osten gefangen, die Direktorenstelle wurde längst mit einem linientreuen Parteigänger ersetzt. Später führt dann noch die versuchte Republikflucht des Sohnes Bruno zu ständigen Repressalien und Bruno ins Gefängnis.


Die zweite Zeitebene des Romans spielt in der Gegenwart. Lotte hat nach vielen Jahren ihren verschollenen Bruno ausfindig gemacht. Nach den vielen Gefängnisjahren hat er keinen Platz in der Gesellschaft mehr gefunden, seine Familie zerbrach an seinem Alkoholmissbrauch und seinen Gewaltausbrüchen. Er vegetiert inzwischen krank und verwirrt in einem Pflegeheim vor sich hin. Lotte setzt alles daran, dem Bruder die letzte Lebenszeit besser zu machen und auch seine Kinder zu finden um sie zur Aussöhnung zu bewegen.


Es sind also gleich zwei große Themenkreise, die Hera Lind in ihrem Buch zusammenfasst. Wobei wir im Nachwort von Protagonistinnen hören, auf deren Erlebnissen und Aufzeichnungen die Rahmenhandlung des Buches beruht. Lebendige, erlebte Geschichte – das hat mich neugierig gemacht und interessiert.


Sehr anschaulich finde ich das eingeschränkte Leben in der DDR geschildert. Die Bespitzlungen und Eintragungen der Stasi sind für die Familie einschneidend, die Kinder bekommen keine Zeugnisse mehr, eine weiterführende Schule ist unmöglich, all das weiß man aus vielen Berichten. Fast unfreiwillig komisch präsentiert sich die Stasi, wenn später in den Überwachungsprotokollen eine nasebohrenden Tochter aufgeführt wird, die von der Schwester ein Taschentuch gereicht bekommt. Schikane und genaues deutsches Beamtentum ergeben zuweilen eine absurde Mischung.
Allerdings hatte ich das Gefühl, dass Hera Lind sich nicht ganz exakt in den Sprachgebrauch der damaligen DDR einfühlen konnte. Zu viele Anglizismen und aktuellere Redewendungen sind ihr da in den Text gerutscht.


Der zweite Themenkreis – das Wiederfinden des Bruders in einer Pflegeeinrichtung – zeigt das ganze Elend des Pflegenotstandes. Bruno, der kaum noch artikulieren kann und Sozialhilfeempfänger ist, wird eigentlich nur noch verwahrt. Lotte kämpft ganz entschieden gegen diese Missstände an und führt geradezu einen Kreuzzug gegen Heimleitung, überarbeitete Pfleger und Gleichgültigkeit.


Ich kannte Hera Lind bisher nur von ihrem Erstlingswerk „Ein Mann für jede Tonart“ und auch ihren weiteren beruflichen Werdegang hatte ich nicht verfolgt, so dass dieses Buch tatsächlich eine positive Überraschung für mich war. Ich fand es emotional erzählt und auch durch die authentischen Bezüge besonders interessant.

Veröffentlicht am 13.05.2019

Eher Kurzgeschichten

Bell und Harry
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Bells Eltern vermieten ein altes Farmwohnhaus als Feriendomizil an eine Familie aus London. So begegnen sich Bell und Harry das erste Mal. Es wird eine Freundschaft fürs Leben. So unterschiedlich sie sind ...

Bells Eltern vermieten ein altes Farmwohnhaus als Feriendomizil an eine Familie aus London. So begegnen sich Bell und Harry das erste Mal. Es wird eine Freundschaft fürs Leben. So unterschiedlich sie sind – ein Bauernjunge aus einer alteingesessenen Familie und ein Stadtkind mit intellektuellen Eltern – sie begreifen sehr schnell wie wichtig sie für einander sind.

Jane Gardams bereits 1981 erschienener Roman ist jetzt, nach ihrer späten Neuentdeckung, auch in Deutsch erschienen. Es ist eine kleine, verträumte Sommergeschichte. Eigentlich sind es eher kleine Vignetten und Geschichten, die den Rahmen um die Familien Teesdale und Batesman bilden. Alte Legenden fließen ein, die Gegend ist geschichtsträchtig. Die Erinnerung an frühere Zeiten bei den Farmern noch lebendig. Die ersten Erlebnisse der beiden Jungens sind ganz abenteuerlich in Tom Sawyer Manier geschrieben. Im Eiltempo streift Gardam die Jugendzeit und Bell ist schon verheiratet und Vater einer 11jährigen Tochter, selbst Farmer geworden und die Vertrautheit zu Harry bleibt auch nach langer Abwesenheit.

Ein wenig seltsam fand ich die Ausblicke der Geschichte, Gardam begleitet ihre Protagonisten bis ins Jahr 1999, also knapp zwanzig Jahre in die Zukunft und lässt eine veritable Energiekrise das Leben verändern. Es gibt kein Erdöl, die Autos sind verschwunden, man fährt – sofern man überhaupt eine Fahrkarte bekommt – mit dem Zug hinter einer Dampflok (!) Die Natur hat längst die Straßen überwuchert und Erntemaschinen stehen wie Dinosauriers am Rande der Felder. Auf der Farm wird wieder mit Pferd und Wagen gearbeitet und so wird es zeitlos weitergehen.

So ganz warm bin ich mit diesem schmalen Büchlein nicht geworden. Es wirkt in vielen Teilen wie für Jugendliche geschrieben. Natürlich bleibt Gardams Kunst mit Wörtern zu malen. Ihre Beschreibungen sind von zeitloser Schönheit, ihr reichen wenige Sätze um Stimmungen einzufangen, aber trotzdem blieb mir die Geschichte eher blass.