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Veröffentlicht am 21.09.2016

Wenn Kinder ihre Sprache verlieren

Es wird gut, kleine Maus
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Seitdem meine Tochter in der Kita verstummt ist, habe ich mich verstärkt mit dem Thema Mutismus auseinander gesetzt. Da dieses Thema auch vor dem mutistischen Kind nicht einfach verschwiegen werden darf, ...

Seitdem meine Tochter in der Kita verstummt ist, habe ich mich verstärkt mit dem Thema Mutismus auseinander gesetzt. Da dieses Thema auch vor dem mutistischen Kind nicht einfach verschwiegen werden darf, habe ich auch nach Kinderbüchern mit dem Thema Mutismus gesucht. Dieses schön illustrierte Werk hat meine Schwester durch einen Aushang in der Kita entdeckt und mich darauf aufmerksam gemacht. Es handelt sich um ein sehr schön illustriertes Buch, welches eine bildhafte Sprache hat.

Zunächst einmal ist es aber wichtig, kurz zu erläutern, worum es bei der Erkrankung „Mutismus“ überhaupt geht. Es handelt sich beim Mutismus um eine Kommunikationsstörung. Kinder und auch Erwachsene, die organisch völlig gesund und auch fähig sind, zu sprechen, verstummen in bestimmten Situationen oder in Gegenwart bestimmter Menschen. Man kann zwischen verschiedenen Formen des Mutismus unterscheiden: dem elektiven (oder selektiven) Mutismus, welcher in bestimmten Situationen auftritt, dem totalen Mutismus und dem akinetischen Mutismus, welcher neurologisch bedingt ist.

Das vorliegende Werk Es wird gut kleine Maus behandelt das Thema Mutismus ausgelöst durch eine Verlusterfahrung. Die Problematik wird aus der Sicht eines Kindes beschrieben, welches vor kurzem seine Mutter verloren hat. Das Kind, welches weder Name noch Geschlecht hat, erzählt von seinem Leben ohne Mutter. Es beschreibt, dass der Vater sich auf einmal so anders verhält, dass die eigenen Gedanken durcheinander geraten sind und kein Laut mehr über die Lippen kommt. Erst die kindliche Neugier bringt die Sprache wieder zurück und führt auch Vater und Kind wieder zueinander.

Zunächst einmal kann ich sagen, dass das Buch meiner Tochter gefallen hat. Einige Tage wurde es immer wieder hervor geholt und gelesen. Das Interesse flachte dann aber doch recht schnell ab, was vielleicht an dem geringen Text im Buch lag. Sie ist inzwischen 5 Jahre alt und wir lesen gemeinsam schon eher Kinderromane.
Die Bilder sind wirklich sehr liebevoll und mit Foto-Collagen gestaltet, wirken aber auch etwas düster. Diese Düsternis unterstützt den Hintergrund der Geschichte, nämlich den Tod der Mutter. Zu abstrakt war mir aber die Beschreibung, dass „das Wort mit den drei Buchstaben […] den anderen Wörtern den Weg aus meinem Mund [versperrt]“ (Seite 4). Damit konnte meine Tochter zunächst nichts anfangen. Allerdings ist diese Phänomen, dass etwas den Weg aus dem Mund versperrt, nicht weit her geholt. Eine ähnliche Beschreibung diesbezüglich hatte mir meine Tochter auch geschildert, als ich sie fragte, wieso sie in der Kita nicht sprechen kann.
Aber Kinder, die noch nicht schreiben und lesen können, werden diese Beschreibung des Wortes mit den drei Buchstaben nicht verstehen und somit auch einen wichtigen Teil des Buches vielleicht nicht nachempfinden können.

Warum genau der Vater sich anders als sonst verhält wird leider auch nicht in der Geschichte aufgeklärt. Dass er selbst mit dem Verlust seiner Frau fertig werden muss und deshalb sehr traurig und manchmal auch vergesslich ist. Außerdem wird die Spitzmaus im Text mit einem grauen Kopf beschrieben, in der Foto-Collage ist sie aber blau. Das fiel meiner Tochter auch sofort auf und riss sie leider etwas aus der Geschichte heraus.

"Wir schauen hinauf zu den Sternen und Schweigen." (Seite 34)

Die bunten Bilder, die wie bereits erwähnt auch etwas düsteres an sich haben, werden mit einer reduzierten Sprache verbunden. Es handelt sich also um ein Buch, für welches man sich Zeit nehmen sollte. Mit einem einfachen Vorlesen ist es hier nicht getan. Man muss sich gemeinsam mit dem Kind näher mit der Geschichte auseinandersetzen.
Der Schluss gefiel mir besonders gut. Die Sprache kommt wieder, aber auch Schweigen ist in Ordnung und in gewissen Momenten wichtig und heilend.

Als Elternteil eines mutistischen Kindes muss ich allerdings darauf hinweisen, dass das Buch vielleicht eine zu plötzliche Heilung suggeriert. Dies ist in der Realität leider nicht der Regelfall, denn eigentlich ist es ein langer und schwieriger Weg, oftmals auch mit Rückschritten, den die Eltern mit ihrem Kind gehen müssen, um die Sprache des Kindes wieder zu finden.

"Mir fliegen die Worte aus dem Mund." (Seite 29)

Alles in allem handelt es sich um ein liebevoll gestaltetes Buch für Kinder, die an Mutismus leiden, aber auch für Kinder, die mit dem Thema Mutismus in Kontakt kommen, beispielsweise, weil sie ein betroffenes Kind kennen. Die Geschichte veranschaulicht die Problematik recht gut, hat aber auch ihre Defizite, die durch den vorlesenden Erwachsenen kompensiert werden sollten.

Veröffentlicht am 21.09.2016

Das turbulente Leben einer Patchworkfamilie

Unter einem Dach
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Ein Mann, drei Frauen, drei Kinder. Sie alle befinden sich in einer neuen Situation, der Patchworkfamilie. Anneke Mohn schildert einfühlsam aber auch humorvoll, wie das Leben aller beteiligten aus den ...

Ein Mann, drei Frauen, drei Kinder. Sie alle befinden sich in einer neuen Situation, der Patchworkfamilie. Anneke Mohn schildert einfühlsam aber auch humorvoll, wie das Leben aller beteiligten aus den Fugen gerät.

Drei Frauen stehen im Mittelpunkt dieser Geschichte. Da ist zunächst einmal Dana, eine erfolgreiche Professorin der Soziologie. Als sie Mattis begegnete, merkt sie schnell, dass er der Richtige für sie ist. Doch Mattis ist verheiratet und hat zwei Kinder im Schulkindalter und ein weiteres aus einer früheren Beziehung. Er verlässt seine Frau Maren und möchte mit Dana zusammen sein, ohne auf seine Kinder zu verzichten. Doch Maren ist nicht bereit, ihren Mann kampflos aufzugeben, schließlich ist ihre Familie ihr Leben. Als sie einen schweren Autounfall hat und auf Hilfe angewiesen ist, nimmt Mattis sie und die Kinder in seinem neu erworbenen Haus auf. Das Chaos ist vorprogrammiert. Die dritte Protagonistin ist Jil. Mattis erste Frau aus Jugendjahren, bietet einen Gegenpol zu Maren. Sie ist eine rastlose Weltenbummlerin. Jil und Mattis haben gemeinsam einen Sohn, der bereits erwachsen ist und eine eigene Familie gründet. Über Umwege verschlägt es auch sie in das Haus ihres Ex-Mannes. „Es würde wunderbar werden. Wenn alle mitmachten.“ (Seite 8) Mattis großer Traum einer harmonierenden Patchworkfamlie geht allerdings nicht in Erfüllung.

Anneke Mohn lebt und arbeitet in Hamburg. Sie war als Lektorin in verschiedenen Verlagen tätig, inzwischen arbeitet sie als Übersetzerin und Autorin. Unter einem Dach ist der neuste Roman der Autorin. Zwei weitere Romane sind im Rowohlt Verlag erschienen: Kirschsommer (2013) und Apfelrosenzeit (2014).

Anneke Mohn gelingt es, glaubhaft die Situation einer Patchworkfamilie zu schildern. Es handelt sich um einen unterhaltsamen Roman, der eine nette Lektüre für Zwischendurch darstellt. Die Geschichte ist nicht sonderlich tiefgängig, aber das ist auch gar nicht nötig. Alle wichtigen Aspekte werden berücksichtigt und so kommt eine runde Geschichte am Ende heraus. Allerdings muss man auch sagen, dass das Zusammentreffen mancher Protagonisten ala „die Welt ist klein“ etwas zu konstruiert ist und eigentlich auch nicht nötig gewesen wäre. Anneke Mohn setzt alle beteiligten Familienmitglieder, die neuen sowie die alten, in ein Haus und bringt die Situation somit auf den extremen Höhepunkt. Denn Mattis Vision von einer großen heilen Patchworkfamilie kann einfach nicht funktionieren.

„Denn wir alle haben ein Problem.“ (Seite 235)

Die Autorin schlägt einen flüssigen und leicht verständlichen Ton an. Mit Humor, aber auch dem nötigen Ernst wird die Situation dieser außergewöhnlichen Patchworkfamilie einfühlsam beschrieben. Witzige Gedanken wie „Dana, die Frau mit den Apfelbrüsten“ (Seite 240), aber auch die eigenen Zweifel der Protagonisten an der aktuellen Situation finden Platz in der Geschichte.

Der Roman ließ sich zügig und mit anhaltendem Interesse lesen. Der Leser wird absolut abgeholt und kann der Erzählung folgen und mit den Protagonisten mitfühlen. Allerdings hat mich der Roman nicht wirklich komplett abgeholt. So kann ich das Buch als schnelle Lektüre zur Unterhaltung durchaus empfehlen, es wird aber vermutlich nicht lange in meinen Gedanken weiter spuken, da das ganz besondere Etwas irgendwie gefehlt hat.

Veröffentlicht am 21.09.2016

Ein fulminanter Psychothriller für Leser mit starken Nerven

Du
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Ein Roman mit besonderer Erzählperspektive. Zoran Drvenkar wählt die besondere Perspektive der zweiten Person „Du“, sie dient in dem vorliegenden Werk dazu, den Leser ganz dicht an die Protagonisten zu ...

Ein Roman mit besonderer Erzählperspektive. Zoran Drvenkar wählt die besondere Perspektive der zweiten Person „Du“, sie dient in dem vorliegenden Werk dazu, den Leser ganz dicht an die Protagonisten zu führen, die Geschichte also aus Sicht der verschiedenen Charaktere zu erzählen. Die zahlreichen Protagonisten wechseln sich mit ihren Schilderungen ab und schnell stellt sich der Leser die Frage: Wer ist diese allwissende Personen, die in alle Köpfe, sogar in die der Toten, hineinschauen kann? Denn hin und wieder macht es den Anschein, als würde diese allwissende Person die Protagonisten direkt ansprechen. Er kennt ihre Vergangenheit, ihre Gegenwart und auch ihre Zukunft.

Zoran Drvenkar wurde 1967 in Kroatien geboren. Mit drei Jahren kam er nach Deutschland und wuchs in Berlin auf. Er arbeitet als freier Schriftsteller und publiziert neben seinen Romanen auch Kinder- und Jugendbücher. Seine beiden Thriller Du bist zu schnell (2003) und Sorry (2009) sollen verfilmt werden.

Der Einstieg in die Geschichte fällt zunächst aufgrund der zahlreichen Charaktere etwas schwer. Mehr als zehn Protagonisten treten abwechselnd Kapitel für Kapitel auf die Bühne und erzählen ein Fragment der Geschichte aus ihrer Sicht. Der dynamische Fortlauf der Handlung reißt einen aber dennoch mit. Das Tempo erhöht sich vorlaufend, selbst wenn man als Leser denkt, schneller und drastischer kann es nicht werden. Doch! Das geht! Zoran Drvenkar schreckt vor keiner Brutalität zurück, er lässt seine Protagonisten ungehindert morden und ins Verderben laufen.

Zunächst einmal aber zur Handlung. Da gibt es den Reisenden, der immer wieder einmal auftaucht und eine große Anzahl an toten Menschen hinter sich lässt. Da er nicht gefasst werden kann ist er ein regelrechter Mythos, von dem jeder weiß, aber keiner ahnt, dass er ihm bald begegnen wird. Dann sind da fünf Freundinnen, die aufgrund eines Heroinfundes auf der Flucht sind. Sie werden von einem Mann gejagt, der „Der Logist“ genannt wird. Alle Protagonisten scheinen nichts miteinander zu tun zu haben, aber dennoch rauschen sie in voller Fahrt aufeinander zu. Ihr Weg ist gepflastert mit Brutalität und Tod. Teilweise fand ich aber gerade diese Brutalität fragwürdig. Kann ein Vater den Freund seines Kindes töten? Auch die wirklich turbulente Handlung ist zum Teil etwas unglaubwürdig. Fünf junge Mädchen, die vor einem brutalen Drogenliferanten fliehen und dabei greift kein einziges Mal die Polizei wirklich in diese Verfolgung ein, obwohl es zu Todesfällen kommt? Das Cover macht die Düsternis dieser Erzählung sehr deutlich und alles scheint von einem Mann abzuhängen: dem Reisenden. Doch wie passt er in die Geschichte hinein?

Zoran Drvenkar erzählt in gnadenloser Grausamkeit die Geschichte. Kalt und hart lässt er einen Teil seiner Protagonisten erscheinen, während die anderen, die es bisher nicht waren selbst diesen Weg einschlagen. Der Autor hat einen fast poetischen Erzählstil, der in jeder Minute der Geschichte passt. Durch die Du-Perspektive werden die Taten aller Protagonisten irgend wie nachvollziehbar und verständlich. Mal empfindet der Leser Mitleid oder Verständnis, ein anderes Mal wird er aber voller Abscheu die Taten und Gefühle des Protagonisten verfolgen.

Du ist kein Buch für Leser mit schwachen Nerven. Es ist ein Psychothriller mit besonderem Perspektivwechsel. Drvenkar bietet keinen leichten Einstieg in seine Geschichte, aber die zig verschiedenen Handlungsstänge und Charaktere fügen sich Stück für Stück zu einem großen Ganzen zusammen. Wenn man sich darauf einlässt, wird man nicht enttäuscht werden. Auch wenn hier und da die Erzählung zu dramatisch und unglaubwürdig erscheint, so wird man spätestens mit dem fulminanten Schluss der Geschichte entschädigt.

Veröffentlicht am 09.07.2024

Ein Ratgeber für die manchmal anstrengende Zeit der Pubertät

Wenn Töchter erwachsen werden
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Nachdem ich vor kurzem den Ratgeber "Jungen! – Wie sie glücklich heranwachsen" gelesen habe und daraus einige hilfreiche Tipps entnehmen konnte, dachte ich mir, ich widme mich auch einmal den Mädchen. ...

Nachdem ich vor kurzem den Ratgeber "Jungen! – Wie sie glücklich heranwachsen" gelesen habe und daraus einige hilfreiche Tipps entnehmen konnte, dachte ich mir, ich widme mich auch einmal den Mädchen. Hier bekam ich eine Buchempfehlung ausgesprochen, nämlich Lisa Damours Ratgeber "Wenn Töchter erwachsen werden – Was Mädchen in der Pubertät brauchen". Im Grunde gibt das Buch einen ganz guten Einblick in die Gefühlswelt der pubertierenden Mädchen, allerdings war die dargebrachte Art etwas trocken und wenig mitreißend und auch die Beispiele, die herangeführt werden, waren mir etwas zu extrem. Ich konnte hier nicht wirklich die Mädchen und jungen Frauen sehen, die ich bei meiner Tochter und im gesamten Bekanntenkreis so antreffe. Auf den vielen Seiten gibt es sicherlich einige gute Ratschläge, doch leider musste ich hier schon sehr viel filtern um meine eigene Quintessenz zu finden.

Zitat: "Mädchen im Teenageralter vergessen manchmal, dass es ein Teil der Lösung sein kann, wenn sie sich mal eine Pause vom Problem nehmen." (Lisa Damour: Wenn Töchter erwachsen werden – Was Mädchen in der Pubertät brauchen. Seite 125)

Die Autorin:

Lisa Damour machte ihren Doktor in der klinischen Psychologie, arbeitet in ihrer eigenen Praxis und ist Direktorin des Laurel School’s Center for Research on Girls. Außerdem lehrt sie an der Case Western Reserve University. Durch ihre Arbeit wurde sie zur Expertin für Erziehung und kindliche Entwicklung. Hierzu hält sie Vorträge und veröffentlichte bereits einige wissenschaftliche Publikationen. In den USA wurde sie vor allem durch ihren New-York-Times-Blog bekannt. Sie lebt mit ihrer Familie in Shaker Heights, Ohio.

Inhalt:

„Mädchen im Teenageralter benehmen sich unvorhersehbar launisch und lassen ihre Eltern oft ratlos zurück. Die Entwicklungspsychologin Lisa Damour gewährt einen Blick hinter die Kulissen weiblicher Pubertät. Sie erklärt, warum dieses Verhalten nicht nur natürlich , sondern auch notwendig ist. Sie beschreibt die sieben speziellen Herausforderungen, die Mädchen in dieser fragilen Phase meistern müssen, und gibt Anregung, wie man sie dabei begleiten kann. Die Autorin bereitet Eltern darauf vor, worauf sie achten können, wie sie im Gespräch bleiben und wann sie tatsächlich eingreifen müssen. Sie hilft, Mädchen in der Pubertät zu verstehen und zu stärken – und das, ohne dabei die Nerven zu verlieren.“ (Produktbeschreibung)

Gedanken zum Ratgeber:

Das Cover zeigt ein junges Mädchen, welches ihre Hand ins Bild streckt und ihre orange lackierten Fingernägel präsentiert. Vielleicht wollte hiermit dargestellt werden, wie sich Mädchen ab einem gewissen Alter abnabeln, distanzieren und ihre eigenen Entscheidungen treffen wollen. In jedem Fall kann man aufgrund des Bildes recht schnell erahnen, worum es sich bei diesem Ratgeber handelt. Auch der Titel ist gut sichtbar positioniert.

Die Autorin schöpft aus ihren vielen Erfahrungen als Therapeutin und unterfüttert ihre Thesen mit zahlreichen Beispielen aus ihrer therapeutischen Arbeit. So manches war für mich dabei jedoch zu abstrakt und nicht so recht greifbar. Außerdem musste ich mir einen Leseplan erstellen, um dran zu bleiben, ansonsten hätte ich wohl noch einige Zeit mehr an diesem doch recht dicken Ratgeber gelesen. Die Sprache der Autorin ist zwar gut verständlich, allerdings doch recht trocken und mit wenig Humor gespickt, sodass ich nur schwer bei der Sache blieb. Ich hätte mir eine lebhaftere Abhandlung der Thematik gewünscht.

Zitat: "Sie müssen von der Annahme ausgehen, dass sich jedes Mädchen im Jugendalter insgeheim Sorgen macht, dass es verrückt sein könnte." (Lisa Damour: Wenn Töchter erwachsen werden – Was Mädchen in der Pubertät brauchen. Seite 107)

Was mir gut gefallen hat, war der Anfang, bei welchem die Autorin dem Leser genau erklärt, wieso die Töchter eben so ticken, wie sie ticken. Dazu liefert sie außerdem hin und wieder Vorschläge, was man zu seinen Kind in gewissen Situationen sagen kann oder auch was man dringend vermeiden sollte. Auch gibt sie Mut, während schwererer Phasen durchzuhalten und die Gegebenheiten zu akzeptieren, auch wenn es manchmal schwer fällt, sich als Eltern zurückzunehmen und das Kind seine eigenen Erfahrungen machen zu lassen.

Wie bereits oben erwähnt, konnte ich nicht allzu viele Hilfsmittel für mich finden. Der Text ist recht umfangreich, und es fiel mir doch schwer, die einzelnen Kernpunkte für mich herauszupicken, um sie für den Fall der Fälle in meinem Gedächtnis abzulegen, bei Bedarf hervorzuholen und anzuwenden. Obwohl jedes große Kapitel mit dem Abschnitt „Wann sie sich Sorgen machen müssen“ abschließt, was eine zusammenfassende Wirkung hätte bereiten können, müsste ich wohl einige Kapitel bei Bedarf nochmals lesen, um sie in Gänze zu erfassen.

Zitat: "Manchmal verlieren Mädchen ihre eigenen Wünsche aus den Augen, weil sie so gut darin sind, darauf zu achten, was alle anderen wollen. Es ist okay, in Beziehungen Opfer zu bringen, solange du das Gefühl hast, dass das, wofür du es aufgibst, sich lohnt." (Lisa Damour: Wenn Töchter erwachsen werden – Was Mädchen in der Pubertät brauchen. Seite 255)

Außerdem hatte ich das Gefühl, dass zu viele Extremfälle aus dem Erfahrungsschatz der Therapeutin herangezogen wurden. Das alles trifft auf uns aber nun wirklich nicht mal ansatzweise zu. Und ich bezweifle, dass wir da solch eine Ausnahme sind. Ganz am Ende macht die Autorin dann eine unfassbar unzeitgemäße Aussage, die mich wirklich verärgert hat und mich dann kurzzeitig am Rest ihrer Tipps und Ratschläge zweifeln ließ. Es ging dabei um Essstörungen (dieses Thema wurde bereits zuvor ausführlicher behandelt) und in ihrer Zusammenfassung am Ende des letzten großen Kapitels warnt die Autorin davor, dass Kinder, die „die Auswahl an Lebensmitteln ein[…]schränken (zum Beispiel Vegetarierin oder Veganerin“ (Seite 310) werden, meist eine Essstörung entwickeln würden. Das ist doch nun wirklich an der Realität vorbei und nicht mehr gegenwartsnah. Ich kann mir vorstellen, was die Autorin damit aussagen wollte, aber solch eine wenig differenzierte Behauptung in einem Nebensatz zu präsentieren, erachte ich als unhaltbar.

Fazit:

"Wenn Töchter erwachsen werden" ist ein Ratgeber, der recht trocken und wenig lebendig daher kommt, einige sehr extreme Beispiele aufführt und sich für mich am Ende doch leider etwas ins Aus schießt. Vielleicht lässt sich auch einfach nicht ganz so gut von amerikanischen Jugendlichen auf deutsche Jugendliche projizieren? Sicherlich kann man hier ein paar gute Ratschläge herausfiltern und versteht die Gefühlswelt der Töchter nach der Lektüre ein wenig besser, kann entspannter damit umgehen. Aber bei der Masse an Seiten hätte ich mir doch ein wenig mehr hilfreiche Tipps erhofft, anstatt immer wieder über Extrembeispiele zu lesen. Vielleicht habe ich aber auch einfach die wundervollste und unkomplizierteste Tochter der Welt. Wer weiß.

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Veröffentlicht am 21.06.2024

Nicht wirklich ein Thriller

Mute - Wer bist du ohne Erinnerung?
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"Mute – Wer bist du ohne Erinnerung?" habe ich auf der Leipziger Buchmesse entdeckt und die Beschreibung der Verlagsmitarbeiterin machte mich neugierig. Zunächst hatte ich leichte Bedenken, ob ein Thriller ...

"Mute – Wer bist du ohne Erinnerung?" habe ich auf der Leipziger Buchmesse entdeckt und die Beschreibung der Verlagsmitarbeiterin machte mich neugierig. Zunächst hatte ich leichte Bedenken, ob ein Thriller zu viel für meine Nerven sein würde, doch der Titel ließ mich nicht los und so fragte ich ein Rezensionsexemplar an. Das Buch war dann auch wirklich kein Thriller, sondern eher eine dramatische Familiengeschichte mit einigen Geheimnissen, die auf den letzten 70 Seiten gelüftet werden. Eine Aufarbeitung der Erlebnisse der Protagonistin fand leider nicht wirklich statt. Alles in allem hielt der Inhalt daher nicht, was der Klappentext versprach.

Zitat: „Der Schmerz über den Verlust meiner Familie, die gleichzeitig meine Heimat war, war kaum auszuhalten.“ (Tobias Elsäßer: Mute – Wer bist du ohne Erinnerung? , Seite 212)

Der Autor:

Tobias Elsäßer (geboren 1973) war Sänger, bevor er 2004 seinen Debütroman veröffentlichte. Inzwischen schreibt und komponiert er und leitet Schreibwerkstätten sowie Songwriter-Workshops. Seine Kinder- und Jugendromane wurden mehrfach ausgezeichnet. 2020 erschien beispielsweise sein Jugendroman "Play" und 2022 sein Kinderbuch "Arti – Auf Freundschaft programmiert" mit Illustrationen von Julia Christians. 2024 folgte nun sein Jugendbuch "Mute – Wer bist du ohne Erinnerung?". Der Autor lebt in Stuttgart.

Inhalt:

„Seit einem Autounfall wird die 16-jährige Espe von beunruhigenden Bildern heimgesucht. Sind das vergessene Erinnerungen aus ihrer Kindheit, aus der Zeit vor ihrer Adoption? Als ihre Adoptiveltern aus heiterem Himmel verhaftet werden, macht sich Espe auf die Suche nach der Wahrheit. Was ist dran an den Vorwürfen, ihre Eltern hätten sie und die Geschwister illegal ins Land geholt? Was sind die wahren Hintergründe ihrer Herkunft, ihrer Vergangenheit?
Espe beschließt zu kämpfen, setzt alles daran, dass ihre Familie zusammenbleiben darf. Doch dann kommt sie einem Geheimnis auf die Spur, das alles in Frage stellt, an was sie bisher geglaubt hat.“ (Klappentext)

Gedanken zum Roman:

Zunächst einmal ist mir der Titel dieses Buches aufgefallen: Mute. Alles was mit verstummen oder schweigen zu tun hat, zieht mich magisch an. Aber auch das Cover ist sehr gelungen. Wir sehen eine schwarz-rote Silhouette, welche vermutlich Espe darstellt. Sie scheint unterwegs zu sein. Der Titel ist in großen Buchstaben, aus denen sich einzelne Kreise lösen, zweigeteilt zu erkennen. Dazwischen dann nochmals mit normaler Typographie und dem Untertitel, der uns Lesern einen näheren Einblick gibt, worum es sich in dieser Geschichte handeln mag.

Zunächst einmal war ich von der spannende Umsetzung – einer Mischung aus Tagebuch, ärztlichen Berichten, Rückblenden, Auszügen aus Interviews – ziemlich begeistert. Allerdings brachte das hin und wieder auch Verwirrungen mit sich, da die Zeitstränge immer wieder andere sind. Da muss man schon ganz genau aufpassen, auf welcher Zeitebene (vor dem Umzug, nach dem Umzug, im Safe House, während der Verhandlung etc.) man sich gerade befinden und so war das Lesen nicht immer ganz leicht. Besonders am Anfang gab es außerdem oft äußerst verschachtelte Sätze, die ich mehrfach lesen musste, um sie richtig zu verstehen. Das könnte vielleicht ein Stilmittel sein, um Espes innere Unruhe widerzuspiegeln. Im Verlauf der Geschichte wurde das besser, wie auch Espes gesundheitlicher Zustand. Diese Erklärung ist für mich aber doch recht weit hergeholt.

Die vielen Corona Bezüge machten die Geschichte für mich als Leser irgendwie noch ein Stück realer, gleichzeitig möchte ich aber eigentlich davon gar nichts mehr wissen oder gar lesen. Ich denke an diesem Punkt scheiden sich die Geister und ich bin mir auch nicht so sicher, ob die Erwähnung der Coronakrise wirklich handlungstragend ist.

Der Klappentext verspricht sich wiederholende Bilder, die die Hauptprotagonistin immer wieder heimsuchen. Jene Bilder kommen allerdings nur während des Unfalls und während eines Versuchssaufbaus des Vaters vor. Sie werden auch auf weiten Teilen der Geschichte nicht weiter thematisiert. Viel mehr geht es darum, wie die Vorgeschichte der Familie ist und wie Espe unter der Ungewissheit leidet. Außerdem wird angedeutet, dass sie immer wieder aggressive Ausfälle hat. Wieso das alles so ist, das wird zwar am Ende aufgeklärt, wirklich verarbeitet aber leider nicht. Auch ist Espe ein passiver Charakter, entgegen der Aussage im Klappentext, sie kämpfe für ihre Geschwister und die Wahrheit.

Zitat: „Und so weine ich nach innen und vermisse dieses befreiende Gefühl, wenn die Tränen kommen, über mein Kinn rennen und lautlos auf dem Boden zerspringen.“ (Tobias Elsäßer: Mute – Wer bist du ohne Erinnerung?, Seite 60)

Was genau in der Familie nun vorgefallen ist, bleibt sehr lange unklar. Ich hätte mir früher Erkenntnisse gewünscht. So litt die Spannung bzw. es fesselte mich nicht so sehr, wie es wohl hätte sein können. Für einen Thriller halte ich das Buch ebenfalls nicht. Nervenkitzel ist da nirgends in Sicht. Hier ist eher die Melancholie, als die Spannung vorherrschend. So bekommt Espe am Ende alle Fakten auf dem Silbertablett serviert. Das war sehr platt und viel zu einfach.

Im Prinzip wird übrigens auch gar nicht aufgearbeitet, wie Espe mit den ganzen Wahrheiten umgehen soll. Außerdem wird sie zur Mitwisserin, was die Vergangenheit der Geschwister anbelangt. Sie kämpft auch nicht um ihre Geschwister, da sie sich in einer psychiatrischen Klinik befindet, ist das auch kaum möglich. Sie nimmt hin, als ihr ein Polizist sagt, dass sie in getrennte Unterbringungen kommen müssen und nur die Therapeutin verspricht ihr, dafür zu sorgen, dass sie in der gleichen Stadt bleiben können.

Fazit:

Bei "Mute – Wer bist du ohne Erinnerung?" handelt es sich nicht um einen Thriller, wie die Produktbeschreibung verspricht. Vielmehr haben wir es hier mit der Geschichte einer jungen Frau zu tun, die mit der Festnahme ihrer Eltern zu kämpfen hat sowie den vielen Geheimnissen um ihre Identität. Da ist kein Nervenkitzel, sondern eine tiefe Melancholie in Kombination mit einer interessante Familiengeschichte im Zentrum, die ethische Fragen aufwirft. Über lange Strecken hinweg zieht sich die Geschichte, da die Protagonistin nicht Stück für Stück die Geheimnisse um ihre Eltern lüftet, sondern nur aus ihrer Vergangenheit und ein klein wenig über ihre Gegenwart erzählt. Die Lösungen kamen zu spät und viel zu einfach daher. Auch eine konkrete Aufarbeitung war bis zum Ende nicht in Sicht.

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