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Veröffentlicht am 01.12.2020

Unkonventionell und originell!

Tiger
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„Tiger“ ist ein besonderer Roman mit einem außergewöhnlichen und einzigartigen Plot:
Im Zentrum steht, wie der Titel schon sagt, diese anmutige und Respekt einflößende Raubkatze mit dem charakteristischen ...

„Tiger“ ist ein besonderer Roman mit einem außergewöhnlichen und einzigartigen Plot:
Im Zentrum steht, wie der Titel schon sagt, diese anmutige und Respekt einflößende Raubkatze mit dem charakteristischen dunklen Streifenmuster auf goldgelbem bis rotbraunem Grund und darum herum siedeln sich die Geschichten dreier Personen an, die sich letztlich verknüpfen.

Drei Erzählstränge, die teilweise zu unterschiedlichen Zeiten und an verschiedenen Orten spielen vereinen sich in dem Buch in der Gegenwart.

Im ersten Strang lernen wir die englische Primatenforscherin Frieda Bloom kennen. Sie promoviert gerade, verliert ihre Stelle in ihrem Forschungsprojekt jedoch wegen Morphinmissbrauch.
In einem Privatzoo in Devon findet sie einen neuen Job. Eigentlich soll sie sich um ihre geliebten Bonobos kümmern, aber die Umstände machen es erforderlich, dass sie sich um ein neues Tigerweibchen kümmert, das aufgepäppelt werden muss. Nach und nach entdeckt sie zunächst ihr Interesse, dann ihre Faszination und schließlich ihre Liebe für diese Tierart.
Ihre Reise nach Sibirien wird eine Reise zu sich selbst.

Im zweiten Strang befinden wir uns in der russische Taiga. Tomas, ein einsamer Mann, dessen Geschichte wir kennenlernen, möchte dort mit seinem Vater Ivan ein Tigerreservat aufbauen und auf diese Weise die vom Aussterben bedrohten Tiere schützen.
Die beiden Männer verbindet eine konfliktreiche Beziehung, aufgrund derer Tomas zweifelhafte und suspekte Entscheidungen trifft. Und dann führt eine Begegnung zu einem Wendepunkt in seinem Leben.

Im dritten und letzten Erzählstrang lernen wir Edith und ihre Tochter kennen. Sie flüchten vor dem alkoholkranken Mann und Vater in die Taiga, wo sie ein selbstbestimmtes Leben führen und einige Jahre überleben.
Auch für Edith stellt eine Begegnung ein einschneidendes Ereignis dar.

Die bravouröse Zusammenführung der drei Stränge führt zu einem äußerst gelungenen Ende.

Polly Clark erweckte bei mir eine tiefe Faszination für die Anmut und Eleganz dieser majestätischen Tiere.
Ihre Sprache ist sowohl kraftvoll, klar und bildgewaltig, als auch poetisch und feinfühlig.
Sie stellt Widersprüche dar und lässt Gegensätze aufeinanderprallen:
Einerseits der Zoo in Devon-andererseits die sibirische Wildnis.
Einerseits der Lebensraum der Menschen-andererseits der Lebensraum wilder Tiere.
Einerseits Spannung wie in einem Thriller-andererseits eine ruhige, fast meditative Darstellung der rauhen Natur.
Einerseits die detaillierten Beobachtungen einer Naturforscherin-andererseits die gefühlsbetonten Beschreibungen einer Poetin.

Für mich stellte der Roman mit seinen außergewöhnlichen Protagonisten, beeindruckenden Handlungsorten und herausragenden Naturbeschreibungen ein ganz besonderes Lesevergnügen dar.

„Tiger“ ist eine unkonventionell und lebendig erzählte, fesselnde, berührende, eindrückliche und abenteuerliche Geschichte, die voller Empathie und Poesie geschrieben ist.
Die faszinierende Landschaft und die unendlichen Weiten der sibirischen Taiga, sowie die Rauheit der Natur wird dem Leser wunderbar nahe gebracht und ich meinte sogar, die gnadenlose Kälte Sibiriens zu spüren

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Veröffentlicht am 30.11.2020

Eine grausame und erschütternde Familiengeschichte

Die Rabentochter
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Der Psychothriller „Die Rabentochter“ von Karen Dionne spielt in der Upper Peninsula von Michigan, einer Halbinsel, die über riesige Waldgebiete verfügt.

Die 26-jährige Rachel Cunningham, die die Wildnis ...

Der Psychothriller „Die Rabentochter“ von Karen Dionne spielt in der Upper Peninsula von Michigan, einer Halbinsel, die über riesige Waldgebiete verfügt.

Die 26-jährige Rachel Cunningham, die die Wildnis der Upper Peninsula liebt, lebt sei 15 Jahren freiwillig und mit Schuldgefühlen in einer psychiatrischen Klinik.
Sie war bisher der festen Überzeugung, als 11-Jährige ihre Mutter getötet zu haben und psychisch krank zu sein,

Eines Tages beginnt Trevor, der Bruder eines Mitpatienten und ein angehender Journalist, sich für ihren Fall zu interessieren, bittet Rachel um ein Interview und fängt an zu recherchieren.

Rachel stutzt und wird neugierig, nachdem sie mit Hilfe von Trevor Einblick in die Polizeiakte bekommt.
Berechtigte Zweifel am Tathergang erwachen und Fragen stellen sich.
Sie verlässt die Klinik mit dem klaren Entschluss, sich der furchtbaren Vergangenheit zu stellen und die Wahrheit herauszufinden. Deshalb macht sie sich zusammen mit Trevor auf den Weg in ihr Elternhaus, ein herrschaftliches Jagdhaus, in dem inzwischen ihre Schwester Diana und ihre Tante Charlotte, zwei Verbündete, die ein Geheimnis hüten, wohnen.
Rachel erinnert sich zunehmend und gerät mehr und mehr in Gefahr.

Es gibt zwei Handlungsstränge, wobei der Roman aus zwei Perspektiven und auf zwei Zeitebenen erzählt wird:
Die verstorbene Mutter Jenny berichtet von damals, die jüngere Tochter Rachel von heute.

Wir erfahren von Rachels Aufwachsen bei ihren liebevollen Eltern im abgeschiedenen und stattlichen Jagdhaus der Großeltern.
Rachel und ihre ältere Schwester scheinen sich gut verstanden zu haben. Die Mädchen spielten miteinander und genossen den Freiraum und die Freiheit in der Natur. Ihre Tante lebte bei ihnen.

Die Autorin hat glaubwürdige Charaktere entwickelt, die aufgrund ihrer Individualität und Komplexität nicht hölzern oder klischeehaft wirken und sie hat das Geschehen in idyllischer Natur angesiedelt, die sie anschaulich und bildhaft beschreibt.

„Die Rabentochter“ ist ein sehr atmosphärisches und beklemmendes Buch, in dem die unheimliche Stimmung, die subtile Bedrohung und das unterschwellige Böse durchgehend spürbar sind.

Ob Rachels jahrelange Überzeugung der Wahrheit entsprach und wer der Täter ist, lässt sich bald erahnen, aber das mindert die Spannung nicht im Geringsten, denn es geht viel mehr um Motive und Tatumstände.

Karen Dionne hat mit „Rabentochter“ einen ziemlich schlüssigen, aber nicht 100%-ig glaubhaften Psychothriller geschrieben, der spannende Unterhaltung und einen fulminanten Showdown liefert.

Da die Geschichte nicht ganz stimmig und der Schluss etwas übereilt ist, kann ich keine fünf Sterne vergeben, aber vier Sterne bedeuten immer noch, dass es ein sehr guter und lesenswerter Roman ist.

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Veröffentlicht am 29.11.2020

Die Schatten und Auswirkungen der Vergangenheit.

Die Schweigende
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Wir bewegen uns in dem Roman „Die Schweigende“ von Ellen Sandberg auf zwei Zeitebenen: in der Gegenwart (2019) und in den 1950-er Jahren.

Im Hier und Jetzt lernen wir die fünfköpfige Familie Remy kennen, ...

Wir bewegen uns in dem Roman „Die Schweigende“ von Ellen Sandberg auf zwei Zeitebenen: in der Gegenwart (2019) und in den 1950-er Jahren.

Im Hier und Jetzt lernen wir die fünfköpfige Familie Remy kennen, die auf den ersten Blick und nach außen hin fast bilderbuchmäßig daherkommt.
Aber wenn man hinter die Kulissen schaut, erkennt man die gefühlskalte, strenge und distanzierte Mutter Karin, die den drei inzwischen erwachsenen Töchtern Geli, Imke und Anne nicht die Zuneigung geben konnte, die sie gebraucht hätten.
Glücklicherweise konnte der Vater Jens Vieles ausgleichen.
Er kümmerte sich und glättete Wogen, er war für Nestwärme und emotionalen Belange zuständig und er glich den Mangel an Herzlichkeit, Zuwendung und Liebe aus.
Sein plötzlicher Tod lässt die drei charakterlich sehr unterschiedlichen Schwestern traurig und fassungslos zurück.
Ein Versprechen, das der Vater seiner mittleren Tochter Imke am Sterbebett abgenommen hat, muss eingelöst werden und Karin, die Witwe, versinkt aufgrund des Verlusts ihres Mannes nach 54 Ehejahren in Depressionen, lebt antriebslos in den Tag hinein und vernachlässigt ihren sonst so gepflegten Garten.

Mit dem Einlösen des Versprechens, ein Unterfangen, das durch das Schweigen der Mutter erheblich erschwert wird, kommt nicht nur die familiäre Vergangenheit ans Tageslicht, sondern werden Gefühle zum Leben erweckt und aufgewirbelt, die lange unter Verschluss gehalten wurden.
Die Fassade bröckelt.

Durch Rückblicke ins Jahr 1956 lernen wir Karin als lebensfrohes und unbeschwertes junges Mädchen kennen, das von einer Karriere als Ärztin träumt.
Außerdem erfahren wir von erschütternden Ereignissen und einer folgenreichen Entscheidung, wodurch wir schließlich nachvollziehen können, weshalb Karin zu einer so emotional erstarrten Frau wurde.

Um Überraschungen, die aus unvorhergesehenen Wendungen resultieren, nicht vorwegzunehmen und das Lesevergnügen nicht zu mindern, verrate ich vom Inhalt nicht mehr.

Die Autorin fesselt den Leser durch den packenden Plot und baut durch überraschende Wendungen, Perspektivwechsel und Zeitsprünge Spannung auf.
Da die Geschichte abwechselnd aus der Sicht der Töchter und der Mutter erzählt wird, lernen wir die einzelnen Frauen gut kennen.

Ellen Sandberg erzählt anschaulich und feinfühlig und während die Schwestern, v. a. Anne, etwas überspitzt und zu eindimensional dargestellt werden, wird Karin sehr genau und differenziert beleuchtet. Die Autorin stattet sie mit Ecken und Kanten aus und lässt sie durch ihre vielschichtige und komplexe Persönlichkeit authentisch wirken.

Thematisch geht es in dem Roman von Ellen Sandberg um Belastungen, Defizite und schädigende Einflüsse in der Kindheit, um Willkür, Machtmissbrauch, Umgang mit Traumata und um Auswirkungen auf nachfolgende Generationen.
Ellen Sandberg veranschaulicht gut, dass sich eine Traumatisierung wie ein roter Faden durch die Generationen ziehen kann, wenn die einschneidenden schädigenden Erlebnisse nicht verarbeitet und überwunden werden.

„Die Schweigende“ ist ein spannender, psychologisch stimmiger und tiefgründiger Familienroman, der eine schwierige und brisante Thematik aufgreift, zum Nachdenken anregt, trotzdem unterhaltsam und auf jeden Fall lesenswert ist.

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Veröffentlicht am 29.11.2020

Ein bravouröses Porträt der Innenwelt eines einfachen Soldaten im amerikanischen Bürgerkrieg!

Die rote Tapferkeitsmedaille
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„Die rote Tapferkeitsmedaille“ von Stephen Crane erzählt von den Erlebnissen des Rekruten bzw. jungen, unerfahrenen und einfachen Soldaten Henry im amerikanischen Bürgerkrieg und erschien erstmals 1894 ...

„Die rote Tapferkeitsmedaille“ von Stephen Crane erzählt von den Erlebnissen des Rekruten bzw. jungen, unerfahrenen und einfachen Soldaten Henry im amerikanischen Bürgerkrieg und erschien erstmals 1894 in der Philadelphia Press als Fortsetzungsroman.
Das Besondere an dieser Veröffentlichung war, dass der 1871 geborene Schriftsteller Crane hier erstmals einen ganz gewöhnlichen Soldaten zu Wort kommen ließ, während bis dato nur die Befehlshabenden, der Adel, das Bürgertum oder der Klerus über den Krieg schrieben.

Aber nun zum Inhalt:
Eine Armee von Soldaten der Union campiert seit Monaten in bescheidenen Hütten in den Hügeln des US-Bundesstaats Virginia.
Gegenüber, am anderen Ufer des Flusses Rappahannock, befindet sich das feindliche Lager der Südstaatler, das sie einem Gerücht zufolge am nächsten Tag angreifen sollen.
Die Männer reagieren unterschiedlich auf diese Nachricht des Buschfunks:
Wut über die nun vergebliche Verschönerung der ein oder anderen Behausung, Zweifel am Marschbefehl, der sich wie so viele zuvor, wieder nur als Irreführung oder Täuschung entpuppen könnte, Aufregung und Nervosität, weil die „blauen Streitkräfte“, sollte sich das Gerücht bewahrheiten, morgen in den Krieg ziehen würden.

Wir lernen den jungen Rekruten Henry Fleming kennen, der in Friedenszeiten noch auf der elterlichen Farm lebt, der sich voller Überzeugung und Enthusiasmus freiwillig zum Kriegsdienst gemeldet hat und der hier, auf seiner Pritsche in der dürftigen Behausung inmitten seiner Kameraden, hin- und hergerissen ist zwischen Ungläubigkeit, Ungeduld, Aufregung, Hoffnung, Faszination, Patriotismus, jugendlichem Eifer, romantischer Verklärung des Kriegs, Unsicherheit sowie Ängsten und Zweifel an seinem Stand- und Durchhaltevermögen.

Plötzlich sieht Henry sich mit der Diskrepanz zwischen der Phantasie vom Heldentum und der Realität des Ernstfalles konfrontiert. Er wird nachdenklich und tiefsinnig.
Er bemerkt, dass er sein Gefühl für sich selbst und seine Fähigkeit zur Selbsteinschätzung teilweise verloren hat und nicht in der Lage ist, im Voraus sein Verhalten in der Ausnahmesituation einer Schlacht einzuschätzen.

Eine Frage treibt ihn ganz besonders um: „Woher weißt du denn, dass du nicht die Beine in die Hand nimmst und türmst, wenn’s erst einmal ernst wird? Es gab schon viele propere Mannsbilder, die vor dem Kampf die großen Helden waren, sich dann aber ruckzuck verkrümelten.“ (S. 37)

Im Versuch, sich selbst auf die Schliche zu kommen und seine Selbstzweifel auszuräumen, beobachtet er seine Kameraden und vergleicht sich mit ihnen.
Er versucht vorsichtig und letztlich vergeblich, mit ihnen in einen freundschaftlichen Erfahrungs- und Gedankenaustausch zu kommen, um herauszufinden, ob sie innerlich ebenso zerrissen sind wie er oder eben einfach nur tapfer und entschlossen.

Henry verliert seinen Kampfgeist noch vor der ersten Schlacht, wird grüblerisch, wehmütig und melancholisch. Er fühlt sich einsam unter seiner Kameraden, vermisst die heimische Farm und meint, für‘s Soldatenleben nicht geschaffen zu sein.
Aber sein Kampfgeist kehrt wieder zurück. Es ist ein Auf und Ab, ein Hin und Her.

Wir begleiten Henry und sein Regiment der blauen Armee auf ihren Fußmärschen durch die Landschaft, über Felder, Wiesen und Flüsse und vorbei an Wäldern und erleben ihren Unmut darüber, dass sie noch nicht kämpfen dürfen. „Ich will aber nicht mehr sinnlos durch die Gegend laufen. Niemand hat einen Vorteil davon, wenn wir mit jedem Tag müder und schwächer werden.“ (S. 50)
„Ich bin nur hier, weil ich kämpfen will. Durch die Gegend latschen kann ich zuhause auch.“ (S. 51)

Es dauert nicht allzu lange, bis die blaue Kompanie von den Rebellen beschossen wird.
„Immer häufiger pfiffen die Kugeln nun durch die Äste und bohrten sich in die Bäume. Äste und Blätter fielen so zahlreich zu Boden, als würden tausend unsichtbare Äxte geschwungen. Einige der Männer waren mehrfach gezwungen, sich zu ducken oder in Deckung zu gehen.“ (S. 56)
„Der nackte Horror saß allen in den Knochen.“ (S. 57)

... und dann trifft Henry eine Entscheidung: „Nichts in der Welt, nicht einmal die göttlichen Kräfte da oben im Himmel, würden ihn davon abhalten, seine Beine dafür einzusetzen, wofür sie geschaffen waren. Die Gesichter dieser Männer sprachen eine Sprache, die ihm gar keine andere Wahl ließ. In diesen kalkweißen Gesichtern, in diesen wilden Augen hatte die Panik im Pulverdampf Spuren hinterlassen, die sogar noch entsetzlicher waren als der Kampf selbst.“ (S. 59)

Aber schon kurze Zeit später verwirft er diese Entscheidung wieder. „Er war Teil eines Wesens, das bedroht wurde und seine Hilfe brauchte. Sein individuelles Schicksal verschmolz mit einem kollektiven Ziel. In dieser Situation zu fliehen war undenkbar.“ (S. 62)

Wie es mit Henry und seiner Truppe weitergeht, verrate ich natürlich nicht.

Nur so viel:
Wir schlüpfen in Henrys Innenwelt und erfahren von seinen Gedanken, Gefühlen, Phantasien, Visionen und inneren Konflikten.
Dabei lernen wir ihn in all seiner Zerrissenheit, Vielschichtigkeit und Komplexität immer besser kennen und werden Zeugen von Pendelbewegungen zwischen Pessimismus und Optimismus sowie zwischen Kleinheitsgefühlen und Größenphantasien.
Die rote Tapferkeitsmedaille hat Henry schließlich erhalten, aber nicht ganz so, wie man sich das vorstellt.

Der Roman ist etwas Besonderes!
Stephen Crane fesselt seine Leserschaft mit den nachvollziehbaren und glaubhaften Veränderungen und Ambivalenzen in Henrys Innerem, er besticht mit seinen bildhaften Beschreibungen und er vermittelt Atmosphäre und Stimmungen unter den Soldaten und auf dem Feld bravourös. Man meint, den Lärm der Kanonen und Musketen zu hören, die Gefallenen herumliegen zu sehen und den beißenden Gestank der abgefeuerten Waffen zu riechen.

Hut ab vor der wortgewaltigen, bildreichen und eindringlichen Sprache, den anschaulichen Metaphern, großartigen Beschreibungen, beeindruckenden Formulierungen und psychologisch feinfühligen und stimmigen Betrachtungen Stephen Cranes.

Einige Beispiele möchte ich anführen:

„Er fühlte sich wie ein erschöpftes Tier, das von allen Seiten gejagt wird, wie eine gutmütige Kuh, die sich gegen kläffende Hunde wehren muss.“ (S. 64)

„Er kämpfte verzweifelt um Luft, wie ein Baby, das unter seinen Decken zu ersticken droht.“ (S. 64)

„Und die Wahrscheinlichkeit war hoch, dass die beschwingten Flügel der Hoffnung an den ehernen Pforten der Realität zerschmettern würden.“ (S. 215)

„Die rote Tapferkeitsmedaille“ ist ein fiktiver historischer Roman und ein Klassiker, der sich unbedingt zu lesen lohnt.
Ich finde es unglaublich beeindruckend, dass ein 22-jähriger junger Mann, der erst Jahre nach dem Ende des Bürgerkriegs geboren wurde, keine Ahnung vom Soldatenleben und auch noch keine großartige Lebenserfahrung hatte, so ein grandioses Werk erschaffen konnte, in dem er die Diskrepanz zwischen dem Erleben der einfachen Soldaten an der Front, dem sogenannten Kanonenfutter, und der bis dato üblichen offiziellen Kriegsberichterstattung aus Sicht „der Oberen“ aufzeigt.

In der von mir gelesenen Ausgabe des Pendragon Verlages endet das Buch nicht mit dem Ende des neu übersetzten Romans.
Es folgen noch die Erzählung „der Veteran“, in der Henry ein älterer verheirateter Mann mit Kindern und Enkeln ist, sowie ein wunderbares Nachwort von Thomas F. Schneider und ein aufschlussreiches Crane-Portrait von Rüdiger Barth.
Diese Ergänzungen waren sehr interessant zu lesen und eine wunderbare und lesenswerte Ergänzung.

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Veröffentlicht am 28.11.2020

Tiefgründig, unterhaltsam und interessant!

Wenn du mich heute wieder fragen würdest
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Es geht in dem Roman um zwei Familien, die auf verschiedene Arten miteinander verwoben und untereinander verbunden sind.
Die Gleesons und die Stanhoppes sind Nachbarn in dem beschaulichen New Yorker Vorort ...

Es geht in dem Roman um zwei Familien, die auf verschiedene Arten miteinander verwoben und untereinander verbunden sind.
Die Gleesons und die Stanhoppes sind Nachbarn in dem beschaulichen New Yorker Vorort Gillam. Die Gegend, in der sie wohnen ist ruhig und beliebt.
Die Familienväter Brian und Francis sind zudem Kollegen bei der New Yorker Polizei und deren Kinder Kate und Peter sind seit sie sich kennen befreundet. Aus dieser Zuneigung und Freundschaft wird Liebe.
Eine Liebe, die auf die Probe gestellt wird.
Durch eine Katastrophe.
Durch ein tragisches Ereignis.
Durch einen kurzen, einschneidenden Moment, der für beide Familien alles ändert.

Bei den Familienmüttern sieht es etwas anders aus. Da will es nicht so recht klappen. Lena Gleeson, die sich tagsüber mit ihrem Baby recht allein fühlt, würde sich gerne mit Anne Stanhoppe anfreunden, aber Anne wirkt unnahbar, desinteressiert und abweisend.

Es geht in „Wenn du mich heute wieder fragen würdest“ um viele basale und bedeutsame Themen, die von Mary Beth Keane wunderbar unaufdringlich und unaufgeregt in die Geschichte eingeflochten werden.
Sie geht auf Familienzusammenhalt, Umgang mit Schicksalsschlägen, Verlust, Vernachlässigung, Gewalt, Schuld und Entschuldigung, Krankheit, psychische Probleme und Alkoholismus ein und beschreibt alles nachvollziehbar, realistisch und psychologisch stimmig.

Die Autorin zeichnet lebendige, gut ausgearbeitete und authentische Charaktere, die wir in all ihrer Vielschichtigkeit und Komplexität, sowie mit Ecken und Kanten kennenlernen und begleiten und die sich im Verlauf der Geschichte entwickeln und verändern.

„Wenn du mich heute wieder fragen würdest“ ist Familienroman, Liebesroman und Coming of Age Geschichte, die mich nicht zuletzt wegen den überraschenden Wendungen, sondern auch wegen ihrer Vielschichtigkeit und Tiefgründigkeit fesselte.

Das Buch ist berührend, bewegend und kurzweilig und es liest sich flüssig.
Die Autorin erzählt unaufgeregt, feinfühlig und emphatisch, eindringlich, aber nicht aufdringlich und hat eine klare und detailreiche Sprache.
Trotz ihrer ruhigen Erzählweise erschafft sie eine intensive und dichte Geschichte, was ich bemerkenswert finde.

An Humor fehlt es der Geschichte, die zum Nachdenken anregt, übrigens auch nicht.

Es macht großen Spaß, nach und nach die einzelnen Puzzleteile zusammenzufügen, so dass sich schließlich ein vielschichtiges und tiefgründiges Bild erkennen lässt.

Ich könnte mir die gleichermaßen dramatische wie hoffnungsvolle Geschichte sehr gut verfilmt vorstellen.

Absolute Leseempfehlung!

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