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Veröffentlicht am 04.06.2017

Turbulente Adaption

Vermählung
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Wer Stolz und Vorurteil von Jane Austen kennt, wird sich in „Vermählung“ sofort zurechtfinden. Die Autorin hat nicht nur die Namen übernommen, auch die Charaktere der Familie Bennet und aller Nebenfiguren ...

Wer Stolz und Vorurteil von Jane Austen kennt, wird sich in „Vermählung“ sofort zurechtfinden. Die Autorin hat nicht nur die Namen übernommen, auch die Charaktere der Familie Bennet und aller Nebenfiguren finden sich eins zu eins wieder. Natürlich sind wir inzwischen im 21. Jahrhundert angekommen und so ist die stille Jane Yogalehrerin und Liz verdient ihr Geld als Journalistin. Während Kitty und Lydia albern ihren Hobbys nachgehen und es sich im Hotel Eltern gemütlich gemacht haben. Aber was heißt schon gemütlich: Mr Bennet ist ziemlich faul und desinteressiert, macht sich nur ab und an mit zynisch-resignierten Sprüchen bemerkbar und Mrs Bennet pflegt ihr Image als Charity-Lady, wobei sie nur ein Interesse kennt, nämlich ihre eigene Person. Kein Wunder, dass das Haus immer mehr verfällt und verwahrlost. Auch Cousin Willy hat eine passende Wandlung zum Computer Nerd mit Inselbegabung erfahren.
Nach dem Herzinfarkt des Vaters kommen auch Jane und Liz wieder ins Elternhaus zurück, nur um zu merken, dass die Dinge noch schlimmer stehen, als gedacht. Da Mr Bennet eine Krankenversicherung als überflüssig betrachtete, sind ihm die Schulden nun über den Kopf gewachsen und es bleibt nichts als eine reiche Heirat für die Töchter.
Die Autorin hat eine Menge gelungener Einfälle, so ersetzt sie den schwatzhaften englischen Landadel durch das nicht minder neugierige Publikum einer Reality-Soap in der Mr. Bingley den Bachelor gibt. Sein TV Erfolg wird von Schwester Caroline gemanagt, die Jane nicht an der Seite ihres Bruders sehen will. Liz muss sich mit dem arroganten Darcy herumschlagen, der eine Kapazität in der Neurochirurgie ist. Das alles ist ganz unterhaltsam und einige Ideen sind auch sehr gelungen. Allerdings fehlte mir der feine Witz, den Jane Austen so vortrefflich beherrschte. Hier ist alles etwas gröber aufgetragen, ganz besonders die Dialoge – gerade zwischen Kitty und Lydia sind deutlich derber. Das Buch hatte für meinen Geschmack auch deutliche Längen, etwas straffer und pointierter hätte es mir besser gefallen. Aber trotzdem hat mich das Buch gut unterhalten und gerade durch den Zeitenwechsel amüsiert.
Es ist ein Zeichen für einen Klassiker, dass er für jede Generation wieder neu entdeckt werden kann und dass er viele Interpretationen aushält. Umso mehr strahlt das Original und wenn die Leserinnen von „Vermählung“ später zu Jane Austen greifen, verspreche ich ihnen ein besonderes Lesevergnügen.

Veröffentlicht am 30.05.2017

Hart am Wind

Das Leben fällt, wohin es will
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Dem alljährigen Frühlingsfest in der Reederei ihres Vaters sieht Marie immer mit Grausen entgegen. Schon seit sie als Jugendliche rebellierte ist der Kontakt zu Familie nur noch sehr gezwungen. Marie taumelt ...

Dem alljährigen Frühlingsfest in der Reederei ihres Vaters sieht Marie immer mit Grausen entgegen. Schon seit sie als Jugendliche rebellierte ist der Kontakt zu Familie nur noch sehr gezwungen. Marie taumelt eher ziellos durchs Leben, schlägt sich mit Kellnerinnen-Jobs durch, obwohl ihr Studium ihr andere Möglichkeiten böte. Aber sie möchte sich nicht festlegen, Unverbindlichkeit – auch in Liebesdingen ist ihr Lebensmotto. Genau wie den übrigen Bewohnern ihrer WG.
Aber dieses Jahr scheint alles anders zu werden. Ihre ältere Schwester bittet sie um Hilfe. Sie ist an Krebs erkrankt und braucht Unterstützung während der Chemotherapie. Nicht nur im Haus mit den beiden kleinen Kindern, auch in der Reederei soll Marie Christines Platz übernehmen.
Das kann überhaupt nicht gutgehen, da Daniel, die rechte Hand ihres Vaters, schon lange ein Dorn in Maries Augen ist.
Ich bin eigentlich kein ausgesprochener Fan von Liebesromanen, aber die Autorin Petra Hülsmann hat mich schon einmal überzeugt. Sie schreibt ganz einfach gelungene und ungezwungene Unterhaltung. Witzig, mit viel Situationskomik, spritzig und charmant. Aber auch die ernsten Seiten kommen nie zu kurz und wirken dabei nie aufgesetzt. Man kann den Prozess des Erwachsenwerdens bei Marie nachvollziehen und in ihrer Kratzbürstigkeit ist sie mir sofort ans Herz gewachsen. Christine ist der ideale Gegenpart; wie sie mit ihrer Krankheit umgeht, lässt sicher keine Leserin kalt. Ich bin nur so durch die Seiten geflogen und habe mich sofort in die Figuren einfühlen können. Auch die Nebenfiguren sind wieder gelungen ausgedacht und charakterisiert.
Bis zum Happy End ist der Roman Unterhaltung pur und ich habe die letzte Seite wirklich mit Bedauern umgeschlagen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Figuren
  • Handlung
  • Lesespaß
Veröffentlicht am 29.05.2017

Die Gier nach Gold

Aussicht auf Mord
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Montaningenieur Carlo Bennuti und sein Gehilfe Dragan versuchen in einem Steinbruch eine ergiebige Marmorader auszusprengen, da findet Dragan zwischen den Steinbrocken einige Münzen. Offensichtlich Goldmünzen ...

Montaningenieur Carlo Bennuti und sein Gehilfe Dragan versuchen in einem Steinbruch eine ergiebige Marmorader auszusprengen, da findet Dragan zwischen den Steinbrocken einige Münzen. Offensichtlich Goldmünzen und sofort leuchtet die Gier aus seinen Augen. Da macht Carlo Bennuti den größten Fehler seines Lebens, statt die Münzen an sich zu nehmen und den Fund zu melden, lässt er seinen Schützling den Fund behalten.
Damit setzt sich eine Kette von Ereignissen in Gang, die Commissario Bruno Vossi viel Kopfzerbrechen bereiten und die auch das organisierte Verbrechen anzieht.
Der Schauplatz des Krimis ist schon die halbe Miete. Triest – im Dreieck der Länder Österreich, Italien und Kroatien gelegen, atmet die Atmosphäre von vergangener Habsburger Pracht, italienischem Adriaflair und den kargen Felsen des Karsts. Diese Stimmung fängt der Autor wunderbar ein, man bekommt sofort Lust, dort hinzureisen und auf den Spuren von Vossi zu wandeln. Vossi ist eine eindrucksvolle Persönlichkeit, sehr der Landschaft verbunden, mit allen Sinnen Genießer und weckte damit auch bei Appetit auf die Gegend und ihre Spezialitäten.
Aber das ist nur eine Seite des Buches. Die andere ist der sehr stimmig ausgedachte Plot. Vor allem mit der vielschichtigen Beschreibung seiner Figuren hat Werner Stanzl eine Reihe sehr eindrucksvoller Charaktere erschaffen, die absolut lebensecht agieren und der Handlungen fast schicksalshaft unausweichlich scheinen. Dadurch wird der Krimi spannend, realistisch und aktuell. Viele temporeiche Wendungen bis zum verblüffenden Ende, das Vossi souverän löst und gestaltet, machen den Krimi von der ersten bis zur letzten Seite lesenswert.
Mir hat die historische Fußnote um den Habsburger Kaiser Maximilian von Mexico sehr gut gefallen, dessen legendärer Goldschatz die Fantasie anheizt und die ausgezeichnet in die Triester Stimmung passt.
Ich würde gern mehr von Commissario Vossi und seinem Team lesen und möchte den Krimi allen Italien-Fans empfehlen.

Veröffentlicht am 28.05.2017

Charmante Schnitzeljagd

Die Schnitzel-Jagd
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Molly Preston arbeitet als Ermittlerin in einer EU-Behörde, die auch mit Computerkriminalität befasst ist. Nach Wien fliegt sie aber in halboffizieller Mission. Ein alter Freund ihres Chefs, aus wilden ...

Molly Preston arbeitet als Ermittlerin in einer EU-Behörde, die auch mit Computerkriminalität befasst ist. Nach Wien fliegt sie aber in halboffizieller Mission. Ein alter Freund ihres Chefs, aus wilden Hackertagen, hat um Rat gefragt. Er leitet nun in seiner Freizeit einen Computer Club für junge Leute und ein Mitglied, Karl Buchinger hat ihm von einem Rätsel erzählt, das ihm viel Geld einbringen könnte. Nun ist Karl tot, ein Unfall wie die Polizei glaubt, aber für Markus Wilhelm ist die Sache nicht ganz so klar.
Molly beginnt nun mit Markus in der Geocaching Szene zu ermitteln und kommen bald einem geheimnisvollen „Stifter“ auf die Spur.
Dieser Krimi ist wirklich zugeschnitten auf Fans der GPS Schnitzeljagd. Spannend, aber auch witzig und vor allem charmant. Wie mit Molly und Markus eine typische Deutsche und ein Wiener mit altmodischem Schmäh und Charme aufeinander treffen, macht viel Spaß beim Lesen. Zwischen den Zeilen ist es auch ein hervorragender Wien Führer, nicht nur zu den Schönheiten der Stadt, sondern auch zu den kulinarischen und kulturellen Besonderheiten. Wenn Markus Molly in einem Kaffeehaus die österreichischen Kaffeesorten erklärt – sie als Banause wollte nur einfach eine Tasse Kaffee bestellen – sollte man aufmerksam lesen, es erleichtert beim nächsten Wien Besuch ganz sicher die Bestellung.
Aber Schritt für Schritt dringen die beiden Schnitzeljäger tiefer in die Materie vor und scheinen kurz vor der Aufklärung zu stehen, aber da geht alles schief…
Mir hat dieser Wien-Krimi gut gefallen, flott und locker geschrieben, merkt man, dass die Autorin beide Welten gut kennt. Als gebürtige Niederösterreicherin kann sie mit dem Dialekt spielen und da sie schon lange in Deutschland lebt, weiß sie eben auch wie „Piefkes“ ticken. Die Schnitzeljagd ist spannend aufgebaut und auch wenn man nicht ganz so tief in der Computer- und Hacker- Szene zu Hause ist, kann man die Handlung gut verfolgen. Ich habe es mehr als Rätsel- denn als Ermittlerkrimi gelesen und bin damit sehr gut gefahren.
Es war mein erster Roman mit Molly Preston und nur den gewählten Namen für diese Figur fand ich nicht so passend – da assoziierte ich gleich einen etwas altmodischen Krimi in Agatha Christie Manier und das ist dieser Krimi ganz sicher nicht.

Veröffentlicht am 26.05.2017

Am Leben vorbei

Fabelhafte Mrs. Bridge
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1959 erschien Evan S. Connells Roman „Fabelhafte Mrs Bridge“ zum ersten Mal. Seine Titelfigur ist ein Paradebeispiel für eine Frau aus der oberen Mittelschicht im Kansas der 30iger und 40iger Jahre.
Schon ...

1959 erschien Evan S. Connells Roman „Fabelhafte Mrs Bridge“ zum ersten Mal. Seine Titelfigur ist ein Paradebeispiel für eine Frau aus der oberen Mittelschicht im Kansas der 30iger und 40iger Jahre.
Schon von der High School an ist Indias Lebensweg vorgezeichnet: Frühe Heirat mit einem ordentlichen, aufstrebenden Rechtsanwalt, zwei Kinder, ein schönes Haus in der Vorstadt, eine farbige Hilfe im Haus fürs Grobe. Dass es dann drei Kinder wurden, weil man gerne einen Sohn wollte, ist nur eine kleine Abweichung in Mrs Bridges Lebensplan. Ihr Vorname „India“ scheint das einzige irritierend Außergewöhnliche in ihrem Leben zu sein, dass sie sich gestattet.
Die Handlung ist kein durchgehender Roman, es sind kleine bis kleinste Abschnitte, die wie mit dem Brennglas Episoden aus dem völlig sinnentleerten Leben der Hausfrau und Mutter beschreiben. Man spürt, wie India Bridge manchmal etwas vermisst, aber nie gestattet sie sich, diesem Gefühl auf den Grund zu gehen. Von der jungen Frau, die sich Liebe erhoffte, bis zur arrivierten, ältlichen Country Club Matrone begleitet Connell dieses Leben.
Das letzte Kapitel scheint mir wie ein Sinnbild des kompletten Lebens der Mrs Bridge. Inzwischen Witwe, versucht sie den Wagen aus Garage zu bugsieren und als sie den Motor abwürgt, bleibt sie in ihrem Auto gefangen. Es gibt kein Vor und kein Zurück und die Wagentüren kann sie in der engen Garageneinfahrt zwischen Mauer und Zwischenwand nicht öffnen. Resigniert und still bleibt sie sitzen.
Die geschliffene Sprache, die noch in kleinsten Andeutungen die Gesellschaft seziert, die feine, hintergründige Ironie seiner Beobachtungen machen mit den Reiz dieser Wiederentdeckung aus.