Platzhalter für Profilbild

Buecherwaerme

aktives Lesejury-Mitglied
offline

Buecherwaerme ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Buecherwaerme über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 13.08.2023

Tage der Gewalt

Sekunden der Gnade
0

Mary Pat lebt mit ihrer 17-jährigen Tochter Jules in Southie, einem weißen Stadtteil von Boston.
Das Leben ist hart, geprägt von Gewalt und dem Einfluss der starken Gangster im Viertel. Man kennt seine ...

Mary Pat lebt mit ihrer 17-jährigen Tochter Jules in Southie, einem weißen Stadtteil von Boston.
Das Leben ist hart, geprägt von Gewalt und dem Einfluss der starken Gangster im Viertel. Man kennt seine Nachbarn, häufig das ganze Leben lang. Träume gibt es nicht, die Kinder erben das Leben ihrer Eltern. Geprägt von Rassismus und der starken Überzeugung, dass es ihr Viertel ist, bauen sich 1974 Spannungen in der Gesellschaft auf. Hintergrund ist die offizielle Anordnung, dass schwarze und weiße Kinder Schulen tauschen sollen, um eine Durchmischung zu erreichen.

Und dann verschwindet eines Nachts Jules und lässt Mary Pat verzweifelt zurück. Sie setzt alles daran, den Verbleib ihrer Tochter in Erfahrung zu bringen. Ihre Nachforschungen sind alles andere als ungefährlich für sie. Aber sie hat nichts mehr zu verlieren.

Mary Pat ist ein spannender Charakter, vielschichtig und stark, eine tolle Protagonistin!
Von der ersten Seite an konnte ich das Buch kaum aus der Hand legen. Der Schreibstil ist mitreißend und authentisch. Man sollte auf brutalere Szenen eingestellt sein, es geht roh zu.

Wer damit kein Problem hat, dem empfehle ich dieses Buch sehr!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 17.07.2023

Familiengeschichte mit angenehmer Mischung aus Humor und Tragik

Sylter Welle
0

Der Protagonist Max, um die 30, macht ein letztes Mal mit seinen Großeltern Urlaub auf Sylt. Manches ist wie früher, manches ist nicht mehr so möglich. Der Campingwagen wurde gegen eine Ferienwohnung getauscht. ...

Der Protagonist Max, um die 30, macht ein letztes Mal mit seinen Großeltern Urlaub auf Sylt. Manches ist wie früher, manches ist nicht mehr so möglich. Der Campingwagen wurde gegen eine Ferienwohnung getauscht. Ohne Zustellbett natürlich, wofür gibt es denn Decken, Kissen und Boden.

In Rückblenden erfahren wir episodenhaft einiges über die Familiengeschichte. Kleine Streitigkeiten, aber auch enger Zusammenhalt wechseln sich ab. Tragische Geschehnisse folgen auf humorvolle Episoden. Insgesamt eine Familie, wie man sie selbst kennen könnte.

Die Charaktere sind liebevoll beschrieben, immer mit einer Prise Humor. So wie man seine Liebsten eben aufzieht, wenn man schon das ganze Leben miteinander verbracht und sich gut kennt.

Die Geschichte spielt sich überwiegend in der Kindheit und Jugend von Max. In den letzten Jahren hat er seine Großeltern seltener gesehen, wie es wohl den meisten beim Erwachsenwerden geht. Es wird komplett aus der Sicht von Max erzählt, über die Gedanken der anderen Familienmitglieder erfahren wir nur indirekt etwas.

Ich hatte viel Spaß an diesem Buch. Es lässt sich leicht lesen und ist dabei voller Wärme und Witz. Aber auch Schicksalsschläge werden nach und nach unter dem Tisch hervorgekehrt, sodass es viel mehr ist als ein Buch zum Wohlfühlen. Von mir eine Empfehlung.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 11.07.2023

Die erste und letzte Freundschaft ihrer Art

Der Letzte seiner Art
0

Riesenalke sind begehrt. Zuerst wegen ihres Fleischs, aber auch als Sammlerstück für die Galerie. Man schmückt sie gerne mit einem ausgestopften Exemplar.

Zusammen mit der Tatsache, dass jedes Weibchen ...

Riesenalke sind begehrt. Zuerst wegen ihres Fleischs, aber auch als Sammlerstück für die Galerie. Man schmückt sie gerne mit einem ausgestopften Exemplar.

Zusammen mit der Tatsache, dass jedes Weibchen nur ein Ei pro Jahr legt, verschwinden sie nach und nach.

Gus ist interessierter Forscher und fängt mehr oder weniger zufällig eines der letzten Exemplare. Davon erhofft er sich wissenschaftliche Anerkennung. Ob das Forschungsobjekt lebendig oder tot am Ende seiner Reise ankommt, wird erstmal als nachrangig angesehen.

Während Gus Formalien klärt, verbringt er einige Zeit mit dem Tier. Und nimmt es wahr als lebendes Wesen und schließlich auch als Individuum. Er entwickelt ein Verantwortungsgefühl und gibt sich alle Mühe, seinen Riesenalk zu schützen. Er gibt ihm den Namen Prosp.

Zaghaft entsteht eine Freundschaft. Riesenalke können alt werden, und so begleiten wir die beiden einige Zeit. Gus findet eine Frau und sie gründen eine Familie. Überschattet wird es von Meldungen, die die Ausrottung weiterer Riesenalkkolonien verkünden.

Ist das Aussterben einer Art wirklich möglich? Leben die Tiere nicht einfach woanders weiter? Hat der Mensch wirklich diese furchtbare Macht über die Natur? Und mit welchem Recht übt er sie aus?

Diese Fragen stellt sich Gus um 1840 herum. Und das Thema wird leider immer akuter. 2018 ist die nächste Vogelart in Europa ausgestorben. Und wenn wir so weiter machen, wird sich das Tempo nur erhöhen.

Für sich und seinen Riesenalkfreund zieht Gus radikale Schlüsse, die auch Auswirkungen auf seine Familie haben.

Die Geschichte beginnt ruhig und nimmt erst nach dem ersten Drittel an Fahrt auf.
Manchmal wiederholen sich die Gedankengänge von Gus etwas. 

Die Freundschaft der beiden hat mich wirklich berührt. Die Beschreibungen und die Charakterstudie von Prosp waren so lebhaft, dass ich viel Spaß beim Lesen hatte.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 04.07.2023

Ergreifend

Das dritte Licht
0

Was brauchen wir von unseren Eltern?

Irland in den 1980er Jahren aus den Augen eines vielleicht 8-jährigen Mädchens. Sie wird von ihrem Vater für einen Aufenthalt zu entfernten Verwandten gebracht, da ...

Was brauchen wir von unseren Eltern?

Irland in den 1980er Jahren aus den Augen eines vielleicht 8-jährigen Mädchens. Sie wird von ihrem Vater für einen Aufenthalt zu entfernten Verwandten gebracht, da ihre Mutter hochschwanger und mit Hof und weiteren Geschwistern beschäftigt ist.
Die Verwandten sind kinderlos.
Beschrieben aus der Sicht des Mädchens erleben wir den neuen Alltag. Sie stellt Vergleiche zwischen den Haushalt an, wundert sich etwas, dass manches ganz anders abläuft. Am Ende der Ferien hat sie sich verändert.
Manches bleibt unausgesprochen, und doch wird alles gesagt.
Die Stimmung der Erzählung überzeugt in ganzer Linie. Durchgehend hatte ich ein Gefühl von Bedrohung, man wartet auf ein Unheil.
Die Charaktere sind so lebhaft vor meinen Augen, als hätte ich einen ganzen Sommer mit ihnen verbracht. Von Anfang an war ich ergriffen.
Die Beschreibungen der Alltagssituationen sind so auf den Punkt und voller Menschenkenntnis.
Das Buch wirkt nach. Ein Lesehighlight!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 04.07.2023

Leise berührend

Unsere Stimmen bei Nacht
0

Wir ziehen zusammen mit Lou in ihre neue Berliner Zweck-WG. Damit sind alle Zimmer belegt. Die alte Villa mit Charme gehört einem älteren Ehepaar, das nach Auszug ihrer Kinder viel Leerstand hat und einen ...

Wir ziehen zusammen mit Lou in ihre neue Berliner Zweck-WG. Damit sind alle Zimmer belegt. Die alte Villa mit Charme gehört einem älteren Ehepaar, das nach Auszug ihrer Kinder viel Leerstand hat und einen Nebenverdienst gut gebrauchen kann.
Zusammen gefunden haben sich Personen unterschiedlichen Alters, unterschiedlichen Charakters und in unterschiedlichen Lebenssituationen. Ihnen gemeinsam ist das etwas schwierige Verhältnis zu ihren Familien.
Sehr langsam lernen sich die Personen näher kennen. Besonders die fröhliche Lou baut mit ihrem ehrlichen Interesse an ihren Mitbewohner:innen Bindungen auf.
Das ruhige, unaufgeregte Erzähltempo ist der Erzählung angemessen, da die Charaktere eher zurückhaltend und in sich gekehrt sind.
Es ist schön zu lesen, wie sich schrittweise eine Gemeinschaft entwickelt, die jedem einzelnen positive Anstöße gibt. Die Charaktere bleiben dabei durchgehend authentisch. Sie gehen sehr rücksichtsvoll und vorsichtig miteinander um und achten auf gegenseitige Grenzen. Dadurch sind sie mir ans Herz gewachsen und ich hätte sie gerne weiter begleitet.
Besonders gefallen haben mir auch die geschickten Perspektivwechsel, die sich wie zufällig durch Begegnungen ergeben.
Ich habe das Buch sehr gerne gelesen, es ist einfach angenehm und schön, ohne jemals kitschig zu sein. Eine große Leseempfehlung von mir.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere