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Veröffentlicht am 14.04.2021

Ein Schmöker, der sich lohnt!

Die Katze und der General
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Die 1983 geborene Nino Haratischwili ist eine äußerst talentierte Erzählerin, die mit „Die Katze und der General“ einen eindrucksvollen und klugen Roman geschrieben hat, der einen radikalen, schonungslosen ...

Die 1983 geborene Nino Haratischwili ist eine äußerst talentierte Erzählerin, die mit „Die Katze und der General“ einen eindrucksvollen und klugen Roman geschrieben hat, der einen radikalen, schonungslosen und detaillierten Blick auf das sich verändernde Russland der 1990-er Jahre gewährt und für den Deutschen Buchpreis 2018 nominiert wurde.

Der Schmöcker, in dem es im Wesentlichen um den ersten Tschetschenienkrieg (1994-1996) und seine Auswirkungen auf verschiedene Menschen geht, ist nicht nur was seine Dicke, sondern auch was seinen Inhalt und seine Sprache betrifft eine Wucht.


Im Hauptteil geht es vor allem um drei Figuren:
Den General, die Katze und die Krähe.

Der Russe Alexander Orlow ist ein junger, gebildeter und feingeistiger Mann, der sich für Literatur und Sprache interessiert.
Seine Mutter möchte, dass er im Gedenken an seinen Vater, der ein Kriegsheld war, zum Militär geht. Trotz seines anfänglichen Sträubens wird er schließlich Soldat, der im Konflikt zwischen der Kaukasusrepublik Tschetschenien und Russland kämpft.

1995 befindet sich Alexander Orlow mit anderen Soldaten und ihrem anführenden Oberst auf Kriegsurlaub in einem Tal in Tschetschenien.
Der Alkohol berauscht und enthemmt sie derart, dass sie sich grauenvoll an einem Mädchen vergehen.

Alexander Orlow macht mit.
Kann nicht anders, als mitzumachen?
Muss mitmachen?
Als Zeuge?
Als Täter?
Wobei genau?

Bei einem furchtbaren Kriegsverbrechen, das auf einer wahren Begebenheit beruht.
Bei der Misshandlung, Vergewaltigung und Tötung der siebzehnjährigen Nura, die wir im Prolog kennenlernen und die von einer Zukunft träumt, in der sie studieren oder eine Lehre machen kann.

2016 lebt Alexander Orlow in Berlin. Er wird „Der General«“ genannt und ist inzwischen vom Mitläufer zum wohlhabenden und einflussreichen Oligarchen aufgestiegen, der das damalige Verbrechen aufrollen möchte und auf Rache und Vergeltung sinnt.
Dabei ist „die Katze“, eine junge Schauspielerin, die dem geschändeten Mädchen verblüffend ähnlich sieht, Mittel zum Zweck.
Und dann gibt es noch einen Journalisten, der großes Interesse an Alexander Orlows Leben hat und am liebsten eine Biographie über ihn schreiben würde.
Orlow verspricht ihm, dies tun zu dürfen, wenn er ihn bei seinem Projekt, ich nenne es „Abrechnungsfeldzug“, begleitet.
Und so wird aus dem Journalisten „die Krähe“, der Überbringer von Mitteilungen, der in einem niederträchtigen Plan vermittelt.

Wir lernen darüber hinaus eine Vielzahl von weiteren Personen und ihre Schicksale kennen.
Ein Personenverzeichnis anzufertigen macht durchaus Sinn und erleichtert vor allem zu Beginn den Durchblick!

Aus einzelnen Geschichten, Erzählungen und Erinnerungen entsteht mit der Zeit ein komplexes und buntes Bild, das sich trotz seines immensen und einschüchternden Ausmaßes zu betrachten lohnt.

Von Anfang an fesselte mich das Buch, das auf eindringliche und erschütternde Art aufzeigt, welch’ tiefgründige und auch negative Veränderungen der Krieg bei ursprünglich moralisch integren Menschen bewirken kann.

Die Autorin lässt sich viel Zeit, ihre Charaktere und deren Hintergründe detailliert vorzustellen, wodurch man ihnen sehr nahekommt und sich gut einfühlen kann.

Ich empfehle diesen spannenden und psychologisch tiefgründigen Roman, in dem es um Schuld und Sühne, Rache und Vergeltung, Brutalität und Krieg, Macht, Reichtum und Skrupellosigkeit, sowie die Sehnsucht nach Frieden und Erlösung, aber auch um Liebe geht, sehr gerne weiter.

Trotz Brutalität und Horror schafft Nino Haratischwili es auf beachtliche Art und Weise, neben ihrer klaren Sprache immer wieder poetische Sätze und Passagen einzuflechten.

Der Einblick, den man in diese fremdartige russische Welt bekommt, ist grandios und die Erzählkunst der Schriftstellerin faszinierend.

„Die Katze und der General“ ist eine intensive, anspruchsvolle, beeindruckende, packende und schmerzliche Lektüre, die volle Aufmerksamkeit fordert und nachhallt.

Das Ende war insofern gleichermaßen passend, wie etwas unbefriedigend, weil es in gewisser Weise ein offenes Ende ist, das mich mit so manchen Unklarheiten und Fragen zurückließ.
Ab und zu verlor sich die Schriftstellerin in Details, philosophischen Betrachtungen oder Wiederholungen, was zu einer gewissen Ungeduld und einem Anflug von Langeweile führte, aber letztlich sind diese beiden Kritikpunkte Jammern auf hohem Niveau.

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Veröffentlicht am 10.04.2021

3 interessante Frauen und 3 ergreifende Schicksale ...

Der silberne Elefant
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Wir lernen in diesem beeindruckenden und wunderschön bunt gestalteten, 224-seitigen Debütroman von Jemma Wayne drei starke und völlig unterschiedliche Frauen kennen, deren Lebenswege und Lebensgeschichten ...

Wir lernen in diesem beeindruckenden und wunderschön bunt gestalteten, 224-seitigen Debütroman von Jemma Wayne drei starke und völlig unterschiedliche Frauen kennen, deren Lebenswege und Lebensgeschichten sich überlappen und miteinander verflechten.

Die Autorin Jemma Wayne verbindet die Schicksale dieser drei interessanten Frauen auf sehr bewegende und kurzweilige Art und Weise.

Drei Biografien und Erzählstränge werden von ihr scheinbar mühelos miteinander verwoben und das Ergebnis ist eine packende und bewegende Geschichte, die in England spielt.

Eine der drei Protagonistinnen ist die 56-jährige wohlhabende, etwas starrköpfige und perfektionistische Witwe Lynn, die bereits zwei erwachsene Söhne hat, an einer schweren und unheilbaren Erkrankung leidet und allein in einem großen Haus lebt.
Obwohl ihre Kinder regelmäßig zur tea-time vorbeikommen, fühlt Lynn, die einst große Pläne hatte und von einer Kartiere träumte, sich bisweilen einsam.
Vor dem Hintergrund ihres letzten Lebensabschnitts macht sie sich viele Gedanken über ihr Dasein.
Sie hadert mit ihrer Vergangenheit, fragt sich manchmal, ob sie den richtigen Weg gegangen ist und ob es richtig war, für ihre Familie ihre Träume zu begraben und ihre Wünsche aufzugeben.

Vera, eine bildhübsche Karrierefrau mit bewegter und düsterer Vergangenheit, ist die zweite im Bunde.
Sie ist mit Luke, einem von Lynns Söhnen verlobt und möchte das belastende Kapitel Vergangenheit ein für allemal abschließen.
Luke ist, wie seine Mutter, sehr gläubig. Über ihn findet auch Vera immer mehr den Weg zum Glauben an Gott, der ihr Halt gibt.

Die dritte Hauptfigur ist Emilienne. Sie kommt ursprünglich aus Ruanda, erlebte dort hautnah die Völkerschlachten, den Völkermord und die verheerenden Gewalttaten des Krieges und verlor dabei ihre gesamte Familie.
All das prägte und traumatisierte sie und hinterließ Schmerzen, tiefe Wunden und Narben.
Nach all diesen erschütternden Erlebnissen kommt sie als Flüchtling zu ihrer Tante in London, die schon viel früher aus dem Krisengebiet geflüchtet war.
Dort lebt sie drei Jahre lang, wobei das Verhältnis zwischen Tante und Nichte mehr schlecht als recht ist.
Schließlich zieht sie in eine kleine und bescheidene Einzimmerwohnung und bestreitet ihren Unterhalt mit diversen Putzstellen.
Emilienne lebt ein recht tristes, einfaches und einsames Leben, in dem die grauenvolle Vergangenheit sie immer wieder in Form von Erinnerungen und Alpträumen heimsucht.
Eines Tages bei der Arbeit in einem Bürogebäude entdeckt sie ein post-it an einem Computer.
Darauf liest sie, dass Pflegekräfte gesucht werden, die sich um pflegebedürftige Menschen in ihrer häuslichen Umgebung kümmern.
Die Vorstellung, ihrem Leben eine Wendung und ein neues Ziel zu geben, reizt sie und sie absolviert eine Pflegeausbildung.
Und wen überrascht es?
In ihrer Funktion als Pflegerin trifft sie auf Lynn.

Der Roman beinhaltet oder streift viele Themen, wirkt dabei aber nicht überladen.
Es geht z. B. um Weiblichkeit, die Rolle der Frau und Selbstverwirklichung, um Zusammenhalt, Freundschaft, Vertrauen und Selbstvertrauen.

Die Autorin vermittelt die Bedeutung des sich Öffnens, Mitteilens und Einlassens sowie die Auseinandersetzung mit der Innenwelt und seinen inneren Konflikten als Voraussetzung für inneres Gleichgewicht und Zufriedenheit.
Geheimnisse werden gelüftet und es geht um Wunden, Narben und Traumata.
Auch der Glaube zu Gott wird unaufdringlich thematisiert.
Die Gräueltaten in Ruanda werden erschütternd, anschaulich und schonungslos geschildert.

Die Protagonistinnen kamen mir sehr nahe und ich konnte mich gut in sie hineinversetzen, da die Autorin deren Innenleben sowie die Dialoge, die sie miteinander führten wunderbar und einfühlsam schildert.

Jemma Wayne erzählt sprachgewandt und unverblümt, feinfühlig und zart, eindringlich und eindrücklich eine außergewöhnliche und kurzweilige Geschichte, die berührt und nachhallt.
Daran dass die Autorin detailliert recherchiert hat, besteht für mich kein Zweifel.

Ich mochte die Sprache, die Charaktere und die Themen.

„Der silberne Elefant“ ist ein Hingucker, der berührt, inhaltlich überzeugt und mit einem unvorhergesehenen Ende überrascht.

Große Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 09.04.2021

Zwei Krisen, eine beeindruckende Sprache und ein packender Plot...

Die Verabschiebung
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Schon mal vorab:
LESEN, LESEN, LESEN!

Die Flüchtlingskrise.
Die Coronakrise.
„Johannes dachte an das englische Wort coronation. Die Krönung von alldem. All das, was bereits geschehen war, und jetzt auch ...

Schon mal vorab:
LESEN, LESEN, LESEN!

Die Flüchtlingskrise.
Die Coronakrise.
„Johannes dachte an das englische Wort coronation. Die Krönung von alldem. All das, was bereits geschehen war, und jetzt auch noch Corona. Die Krönung allen Unglücks.“ (S. 146)

Mit Beginn der Lektüre beobachten wir Johannes, der in ein Flugzeug der Pakistan International Airlines einsteigt.
Das Ziel: Islamabad.
Alle, Personal wie Fluggäste, tragen einen Mund-Nasen-Schutz.

Eigentlich hat er sich geschworen, nie mehr zu fliegen, aber dank Tavor, einem Benzodiazepin mit angstlösender und muskelentspannender Wirkung sowie Vomex, einem Medikament gegen Übelkeit, konnte er sich schließlich trotz Flugangst doch überwinden, den Jumbojet zu besteigen.

Beim Start erinnert er sich an seine Kindheit, in der er mit seiner Familie aufgrund von Beförderungen seines Vaters häufig umziehen musste, an die unzähligen, oft wochenlangen Klinikaufenthalte der Mutter und vor allem und besonders intensiv an seine tierliebe Schwester Julia, die gefühlt nicht mehr von der Seite ihrer Mutter wich, während Johannes sich in seine Hausaufgaben und ins Lernen stürzte und eine Form von Ruhe und Beständigkeit in der Schule fand.
Er selbst erlangte dadurch eine Art Halt, während Julia ihren zunehmend verlor.

Während Johannes nach außen hin als leuchtendes Beispiel dastand, weil er seinen beruflichen Werdegang bis hin zu einer Stelle an der Universität bravourös meisterte, kamen von Julia, die Germanistik und Philosophie studierte und oft im Nirwana verschwand, phasenweise geballt Hilferufe.

Dann lernte Julia den jüngeren, hinreißenden und entwaffnenden Faizan kennen, der aus Pakistan stammte und 2014 in Deutschland einen Asylantrag gestellt hatte.
Er wurde ihr Freund und als solcher im Kreis der Familie aufgenommen.

Höchst amüsiert und zustimmend las ich die Passage, in der Faizan Maultaschen, Rostbraten und Spätzle als nichtssagend und fad empfindet und die Familie mit pakistanischen Gerichten für eine neue gewürzbasierte und geschmacksintensivere Küche zu begeistern versucht.

Ich als begeisterte Anhängerin von Yotam Ottolenghi und Tanja Grandits kann das so gut nachvollziehen!
Ich bin als Schwäbin den genannten Gerichten gegenüber zwar durchaus nicht abgeneigt, koche und esse sie gerne, aber Gewürze geben den Mahlzeiten erst Pfiff und machen sie interessant. Und wenn man einmal seine Geschmacksknospen in diese Richtung gelenkt hat, dann gibt es kein Zurück!

...aber trotzdem zurück zum Buch

Die Liebe von Julia, die inzwischen in einer eigenen Wohnung lebt und Faizan, der ein Mehrbettzimmer in einer Flüchtlingsunterkunft bewohnt, wird von der Furcht vor Abschiebung überschattet, denn Pakistan „gelte de facto als sicherer Herkunftsstaat.“ (S. 25)

„Er war in diesem Land (wenn überhaupt) nur vorübergehend geduldet. Bei der Landesaufnahmestelle hatte er einen Asylantrag gestellt, unter den denkbar schlechtesten Vorzeichen. Das war der Haken.
Dass er aus Pakistan kam und nicht aus einem anderen Land, einem Kriegs- oder Bürgerkriegsland, wie etwa Syrien. Vor der Anhörung in der Landesaufnahmestelle hatte er panische Angst, wohl wissend, dass man seinen Asylantrag wahrscheinlich ablehnen würde, und dies aus zahllosen Gründen, deren Logik er zum größten Teil nicht einmal verstand...“ (S. 22f.)

Jetzt muss ein Anwalt gefunden werden.
Ein Fachmann, der auf Asylfragen spezialisiert ist.
Das wird teuer.
Ob er dem Cricketfan Faizan, der schon bald einen Job in einem Dönerrestaurant findet, wohl helfen kann?

Faizan wird aufgefordert, zu einer persönlichen Anhörung zu erscheinen.
Ein Termin, über den die wildesten und verunsicherndsten Gerüchte kursieren.
Ein Termin, in dem über Bleiben oder Gehen entschieden wird...
Aber es gibt noch eine andere Möglichkeit: das sich liebende Paar könnte heiraten...

Johannes erzählt letztlich die Geschichte seiner Schwester und ihres Geliebten.
Man kann sich die Geschehnisse und Begebenheiten spielend leicht vorstellen und sich wunderbar in die Protagonisten Faizan und Julia hineinversetzen.

Faizans Ängste sind so nachvollziehbar, seine Panikattacken so verständlich.
Julias Ambivalenz, Verzweiflung, Wut und Angst vor Selbstverlust werden wunderbar beschrieben.

Bereits nach wenigen Seiten war ich mittendrin in der Geschichte und begeistert von Thematik, Plot und Sprache.
Meine Neugierde war geweckt und ich war sehr gespannt wie es weitergehen würde.

Der 1962 in Freiburg/Breisgau geborene Joachim Zelter ist ein genauer Beobachter und begnadeter Erzähler. Er hat ein Gespür für psychologische Vorgänge und für Sprache und spielt mit Wörtern, Ton und Tempo.
Er ist ein Wortakrobat, dem man die Freude am Spiel mit den Wörtern anmerkt.
Diese Wortspiele regen zum Innehalten, Mit- und Nachdenken an, sie faszinieren und es macht Spaß, ihnen zu folgen.
Ein Beispiel möchte ich zitieren:
„Eine immer unwirklicher werdende Wirklichkeit und wirklicher werdende Unwirklichkeit.“ (S. 145)

Der Autor erzählt mitreißend, flott und lebendig. Vor allem gegen Ende wirkt die anschaulich, eindringlich und eindrücklich erzählte Geschichte über Julia und Faizan oft atemlos, wodurch man hautnah Verzweiflung und Dringlichkeit spürt. Mit stakkatoartigen kurzen Sätzen, die wie Paukenschläge oder bulimische Brechattacken wirken, verleiht er seinem Text Intensität und Nachdruck.



Ich flog in kürzester Zeit durch die Seiten, in denen von Menschlichem und Unmenschlichen, von Recht und Unrecht, von Sinn und Unsinn, von Bleiben und Gehen die Rede ist.

Hätte ich mehr als fünf Sterne zu vergeben, ich würde es tun!
„Die Verabschiebung“ ist eine bewegende, berührende, faszinierende und außergewöhnliche literarische Perle mit überraschenden Entwicklungen und einem nicht vorhersehbaren Ende.

Darüber hinaus ist das nur 168 Seiten umfassende Werk in Halbleinen und mit Lese Bändchen ein Hingucker im Regal.

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Veröffentlicht am 05.04.2021

Informativ, interessant, spannend und literarisch ansprechend. Ein sehr gelungener Kriminalroman!

Frostmond
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Was für ein Kriminalroman!
Informativer Inhalt, interessante Thematik, fesselnder und spannender Plot, äußerst gefälliger Schreib- Sprach- und Erzählstil ... literarisch durchaus ansprechend, wenn auch ...

Was für ein Kriminalroman!
Informativer Inhalt, interessante Thematik, fesselnder und spannender Plot, äußerst gefälliger Schreib- Sprach- und Erzählstil ... literarisch durchaus ansprechend, wenn auch kein literarisches Highlight.

Aber jetzt erst einmal der Reihe nach!

Mit Beginn der Lektüre landen wir in Kanada.
Die 15-jährige Jeanette Maskisin wird in Montreal tot aufgefunden. Die junge Frau wurde, bevor sie leblos am Ufer des Flusses angeschwemmt wurde, gefoltert, misshandelt und schließlich durch einen Kopfschuss getötet.

Die Medien berichten ausführlich und detailliert darüber.
Der Ermittler Sergeant Jean-Baptist LeRoux und der Profiler Ted Garner werden beauftragt, den Fall zu lösen.
Sie haben kein unkompliziertes und harmonisches Verhältnis, aber ihre Vorurteile der indigenen Bevölkerung gegenüber verbindet sie. Aus diesem Grund strotzen sie nicht vor Enthusiasmus und legen keinen besonderen Eifer an den Tag, als sie sich an ihre Arbeit und die Aufklärung des Falles machen.

Da Jeanette aus einem Cree-Reservat im hohen Norden Quebecs stammt, geht die Reise des unsympathischen und ziemlich klischee- und schablonenhaft gezeichneten Ermittlerduos zunächst dorthin.

Sie werden aber alles andere als herzlich willkommen geheißen, weil die First-Nation-Familien nachvollziehbarerweise gekränkt und misstrauisch sind.

Seit Jahren verschwinden junge Frauen ­indigener Herkunft spurlos entlang des Transcanada-Highways.
Seit Jahren hat sich die Polizei nicht besonders dafür interessiert.
Seit Jahren hat sich die Polizei nicht sonderlich darum gekümmert.
Seit Jahren werden die Natives benachteiligt, unterdrückt und diskriminiert.

Eine Mitarbeit der Cree-Indianer wäre aber nicht nur wünschenswert sondern dringend notwendig, denn es werden weitere Opfer befürchtet.

Nicht nur LeRoux und Garner sind hinter dem Täter her. Auch Leon, der Cousin der ermordeten 15-Jährigen, macht sich an die Arbeit, um den Mörder von Jeanette zu überführen.

Die 1990 geborene Frauke Buchholz hat mit „Frostmond“ einen ganz besonderen, tief- und abgründigen Kriminalroman über eine Thematik geschrieben, die nicht erfunden ist: der Rassismus und die Gleichgültigkeit gegenüber der indigenen Bevölkerung und die Mordserie an indigenen Frauen entlang des sogenannten "Highway of Tears“ sind keine Erfindung.
Die Diskriminierung im Alltag existiert, es gibt die Morde tatsächlich und die Behörden geben ihrer Aufklärung in der Tat keine große Priorität.

Frauke Buchholz zeigt eine Schattenseite Kanadas auf, führt uns zwei Parallelgesellschaften, nämlich die weiße und die indigene Bevölkerung, vor Augen und schreibt schonungslos, unverblümt und glaubhaft über ein Milieu, das vielen Lesern fremd und neu sein mag.

Man kann aus dem Text förmlich ihre Kompetenz und ihr Wissen herauslesen.
Es verwundert nicht, dass sie über zeitgenössische indigene Literatur promoviert und einige Zeit in einem Cree-Reservat in Kanada verbracht hat.

Ich empfehle diesen spannenden und schlüssigen Pageturner, der ein überraschendes und actionreiches Ende mit fulminantem Finale hat, sehr gerne weiter!

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Veröffentlicht am 04.04.2021

Interessant und unterhaltsam...

Als wir uns die Welt versprachen
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In diesem interessanten, bewegenden, berührenden, aber auch humorvollen Buch lesen wir über die sogenannten „Schwabenkinder“ und tauchen damit in ein vergessenes und düsteres Kapitel der deutsch-italienischen ...

In diesem interessanten, bewegenden, berührenden, aber auch humorvollen Buch lesen wir über die sogenannten „Schwabenkinder“ und tauchen damit in ein vergessenes und düsteres Kapitel der deutsch-italienischen Geschichte ein.

Was sind Schwabenkinder?
Das sind Tausende von armen Bergbauernkinder aus Tirol..., die über drei Jahrhunderte hinweg, vom Anfang des 17. Jahrhunderts bis in die frühen Jahre der Nachkriegszeit nach dem zweiten Weltkrieg, im Frühling über die Alpen gewandert sind, um unter harten Bedingungen in der Fremde und fernab ihrer Familien bei oberschwäbischen Bauern zu malochen.

In drei aufeinander folgenden Abschnitten lernen wir erst zwei Schwabenkinder, die 10-jährige Edna und ihren Freund Jacop, dann die erwachsene Edna auf Reisen und schließlich das Pärchen Adele und Max kennen, das sich um die alte Edna sorgt, die gruß- und spurlos verschwunden ist.

Es ist herzergreifend und macht Spaß, Edna zu begleiten, die als junges Mädchen von ihren armen Eltern an Padre Giovanni verkauft wurde und auf einer mühsamen Reise mit ihm zu schwäbischen Bauern gebracht wurde, um dort für Kost und Logis zu schuften.
Ihre Freundschaft mit Jacop half über manche Härte und Mühsal hinweg.

Die 90-jährige Edna auf ihrem abenteuerlichen und beschwerlichen Roadtrip vom Vinschgau nach Deutschland zu begleiten, macht Spaß und ist sehr bewegend.
Sie, die sich in ihrem abgelegenen Häuschen mit dem verwilderten Garten verschanzte und dort von ihrer freundlichen Nachbarin Adele, der Betreiberin des Dorfladens, mit Lebensmitteln und dem „Stern“ versorgt wird, beharrt darauf, ihre einstige schwere Reise per pedes, Bus und Bahn zu wiederholen.
Wie sie darauf kommt?
Na ja, sie hat im „Stern“ ein Foto vom in Ravensburg verunglückten Jacop entdeckt und blitzartig ploppten alte Erinnerungen sowie der Wunsch ihn zu besuchen und ihm Papagei Emil zurückzugeben, auf.

Die 1977 geborene Romina Casagrande hat mit „Als wir uns die Welt versprachen“ einen wunderbaren Pageturner geschrieben, in dem ich viel Neues lernte und der mich prächtig unterhielt.
Ich mochte sowohl ihren Schreib- Sprach- als auch ruhigen Erzählstil und hatte den Eindruck, mittendrin und dabei zu sein.
Es ist ein authentischer, ungeschönter und glaubhafter Roman über eine innige Verbundenheit, die Zeit und Entfernung trotzt und im Kontext einer grauenvollen historischen Begebenheit entstanden ist.
Absolute Leseempfehlung!

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