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Veröffentlicht am 12.09.2020

Unfall und Begegnung als Auslöser für Suchen (und Finden).

Beinahe
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Die 59-jährige Autorin ist selbst Ärztin, weshalb es ihr scheinbar mühelos gelingt, den Klinikalltag authentisch zu beschreiben.
Was ihr ebenfalls gut gelingt, sind die Schilderungen eines Unfalls und ...

Die 59-jährige Autorin ist selbst Ärztin, weshalb es ihr scheinbar mühelos gelingt, den Klinikalltag authentisch zu beschreiben.
Was ihr ebenfalls gut gelingt, sind die Schilderungen eines Unfalls und einer bedeutungsvollen Begegnung.

Frauke Röhrs erzählt in ihrem Roman „Beinahe“ also von einem Beinahe-Unfall und von einer nachhaltigen Begegnung.

Diese erste Begegnung zwischen der Ärztin Lena und dem 16-jährigen Ivo hat emotionale Intensität, denn sie geschieht im Rahmen eines Beinahe-Unfalls bei nebeligen Wetter auf einer Landstrasse im Norden Deutschlands.
Wie nicht selten der Fall, führt dieses einschneidende Ereignis dazu, über das Leben und über mögliche oder notwendige Veränderungen nachzudenken.

Beinahe-Unfall und Begegnung werden zu Auslösern für Introspektion und Reflexion. Voraussetzungen für Bewegung und Entwicklung.

Ich werde mich hüten, etwas über diese Bewegung und Entwicklung zu verraten, denn ich will niemandes Lesevergnügen mindern.

Nur soviel: Schulprobleme, familiäre Probleme und berufliche Überforderung spielen eine Rolle in diesen Reflexionen.
Das bzw. sein Leben nicht zu verpassen wird zum Orientierungs- und Fixpunkt.

Was die Bremerin Frauke Röhrs wunderbar herausarbeitet und vermittelt, ist die Botschaft, dass man seine Probleme anpacken und sein Leben gestalten kann.
Dass Veränderungen zwar schwierig sind, dass sie aber zu etwas Positivem führen können.

Die Charaktere werden in ihrer Vielschichtigkeit dargestellt. Man bekommt einen guten Eindruck von ihrem Innenleben, kann sich einfühlen.

Ich möchte den zum Nachdenken anregenden 270-seitigen Roman sehr gerne empfehlen.
Die Autorin erzählt Brisantes ohne rührselig oder sentimental zu werden.

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Veröffentlicht am 11.09.2020

Wie Eines zum Anderen führt und wie alles zusammenhängt.

Jägerin und Sammlerin
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In diesem Roman erzählt Lana Lux eindrücklich von einer schwierigen Mutter-Tochter-Beziehung vor dem Hintergrund einer Migrationsgeschichte.

Alisa, die kurz vor dem Abitur steht, mehrere Nebenjobs hat ...

In diesem Roman erzählt Lana Lux eindrücklich von einer schwierigen Mutter-Tochter-Beziehung vor dem Hintergrund einer Migrationsgeschichte.

Alisa, die kurz vor dem Abitur steht, mehrere Nebenjobs hat und mit ihrer Freundin Mascha zusammenlebt, hadert mit sich und der Welt.
Sie hat eine Essstörung. Um ihre Affekte zu kontrollieren und ihr inneres Gleichgewicht einigermaßen aufrecht zu erhalten, versinkt sie wiederholt in Phasen des Fressens und Erbrechens. Auf diese Phasen folgen regelmäßig Tiefpunkte, in denen sie unter Versagensgefühlen, Selbstvorwürfen, Selbsthass und Hoffnungslosigkeit leidet.
Der Teufelskreis einer Bulimie.
Aber die Bulimie hat auch ihre gute Seiten. Sie ist ständig präsent.
Wie eine beste Freundin.

Tanya, Alisas Mutter, bemerkt nichts von der Not ihrer Tochter. Sie ist mit ihren eigenen Angelegenheiten beschäftigt und hat ihre eigenen Probleme. Um ihr Selbstwertgefühl stabil zu halten, jagt sie der Wertschätzung und Anerkennung der Anderen hinterher. Alles muss besser, schöner und erfolgreicher werden.

Die Autorin seziert eine schädigende und ungesunde Mutter-Tochter-Beziehung. Sie erzählt glaubhaft und beschreibt feinfühlig und ohne zu werten.
Man bekommt ein Gefühl für die Protagonisten und erlebt sie in Ihrer Vielschichtigkeit.

Alisa wuchs unter erschwerten Bedingungen auf.
Sie konnte den hohen Ansprüchen und Erwartungen ihrer perfektionistischen Mutter nicht genügen, die Mutter war mit ihren eigenen Sorgen beschäftigt und zudem gab es nach der Emigration aus der Ukraine nach Deutschland (da war Alisa zwei Jahre alt) Schwierigkeiten bei der Integration.

Der Vater, in der Ukraine ein erfolgreicher Geschäftsmann, fand nach dem Umzug keine Arbeit und sträubte sich, die deutsche Sprache zu erlernen.
Die Eltern stritten sehr viel und schließlich verließ der Vater die Familie und ging zurück in die Ukraine.

Eine Rollenumkehr zwingt Alisa, sich um die Mutter zu kümmern, anstatt von ihr Beistand, Trost und Zuwendung zu bekommen.

Viel mehr möchte ich nicht erzählen, weil ich niemandes Lesevergnügen mindern möchte.

Nur so viel: Es liegt auf der Hand, dass Alisa Hilfe braucht.
Sie macht den ersten und wichtigsten Schritt und beginnt eine Therapie...

Lana Lux hat hier ein sehr realistisches, bedrückendes und berührendes Szenario entworfen.

Wenn jemand vor der Lektüre noch nicht wusste, was eine Bulimie ist, so hat er danach ein umfangreiches, detailliertes und wahrheitsgetreues Bild davon.
Und darüber hinaus hat er ein Verständnis dafür bekommen, was hinter den Kulissen versteckt sein kann.

Neben der oben erwähnten Essstörung und Mutter-Tochter-Beziehung geht es um Probleme von Migrantenfamilien wie Entwurzelung, Heimatlosigkeit und Einsamkeit.
Brisante Themen literarisch gekonnt umgesetzt.

Ich empfehle diesen kurzweiligen Roman sehr gerne!

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Veröffentlicht am 11.09.2020

Ein kleines Juwel!

Herr Origami
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Als e-book gelesen und prompt als Printausgabe verschenkt!

Was für ein zauberhafter, poetischer und philosophischer Kurzroman, der noch dazu wunderschön gestaltet ist!
Schon das schlichte Cover sticht ...

Als e-book gelesen und prompt als Printausgabe verschenkt!

Was für ein zauberhafter, poetischer und philosophischer Kurzroman, der noch dazu wunderschön gestaltet ist!
Schon das schlichte Cover sticht einem ins Auge und die Kapitelüberschriften in schön gestalteten japanischen Schriftzeichen sind eine Augenweide.

Aus Liebe reist Meister Kurogiko als junger Mann einer jungen Frau hinterher und landet in Italien.
In der Toskana.
Doch enttäuschenderweise findet er seine Angebetete nicht!
Er bleibt trotzdem.
Er richtet sich in einem alten, verfallenen Haus ein und verbringt seine Tage mit Meditieren und der Produktion von Washi, dem traditionellen japanischen Papier, aus dem Origami, die Kunststücke aus Papier, hergestellt werden.
Bald schon hat er seinen ganz speziellen Namen bei den Dorfbewohnern: Herr Origami.

Ich möchte nicht zu viel erzählen, weil dieses kleine Juwel so kurz ist und ich niemandes Lesevergnügen mindern möchte.

Nur so viel: ein Uhrmacher kommt ins Dorf, die beiden Männer begegnen sich und diese Begegnung ist einschneidend und lebensverändernd für beide.

„Herr Origami“ ist ein schnörkellos geschriebener Debutroman mit gerade mal 160 Seiten.
Kein Wort zu wenig, keines zu viel.
Auf manchen Seiten stehen nur wenige Sätze.
Ein berührendes Buch zum entschleunigen!

Ich empfehle dieses gleichermaßen anspruchsvolle wie schlichte Werk, das einen innehalten lässt und zum nachdenken anregt, sehr gerne weiter!

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Veröffentlicht am 10.09.2020

Die Entstehungsgeschichte von „Dr. Schiwago“ und vieles mehr!

Alles, was wir sind
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Was steckt hinter „Doktor Schiwago“?

Die Geschichte hinter der Geschichte.

Der Russe Boris Pasternak (1890-1960), ein wankelmütiger Mann mit zweifelhafter Prioritätensetzung und Autor des weltberühmten ...

Was steckt hinter „Doktor Schiwago“?

Die Geschichte hinter der Geschichte.

Der Russe Boris Pasternak (1890-1960), ein wankelmütiger Mann mit zweifelhafter Prioritätensetzung und Autor des weltberühmten Romans „Doktor Schiwago“ hat eine treue Geliebte: die Redakteurin Olga, verwitwete Mutter zweier Kinder.

Der amerikanische Geheimdienst CIA will sich im kalten Krieg gegen den Ostblock im Allgemeinen und die Sowjetunion im Besonderen einer außergewöhnlichen Waffe bedienen:

Im Allgemeinen geht es bei dieser Waffe um Worte, Bücher, Literatur!
Im Speziellen geht es bei dieser Waffe um „Doktor Schiwago“.

Die Agentin Sally soll die junge Sekretärin Irina, Tochter russischer Einwanderer, deren Vater vom sowjetischen Geheimdienst ermordet wurde, dazu ausbilden, diese sog. „Schiwago-Mission“ zu übernehmen.
Es geht hier um einen streng geheimen amerikanischen Propagandafeldzug: Irina soll den in der Sowjetunion verbotenen Roman unter der Bevölkerung verteilen, um deren Widerstand zu wecken.

Ich empfehle den packenden Roman, der gleichzeitig Liebesgeschichte, Agententhriller und historischer Roman ist und von Politik, Macht, Liebe und den starken Frauen hinter einflussreichen Männern handelt, sehr gerne weiter.

Die Entstehungsgeschichte von „Dr. Schiwago“ kennenzulernen und mehr über die Arbeit der CIA, über den Wettlauf um technische Neuerungen und über Leben und Unterdrückung in der Sowjetunion zu erfahren, ist äußerst interessant.

Der Roman liest sich flüssig und ist von Anfang bis Ende spannend, unterhaltsam und informativ.

Die Figuren werden sehr anschaulich und in ihrer ganzen Komplexität gezeigt.
Der Leser bekommt einen guten Einblick in die Innenwelt der Charaktere.
Olga z. B. ist zwar eine liebende Frau, die für diese Liebe große Opfer bringt, gleichzeitig ist sie aber auch sehr fordernd und in ihrer Mütterlichkeit zu hinterfragen.

Umgebung und Atmosphäre werden authentisch dargestellt und es wird eine Gesellschaftsbild gezeichnet, in dem Unterschiede zwischen Ost und West definiert und herausgearbeitet werden.

Dass die Autorin Lara Prescott eine umfangreiche und umfassende Recherchearbeit geleistet hat, um dieses Buch zu schreiben erkennt man unschwer.

Sehr empfehlenswert!

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Veröffentlicht am 09.09.2020

Familiengeschichte, historischer Roman und Agententhriller in einem!

Der Empfänger
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In dem Roman, der Familiengeschichte, historischer Roman und Agententhriller in einem ist, geht es um die Lebensgeschichte des Rheinländers Josef Klein, der 1925 22-jährig nach New York auswandert.

Josef, ...

In dem Roman, der Familiengeschichte, historischer Roman und Agententhriller in einem ist, geht es um die Lebensgeschichte des Rheinländers Josef Klein, der 1925 22-jährig nach New York auswandert.

Josef, der in einer Druckerei arbeitet, liebt die Lebendigkeit und die kulturelle Vielfalt in den Straßen Harlems und er interessiert sich begeistert fürs Amateurfunken.
Für den aufkeimenden Rassismus, Antisemitismus und deutsch-Nationalismus hat er nicht viel übrig. Politik interessiert ihn nicht besonders, zu Vielem hat er keine eigene Meinung.

Dann lernt er Lauren kennen. Sie ist eine Aktivistin, die durchaus Gefühle für ihn geht.

Aber noch jemand anders interessiert sich für ihn, bzw. für seine Kompetenz, was das Funken anbelangt: die deutsche Spionageabwehr.

Heimlich, still und leise wird Josef, der ziemlich naiv ist, zu einem Teilchen des Spionage-Netzwerkes.

Neben diesem „USA-Strang“ gibt es noch eine Erzählebene, die 1949 in Deutschland spielt. Josef besucht dort seinen Bruder und dessen Familie, aber er fühlt sich fremd.

Die Autorin, die wertneutral erzählt, beschreibt Innen- und Außenwelten gleichermaßen beachtlich und meisterhaft.
Sie schreibt feinfühlig, authentisch, wort- und bildgewaltig und erschafft ein gleichermaßen historisch bedeutsames wie hochaktuelles Werk.

Die Figuren erwachen zum Leben, Orte und Szenerien werden plastisch und lebendig. Die Atmosphäre wird authentisch vermittelt.

Über Josef Klein zu lesen ist beeindruckend und erschreckend. Wer kann sicher sein, in bestimmten Ausnahmesituationen kein Josef zu sein?
Wer kann nicht nachvollziehen, dass ein Mensch fern der Heimat und um sein Leben bangend zum Opportunisten werden kann?

Brisante und schwierige Fragen, die durch einen Roman ausgelöst werden, in dem es um Entwurzelung, Heimatlosigkeit, Verantwortung und Schuld geht.

Ich möchte diesen fesselnden, unterhaltsamen und erkenntnisreichen Roman, in dem Ulla Lenze die Lebensgeschichte ihres Großonkels literarisch verarbeitet, unbedingt weiter empfehlen!

Ein rundum gelungenes Werk!

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